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Rafah: Netanjahu gesteht Fehler ein: «Luftangriff lief schief»

Netanjahu gesteht Fehler ein: «Beim Luftangriff ist tragischerweise etwas schiefgelaufen»

28.05.2024, 15:2328.05.2024, 16:03
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Nach dem verheerenden Raketenangriff auf ein Gebiet in der Nähe der Stadt Rafah im Gazastreifen, bei dem mindestens 45 Personen starben, versucht Israel mit beschwichtigenden Worten, den internationalen Aufschrei zu lindern.

Karte Gazastreifen
Israelische Truppen drangen am Dienstag ins Zentrum von Rafah im Süden des Gaza-Streifens vor. Die Zivilbevölkerung ist angehalten, in die erweiterte Sicherheitszone rund um Khan Yunis zu flüchten. bild: watson.ch

In einer Rede vor dem Parlament am Montagabend gestand Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass beim Luftangriff tragischerweise etwas schiefgelaufen sei: «Wir werden den Vorfall untersuchen und daraus Schlussfolgerungen ziehen. So läuft das bei uns.»

Displaced Palestinians inspect their tents destroyed by Israel's bombardment, adjunct to an UNRWA facility west of Rafah city, Gaza Strip, Tuesday, May 28, 2024. (AP Photo/Jehad Alshrafi)
Zerstörung nach dem Luftangriff vom Sonntagabend.Bild: keystone

Netanjahus Aussage folgt auf grossen internationalen Druck. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron forderte einen Stopp der Militäroperation auf die Stadt Rafah und eine sofortige Waffenruhe. Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck wirft Israel völkerrechtswidriges Vorgehen vor, und auch der britische Aussenminister David Cameron sprach sich für eine schnelle, umfassende und vor allem transparente Aufklärung des Unglücks aus. Ausserdem verfügte der Internationale Gerichtshof in Den Haag den sofortigen Stopp der Militäroperation in Rafah.

Israel gibt an, beim Raketenangriff die beiden hochrangigen Hamas-Mitglieder Jassin Rabia und Chaled Nagar getötet zu haben. Es habe sich dabei um legitime militärische Ziele gehandelt. Die beiden Terroristen hätten sich bewusst unter Zivilisten versteckt. «Israel ist bemüht, die zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten», erklärte Regierungssprecher Avi Hyman, «jeder Verlust von Menschenleben unter der Zivilbevölkerung ist schwerwiegend und furchtbar.» Vor dem Angriff seien verschiedene Sicherheitsmassnahmen ergriffen worden. So sei «Präzisionsmunition» zum Einsatz gekommen. Ausserdem habe die Luftüberwachung im Vorfeld des Angriffs ergeben, dass keine Gefahr für Zivilpersonen bestehe.

Dies stellte sich als Irrtum heraus.

FILE - A tent camp housing Palestinians displaced by the Israeli offensive is seen in Rafah, Gaza Strip, on Feb. 27, 2024. The tent camps stretch for more than 16 kilometers (10 miles) along Gaza?s co ...
Die Zelte der vertriebenen Bevölkerung reihen sich hinter dem Stadtrand von Rafah kilometerlang der Küste entlang.Bild: keystone

Ärzte im von der Hamas kontrollierten Gebiet zeichnen indes ein grauenhaftes Bild der Attacke. Unter den 45 Toten seien viele Kinder, Frauen und ältere Menschen. Sie seien von der Wucht der Explosion regelrecht zerfetzt worden. Der Angriffsort befände sich ausserdem in einem Schutzgebiet für vertriebene Flüchtlinge.

Dem widerspricht die israelische Armee. Der Angriff habe sich deutlich ausserhalb der vordefinierten Schutzzone ereignet. Eine entsprechende Karte wurde auf verschiedenen sogenannt sozialen Medien gestreut.

Die Gültigkeit der Karte wird wiederum angezweifelt. Israel habe die aufdoktrinierte Sicherheitszone zuvor selbst erweitert.

Videomaterial einer Militärdrohne, gesichtet von Journalisten der «New York Times», zeigt, dass der Angriff einer Ansammlung aus verschiedenen Containern und Fahrzeugen galt. Die Zeitung kommentiert dabei nicht, ob diese sich in einer Schutzzone befand.

Der mutmassliche Ort des Raketenangriffs gleich beim Kuwait Al-Salam Camp 1. Gleich gegenüber (weisses Dach) befinden sich Lagerhallen der UNRWA.
Der mutmassliche Ort des Raketenangriffs gleich beim Kuwait Al-Salam Camp 1. Gleich gegenüber (weisses Dach) befinden sich Lagerhallen der UNRWA.bild: Planet Labs

Seit Israel gegen militärische Ziele in der Stadt im Süden des Gaza-Streifens vorgeht, sind laut UNRWA, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, über eine Million Menschen aus Rafah geflohen. In Friedenszeiten leben dort zwischen 300’000 und 400’000 Menschen. Diese Zahl verdreifachte sich, nachdem viele Palästinenser vor den Kriegsaktivitäten im Norden der abgeriegelten Zone flüchten mussten.

epa11343844 Makeshift shelters at a new camp for internally displaced Palestinians, after the Israeli army asked them to evacuate the city of Rafah, west of Khan Yunis, southern Gaza Strip, 15 May 202 ...
Seit dem Einmarsch israelischer Truppen in den Gaza-Streifen flüchteten über eine Million Menschen in Camps entlang der Küste.Bild: keystone

Entsprechend katastrophal präsentiert sich die humanitäre Lage. Die Auffangcamps bestehen oftmals nur aus einfachen Zelten oder Containern. Sie sind überfüllt, Müllberge häufen sich und sanitäre Anlagen wie Duschen und WCs sind absolute Mangelware – genauso wie Trinkwasser.

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Angriff auf Israel
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quelle: keystone / abir sultan
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Israelische Armee rückt in Rafah ein – die Darstellungen sind unterschiedlich
Video: watson
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162 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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O(n)ly Fun.
28.05.2024 16:16registriert November 2023
"Ist etwas schiefgelaufen" - sry, das könnte Putin beim Baumarkt Drama auch sagen.

Man greift einfach keine Flüchtlingslager an, Ende der Geschichte.
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Guerzo
28.05.2024 15:53registriert Februar 2016
Es reicht jetzt einfach! Ein Kriegsverbrechen nach dem anderen und trotzdem wird weiter zugeschaut!
Es braucht jetzt Massnahmen gegen Israel:
- Einschränkung der Handelsbeziehungen
- Durchsetzung des ICJ Urteils durch den Sicherheitsrat

Die USA wird leider Israel wieder schützen.
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Morricone
28.05.2024 20:47registriert Juli 2022
Ich bin ganz klar für das Existenzrechts Israels. Und ich verdamme den Hamas-Angriff. Aber (ja, jetzt wieder mal das Aber). Begin war schon ein Gangster. Und Bibi toppt ihn noch. Bombardiert, will den Krieg am Leben erhalten, nur damit er an der Macht bleibt. Ein skrupelloser und korrupter Mafiosi und ja, ein Kriegsverbrecher. Shalom!
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