Noch weiss niemand, wo die unzähligen Erdstösse hinführen werden, die die Ägäis derzeit erschüttern. Viele Seismologen rechnen mit einem Hauptbeben unbekannter Stärke, das irgendwann erfolgen wird. Andere halten sogar einen Vulkanausbruch für möglich.
So oder so: Beide Varianten könnten Tsunamis auslösen. Und die würden nicht nur die Küsten Griechenlands bedrohen, sondern auch andere Mittelmeerländer erreichen. Wie israelische Medien berichten, kam in Israel deshalb jetzt der Nationale Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.
Alle relevanten Behörden und Ministerien trafen sich, anschliessend erging die Anweisung an die für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen des Landes, sich auf die Möglichkeit von Tsunamiwellen an Israels Küsten vorzubereiten. Israel hat eine rund 200 Kilometer lange Küstenlinie am Mittelmeer, an denen Tsunamis theoretisch Unheil anrichten könnten.
Die «Jerusalem Post» zitierte nach der Dringlichkeitssitzung einen leitenden Geologen des Institutes for National Security Studies (INSS). «Eine Tsunamiwelle braucht Zeit, um das Mittelmeer zu überqueren», sagte Ariel Heimann angesichts der rund 1'000 Kilometer Distanz zur Erdbebenzone. In einer Zusammenfassung nach der Dringlichkeitssitzung ist die Rede von bis zu zwei Stunden. Dies verschaffe im Notfall ausreichend Luft, um die Bevölkerung zu warnen, erklärte Heimann: «Deshalb müssen wir wachsam sein, aber nicht in Panik verfallen.»
Israel ist Teil eines regionalen Tsunami-Warnsystems und hat ausserdem zusätzliche Warnsensoren an unterschiedlichen Stellen entlang der Küste installiert. Das Land ist Berichten der Zeitung «Times of Israel» zufolge in vergangenen Jahrhunderten bereits mehrfach von Mittelmeer-Tsunamis getroffen worden, Todesopfer wurden in den Jahren 1222, 1303, 1870 und 1908 verzeichnet. In Städten wie Haifa wurden aufgrund dieser Historie bereits Evakuierungspläne entwickelt. Schilder weisen der Bevölkerung den Weg zu sicheren Orten.
Für Santorini hat das griechische Bürgerschutzministerium unterdessen den Notstand ausgerufen. Damit können die Behörden in den nächsten 30 Tagen unter anderem die Besitzer von schwerem Gerät und andere Menschen unbürokratisch für Räumungsmassnahmen und andere Arbeiten zum Dienst verpflichten. Das griechische Militär wird am Freitag Feldküchen einrichten, damit Bürger und Rettungskräfte im Ernstfall mit Essen versorgt werden können, wie der Nachrichtensender Skai berichtete.
Daten des Geodynamischen Instituts Athen zeigen, dass die Erdbebenaktivität auch in der Nacht zu Freitag angehalten hat. Die Beben wiesen allerdings eine deutlich geringere Stärke auf als noch eine Nacht zuvor. Zuvor hatte die griechische Behörde zum Schutz vor Erdbeben am Mittwoch erneut mitgeteilt, dass ein Erdbeben der Stärke 6 und mehr weiterhin nicht auszuschliessen sei.
Ein Grossteil der 16'000 Inselbewohner hat Santorini in den vergangenen Tagen in Richtung Festland verlassen. Diejenigen, die ausharren, tun dies auch, um ihr Hab und Gut zu schützen – sie befürchten, dass es auf der leer gefegten Insel zu Plünderungen kommen könnte. Jüngere Einwohner und die Polizei patrouillieren deshalb in den engen Gassen der Ortschaften, wie griechische TV-Sender zeigten.