Das Seenotrettungsschiff «Ocean Viking» mit 230 Migranten an Bord ist am Militärhafen der südfranzösischen Stadt Toulon angekommen. Das bestätigte eine Sprecherin der Organisation SOS Méditerranée der Deutschen Presse-Agentur am Freitagmorgen. Einige der Geretteten waren laut SOS Méditerranée seit mehr als zwei Wochen auf dem Schiff.
Frankreich will ein Drittel der Migranten an Bord des Schiffes aufnehmen. Laut Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin hat sich auch Deutschland bereit erklärt, ein Drittel der Geflüchteten aufzunehmen. Angebote zur Aufnahme gebe es aus weiteren Ländern wie Kroatien, Bulgarien, Litauen, Luxemburg und Norwegen.
Frankreich hatte dem Rettungsschiff am Donnerstag das Einlaufen am Militärhafen von Toulon erlaubt, nachdem Retter und Gerettete tagelang vergebens auf die Zuteilung eines Hafens in Italien gewartet hatten.
Frankreichs Innenminister Darmanin verurteilte das Verhalten Italiens, das entgegen internationaler Regeln das Einlaufen des Schiffs in einen italienischen Hafen verweigert habe. Das Vorgehen Roms belaste das Verhältnis zwischen beiden Ländern.
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigt sich verwundert über die scharfen Töne aus Paris in der Migrantenkrise. «Mich hat die aggressive Reaktion der französischen Regierung getroffen, die meiner Meinung nach unverständlich und ungerechtfertigt war», sagte Meloni am Freitag. Aus Sicht der ultrarechten und migrantenfeindlichen Politikerin werden in dem Fall die Verhältnisse verzerrt. Sie sagte, dass «zum ersten Mal überhaupt so ein Schiff einer NGO in Frankreich andockt». Sie könne die Aufregung in Paris wegen der rund 230 Menschen auf dem Schiff nicht verstehen, wenn man bedenke, dass «seit Anfang des Jahres fast 90 000 Migranten Italien erreicht hatten».
Daneben erinnerte die neue Regierungschefin an eine europäische Vereinbarung aus dem Frühsommer, wonach rund 8000 in Italien gelandete Migranten auf andere Länder verteilt werden sollten. Bislang aber seien erst 117 Menschen davon in einen anderen Staat gebracht worden, lediglich 38 nach Frankreich. «Irgendetwas funktioniert hier nicht», sagte Meloni. «Soll Italien denn das einzige Land sein, das Häfen für Migranten bereitstellt?»
»Zudem kritisierte die Parteichefin der rechtsradikalen Fratelli d'Italia, dass ihr Land in Europa unsolidarisch behandelt werde. Sie verwies darauf, dass Deutschland innerhalb kurzer Zeit zugesagt habe, ein Drittel der Leute von der «Ocean Viking» zu übernehmen. Bei dem Thema sei Italien von EU-Partnern nie so schnell geholfen worden.
Die französische Europastaatssekretärin Laurence Boone sprach am Freitag von einem Vertrauensbruch Italiens gegenüber ganz Europa. Italien habe sich nicht an geltende Regeln gehalten und mit einer einseitigen Entscheidung Menschenleben gefährdet. «Man kann sich die Frage stellen, ob Menschenleben instrumentalisiert werden», so Boone. Abkommen existierten, um auch über das Bestehen einer Regierung hinaus zu gelten. «Stellen Sie sich vor, wie es wäre, mit jeder Regierung die europäischen Regeln zu ändern. Das wäre nicht haltbar», sagte sie.
(lst/yam/sda/dpa)