Die italienischen Behörden haben einem Schiff der deutschen Hilfsorganisation SOS Humanity mit 179 aus dem Mittelmeer geretteten Migranten an Bord die Einfahrt in einen Hafen von Sizilien erlaubt. Dort verliessen am Sonntagmorgen mehr als 140 Migranten die «Humanity 1», 35 mussten jedoch weiterhin an Bord bleiben. Drei weitere Schiffe mit insgesamt mehr als 900 Menschen an Bord warteten noch auf eine Erlaubnis zum Anlegen.
«Wie wir befürchtet hatten, durften nicht alle von Bord gehen», sagte SOS-Humanity-Sprecher Wasil Schauseil. Eine Ärztin der Organisation sei aufgefordert worden, die Menschen auszuwählen, die sich in einem schlechten Gesundheitszustand befänden. Sie habe jedoch erklärt, dass alle in einer prekären Lage seien und sie daher keine Auswahl treffen würde. Mehr als 100 der 179 Passagiere an Bord waren nach Angaben der Organisation Minderjährige.
Zwei italienische Ärzte gingen schliesslich nach Mitternacht an Bord der «Humanity 1» und untersuchten die ganze Nacht hindurch die Menschen. Sie stuften 36 von ihnen als nicht dringend hilfsbedürftig ein. Ein Mensch brach den Angaben zufolge nach dieser Nachricht zusammen und wurde von einem Krankenwagen abgeholt. Deshalb seien nun noch 35 Menschen an Bord, sagte Schauseil.
Die neue italienische Regierung will erreichen, dass die Länder, unter deren Flagge die privaten Rettungsschiffe fahren, die Migranten aufnehmen. Die «Humanity 1» erhielt den Zugang zum Hafen allein unter der Bedingung, nur Minderjährige und Menschen aussteigen zu lassen, die medizinische Hilfe benötigten. SOS Humanity führt dagegen an, alle Migranten an Bord seien aus dem Wasser gerettet worden und hätten nach internationalem Recht deshalb Anspruch auf einen sicheren Hafen.
Die «Humanity 1» erhielt bis Sonntagmittag noch keine Aufforderung, den Hafen von Catania wieder zu verlassen, wie es eine am Freitag von italienischen Ministern unterzeichnete Richtlinie eigentlich vorsieht. Sie besagt, dass ein Rettungsschiff nur so lange in italienischen Gewässern bleiben darf, bis festgestellt wurde, welche Passagiere medizinische Hilfe benötigen.
Deutschland und Frankreich hatten Italien zuvor aufgefordert, den Migranten einen sicheren Hafen zu gewähren. Die beiden Länder hatten mitgeteilt, sie wollten einen Teil der Migranten aufnehmen, damit Italien diese Aufgabe nicht allein zufalle.
Für die anderen drei Schiffe gab es keine Angebote dieser Art. Die unter norwegischer Flagge fahrende «Geo Barents» mit 572 Migranten an Bord und die «Rise Above» der deutschen Organisation Mission Lifeline mit 93 Migranten liefen am Wochenende in italienische Gewässer östlich von Sizilien ein. Sie suchten dort Schutz vor schwerem Wetter, erhielten jedoch trotz wiederholter Bitten keine Erlaubnis zum Einlaufen in einen Hafen.
Die von der Hilfsorganisation SOS Méditerranée betriebene «Ocean Viking» mit 234 Migranten blieb in internationalen Gewässern, südlich der Strasse von Messina. Auch ihre Anfragen nach einem Hafen blieben bisher unbeantwortet.
Die italienische Regierung besteht darauf, dass die Länder, unter deren Flagge die privaten Rettungsschiffe fahren, die Migranten aufnehmen müssen. Nichtregierungsorganisationen weisen das zurück. Sie erklären, sie seien nach dem Seerecht verpflichtet, Menschen in Not zu retten. Küstenstaaten hätten wiederum die Pflicht, so schnell wie möglich einen sicheren Hafen bereitzustellen.