Algérie Presse Service, die Nachrichtenagentur, die dem algerischen Informationsministerium untersteht, bestätigte am Freitagabend in einem in scharfem Ton gehaltenen Artikel, dass der 75-jährige französisch-algerische Schriftsteller Boualem Sansal am 16. November in Algier festgenommen worden sei. Die Agentur sprach nicht von einem Verschwinden, sondern von einer Festnahme.
«Die Verhaftung von Boualem Sansal, einem Pseudointellektuellen, der von der französischen extremen Rechten verehrt wird, hat die Profis der Empörung wachgerüttelt», schreibt die Agentur auf ihrer Internetseite. «Die komische Aufregung eines Teils der französischen politischen und intellektuellen Klasse über den Fall Boualem Sansal ist ein weiterer Beweis für die Existenz einer hasserfüllten Strömung gegen Algerien», fügte sie hinzu.
«Das makronito-zionistische Frankreich, das sich über die Verhaftung Sansals empört, hat der Welt immer noch nicht erklärt, ob es die nötige Souveränität besitzt, um Benjamin Netanjahu verhaften zu können, sollte er jemals am Flughafen Charles De Gaulle auftauchen», fährt Algérie Presse Service fort und bezieht sich auf den Haftbefehl, den der Internationale Strafgerichtshof gegen den israelischen Premierminister ausgestellt hat.
Im folgenden Beitrag des algerischen Staatsfernsehens über die Verhaftung von Boualem Sansal erinnert der Tonfall an den des russischen Fernsehens, das über den Westen spricht, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht:
Reportage sur la télévision publique algérienne concernant l'arrestation de Boualem Sansal.
— David Dobsky (@dobsky33) November 22, 2024
La haine à l'encontre de la France y est palpable et omniprésente.
1/2 pic.twitter.com/HGjS4bwcnB
Hintergrund der Verhaftung könnte der Konflikt um die Westsahara sein: Ende Oktober hat Paris – sehr zum Missfallen Algiers – die marokkanische Souveränität über das zwischen Marokko und Mauretanien gelegene Gebiet anerkannt.
Laut «Le Monde» hat Boualem Sansal kürzlich in einem Interview «mit dem rechtsextremen französischen Medium ‹Frontières› (...) die marokkanische Version eines Königreichs übernommen, das vom kolonialen Frankreich des 19. Jahrhunderts um einen Teil seiner Gebiete zugunsten dessen beschnitten wurde, was viele Jahrzehnte später nach einem schrecklichen Unabhängigkeitskrieg Algerien werden sollte». In ihrem Leitartikel schreibt die französische Tageszeitung:
In Frankreich und anderswo wächst die Solidarität mit dem algerischen Schriftsteller, der in diesem Jahr auch die französische Staatsbürgerschaft angenommen hat. Nobelpreisträger für Literatur mobilisieren sich für Boualem Sansal, heisst es auf der Website von «Le Point». «Die Literaturnobelpreisträger Annie Ernaux, Jean-Marie Le Clezio, Orhan Pamuk und Wole Soyinka sowie Salman Rushdie, Peter Sloterdijk, Andreï Kourkov, Roberto Saviano, Giuliano da Empoli und Alaa el Aswany schliessen sich unserem von Goncourt-Preisträger Kamel Daoud initiierten Solidaritätsaufruf an und fordern seine sofortige Freilassung.»
Der französisch-algerische Schriftsteller Kamel Daoud erhielt 2024 mit «Houris» – einem Roman, der sich mit den Schrecken des algerischen Bürgerkriegs in den 1990er Jahren auseinandersetzt – den Goncourt-Preis, da das Buch in Algerien verboten ist und sein Autor vom Regime verunglimpft wird. Daoud schreibt in einem von «Le Point» veröffentlichten Aufruf unter anderem:
Mit der Verhaftung von Boualem Sansal scheint Algerien eine Kraftprobe mit Frankreich anzustreben. Mit welchen Ergebnissen?
absolut mentale Gymnastik wie man von einem Schriftsteller und einem Disput über ein Stück Wüste zu dieser Konklusion kommt. Das ist nicht mal mehr Whataboutism, bravo 🤦🏼♂️