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Ismail Hanija: Was die Tötung im Iran für den Nahen Osten bedeutet

In this photo released by the Iranian Presidency Office, Hamas chief Ismail Haniyeh sits in a meeting with President Masoud Pezeshkian at the presidency office in Tehran, Iran, Tuesday, July 30, 2024. ...
Ismail Hanija, der politische Führer der Hamas, ist tot.Bild: keystone

Das bedeutet die Tötung von Hamas-Führer Hanija für den Konflikt im Nahen Osten

31.07.2024, 13:4031.07.2024, 15:03
Anna Von Stefenelli / watson.de
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Ein schwerer Schlag für die Hamas: Ismail Hanija, der politische Führer der Terrormiliz, wurde laut Angaben der iranischen Revolutionsgarde und der Hamas am Mittwoch in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet. Die Tötung des Hamas-Führers schürt die Befürchtungen vor einem möglichen Flächenbrand im Nahen Osten.

Klar ist: Hanijas Tod stellt einen herben Verlust für die Hamas dar. Der 62-Jährige galt als die öffentliche Führungsfigur der Organisation, die vor allem für ihre politischen Operationen im Ausland verantwortlich war. Er ist bereits der zweite Anführer einer iranisch unterstützten Miliz, der in den vergangenen Tagen ermordet wurde. Ein Umstand, der die Spannungen in der Region weiter anheizen dürfte.

Doch was bedeuten die aktuellen Geschehnisse für den Krieg in Nahost? Und was für die Waffenstillstandsverhandlungen im Krieg zwischen Israel und der Hamas?

Nahost-Eskalation: Hamas-Chef Hanija tot, Hisbollah-Befehlshaber auch

In einer Stellungnahme beschuldigte die Hamas Israel, Hanija und seinen Leibwächter bei einem Angriff auf seine Residenz in Teheran getötet zu haben. Dies soll nach Hanijas Teilnahme an der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian geschehen sein. Die israelische Armee reagierte nicht direkt auf diese Vorwürfe, sondern erklärte lediglich, dass man «eine Lagebeurteilung» vornehme.

FILE - Ismail Haniyeh, leader of the Palestinian militant group Hamas, speaks to journalists after his meeting with Lebanese Parliament Speaker Nabih Berri, in Beirut, Lebanon, June 28, 2021. (AP Phot ...
Hanija soll bei einem Angriff auf seine Residenz in Teheran getötet worden sein.Bild: keystone

Stattdessen äusserte sich Israel am Dienstag zu einem Luftangriff in der libanesischen Hauptstadt Beirut und bestätigte diesen. Dabei soll wiederum der ranghöchste militärische Befehlshaber der Hisbollah, Fu’ad Shukr, getötet worden sein. Shukr wurde für einen tödlichen Angriff auf die von Israel besetzten Golanhöhen verantwortlich gemacht, bei dem zwölf Kinder getötet wurden.

Aussenminister Ignazio Cassis besorgt
Aussenminister Ignazio Cassis hat sich während einer Medienkonferenz in der Maison Suisse an den Olympischen Spielen in Paris am Mittwoch besorgt über die jüngsten Entwicklungen im Konflikt zwischen Israel und dem Iran gezeigt. Dass die Tötung von Hamas-Chef Ismail Hanija im Iran erfolgt sei, erschwere die Situation, sagte Cassis zu Keystone-SDA.

Denn dies schaffe «eine territoriale Verbindung zu einem anderen Land». Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer regionalen Eskalation, so der Aussenminister weiter. Die Frage sei daher nun, was die Tötung des politischen Anführers der Hamas für Folgen habe, auf dem regionalen sowie auch auf dem überregionalen Level - und auch für Europa und die Schweiz. (sda)

Krieg zwischen Israel und Hamas: Was die Tötung von Hanija jetzt bedeutet

Ismail Hanija wurde 1962 in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Gaza-Stadt geboren und trat in den späten 1980er-Jahren der Hamas bei, während der Ersten Intifada, einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und der israelischen Armee. 2017 wurde er zum Chef der Organisation ernannt und kurz darauf von den USA als «globaler Terrorist» eingestuft.

Hanija war eine zentrale Figur in den laufenden Geisel- und Waffenstillstandsverhandlungen in Gaza, bei denen er als Vermittler zwischen Ägypten und Katar fungierte. Sein Tod könnte die bereits heiklen Verhandlungen weiter erschweren.

Der Politik- und Aussenpolitikanalyst Barak Ravid etwa sagt beim US-Sender CNN, dass die israelische Regierung Hanija als einen der Verantwortlichen für die Anschläge der Hamas vom 7. Oktober betrachte.

Zwar spiele er militärisch kaum eine Rolle, dennoch werde sein Tod «erheblichen Einfluss» auf die laufenden Geiselnahme- und Waffenstillstandsverhandlungen haben.

epa11510678 Hamas political leader Ismail Haniyeh (C) flashes victory sign as surrounded by Iranian lawmakers at the Iranian parliament in Tehran, Iran, 30 July 2024 (issued 31 July 2024). According t ...
Hanija war eine zentrale Figur in den laufenden Verhandlungen im Gaza-Krieg.Bild: keystone

Doch schon zuvor sei es schwierig gewesen. Laut CNN erklärte Gershon Baskin, ein ehemaliger israelischer Geiselunterhändler, der einst als Verbindungsmann zur Hamas fungierte, dass die Verhandlungen schon vor Hanijas Ermordung in eine Sackgasse geraten seien. Die neuen Entwicklungen würden lediglich das Leben der noch immer gefangen gehaltenen Geiseln gefährden.

Es sei unklar, wie lange sich die Vermittler aus Katar und Ägypten noch ausspielen lassen. Baskin fügt demnach hinzu, dass möglicherweise an der Zeit sei, dass die Vermittler einen Deal auf den Tisch legen und die Parteien auffordern, «ihn anzunehmen oder abzulehnen». Wenn sie ablehnen, sei es vielleicht an der Zeit, «die Parteien sich selbst zu überlassen.»

Iran in der Zwickmühle: Sorge vor einer weiteren Eskalation

Die Angriffe haben die Angst vor einem umfassenden regionalen Krieg auf ein neues Niveau gehoben. Insbesondere deshalb, weil der Iran jetzt unter Druck steht, auf einen Angriff zu reagieren, sagen Expert:innen. Schliesslich hat dieser auf eigenem Boden stattgefunden.

epaselect epa11499340 Palestinians flee from Khan Yunis after a new evacuation order was issued by the Israel Defense Forces (IDF), Khan Yunis camp in the southern Gaza Strip, 27 July 2024. More than  ...
Seit dem 7. Oktober 2023 herrscht Krieg im Gazastreifen.Bild: keystone

Dieser Meinung ist etwa Firas Maksad, Senior Fellow und Senior Director für Strategic Outreach am Middle East Institute. Der Experte sagt gegenüber CNN, dass der aufeinanderfolgende Tod von Anführern der vom Iran unterstützten Gruppen beispiellos sei. Dies könnte die Dynamik zwischen Israel und den vom Iran unterstützten Stellvertretern «völlig verändern». Möglicherweise sei dies ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Konflikt in der gesamten Region. Er fügt hinzu:

«Es besteht eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer orchestrierten, regionenweiten Aktion kommt, an der die verschiedenen vom Iran unterstützten Milizen aus dem Irak, dem Jemen, dem Libanon und vielleicht sogar Teheran selbst als direkte Reaktion auf Israel beteiligt sind.»

Diese Meinung teilt Assaf Orion, Brigadegeneral und Forscher am Institut für Nationale Sicherheitsstudien. Ihm zufolge erhöhen diese Vorfälle die Wahrscheinlichkeit, dass die sogenannte «Achse des Widerstands» unter Führung des Iran eine Reaktion zeigen könnte.

Hamas: Tod von Hanija wird nicht «ungestraft» bleiben

Bestätigen sich die Beschuldigungen gegen Israel, wäre Hanija der zweite hochrangige Hamas-Führer, der seit Beginn des israelischen Krieges in Gaza getötet wurde. Im Januar starb Saleh Al Arouri, stellvertretender Chef des politischen Büros der Hamas, bei einem israelischen Luftangriff in Beirut.

Trotz solcher Rückschläge hat die Hamas in der Vergangenheit den Verlust wichtiger Führungsfiguren überstanden, wie die Ermordung ihrer Mitbegründer Scheich Ahmed Yassin und Abdel Aziz Rantisi im Jahr 2004 zeigte.

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Saleh Al Arouri wurde im Januar bei einem Luftangriff getötet.Bild: keystone

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Tötung Hanijas und bezeichnete sie als «feigen Akt und gefährliche Entwicklung», wie die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtete. Ein weiteres Mitglied des politischen Büros der Hamas, Mousa Abu Marzouk, warnte, dass Hanijas Tod «nicht ungestraft bleiben» werde. Der Hamas-Beamte Sami Abu Zuhri sprach von einer «gravierenden Eskalation».

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84 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rodger
31.07.2024 15:03registriert November 2020
Für mich ist die Bedeutung, dass Anführer von Terrororganisationen feststellen müssen, dass nicht nur das Fussvolk dran glauben muss, wenn man Zivilisten tötet. Auch dann, wenn man sich im Ausland versteckt. Im Vergleich zu Bombardements auf Zivilisten in Gaza, finde ich dies fast human, vielleicht sogar friedensstiftend.
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maylander
31.07.2024 14:26registriert September 2018
Hanija wurde ja vor allem Hamasführer um sich die Taschen zu füllen. Durch die Strategie der direkten Ausschaltung funktioniert das Terrorbusiness nicht mehr. Nicht mehr die von Kind auf indokronierte Schergen bekommen die Konsequenzen zu spüren, sondern direkt die Profiteure des Terrors.
Der Anreiz sich mit Gräueltaten in der Hierarchie nach oben zu arbeiten, dürfte heute nicht mehr so gross sein.
Und der Iran kann sich das Terrorsponsoring irgendwann auch nicht mehr Leisten. Israel kann unbehelligt im Iran oder Jemen zuschlagen.
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Simisa
31.07.2024 16:12registriert Juni 2019
Ein Milliardär weniger. Unglaublich, was man mit harter Arbeit erreichen kann!
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