Das von vielen Seismologen erwartete Hauptbeben im Raum der Vulkaninsel Santorini hat sich zwar noch nicht ereignet, wird aber befürchtet. Deswegen hat das Bürgerschutzministerium für die griechische Insel den Notstand ausgerufen.
Damit können die Behörden in den nächsten 30 Tagen unter anderem die Besitzer von schwerem Gerät und andere Menschen unbürokratisch für Räumungsmassnahmen und andere Arbeiten zum Dienst verpflichten. Die Inselgemeinde veröffentlichte das entsprechende Dokument des Ministeriums im Internet.
Die griechische Behörde zum Schutz vor Erdbeben teilte derweil erneut mit, dass ein Erdbeben der Stärke 6 und mehr weiterhin nicht auszuschliessen sei. Ab dieser Grössenordnung sind Schäden zu befürchten. Allein am Donnerstag ereigneten sich im Raum Santorini Dutzende Beben, die die Menschen in Angst versetzten. Das griechische Militär wird am Freitag Feldküchen einrichten, damit Bürger und Rettungskräfte im Ernstfall mit Essen versorgt werden können, wie der Nachrichtensender Skai berichtete.
Ein Grossteil der Bewohner hat die Insel in den vergangenen Tagen aus Angst vor einer Naturkatastrophe in Richtung Festland verlassen, darunter vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Diejenigen, die ausharren, tun dies auch, um ihr Hab und Gut zu schützen – sie befürchten, dass es auf der leer gefegten Insel zu Plünderungen kommen könnte. Jüngere Einwohner und die Polizei patrouillieren deshalb in den engen Gassen der Ortschaften, wie griechische TV-Sender zeigten.
Die unheimliche Erdbebenserie, von der die Inseln Santorini, Amorgos, Ios und Anafi derzeit erschüttert werden, verfolgt der deutsche Geophysiker Christian Hübscher genau. «Sie ist sehr intensiv und bereitet zu Recht Sorge», sagt er. Dass die beiden Vulkane der Region – Santorini selbst und der rund sieben Kilometer nordöstlich gelegene Unterwasservulkan Kolumbo – dafür verantwortlich sind, glaubt er jedoch nicht.
Insofern sei ein starkes Hauptbeben – wenn überhaupt – wahrscheinlicher als ein Vulkanausbruch.
Griechische Wissenschaftler haben im Rahmen der Analyse der aktuellen Erdbebenserie am Mittwoch eine «leichte Aktivität» des Vulkans von Santorini festgestellt. Den Menschen in der Region bereitet das Sorge – könnten die Erdbeben einen Vulkanausbruch verursachen? «Es kann Rückkopplungsmechanismen zwischen den Erdbeben und den Vulkanen geben», bestätigt Hübscher.
Die Angst der Menschen kommt nicht von ungefähr. Als der Vulkan von Santorini zuletzt ausbrach, im Jahr 1950, war es zwar eine nur eine kleine Eruption. Beim bislang letzten Ausbruch des Kolumbo um das Jahr 1650 hingegen kamen 70 Menschen ums Leben, es gab einen Tsunami und eine ebenso gewaltige wie giftige Gaswolke.
«Den Kolumbo haben wir intensiv untersucht. Er ist in seiner geologischen Geschichte fünf Mal ausgebrochen, dazwischen lagen jeweils einige Zehntausend Jahre», sagt Hübscher. Da der letzte Ausbruch noch keine 400 Jahre zurückliege, sei das Risiko also statistisch eher gering.
Dafür könnte es zu einem schweren Erdbeben kommen – wissen kann das aber niemand. «Es gibt immer mal wieder extreme Prognosen von einzelnen Experten, aber das ist Kaffeesatzleserei», sagt Hübscher. Sorge bereitet ihm allerdings, dass die Santoriner ihre Insel verlassen – gut zwei Drittel der rund 16'000 Einwohner sind wegen der Beben aufs Festland geflohen.
(rbu/chmedia/sda/dpa)