Nach der Freilassung zweier Geiseln der islamistischen Hamas im Gazastreifen laufen die diplomatischen Bemühungen um ein Ende der Gewalt im Nahen Osten auf Hochtouren. Während Ägypten den Weg dafür am Samstag mit einem «Gipfel für den Frieden» ebnen will, bleibt Israel dem Treffen zahlreicher Staats- und Regierungschefs der Nahostregion fern und lässt das eigene Militär weiter eine mögliche Bodenoffensive gegen die Hamas vorbereiten.
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Unterdessen wird die Lage für die Hunderttausenden in den Süden des abgeriegelten Gazastreifens Geflüchteten immer unerträglicher. Hilfsgüter für sie stecken weiterhin in Ägypten fest.
Zwei Wochen nach Kriegsbeginn hat die Hamas die beiden US-amerikanischen Geiseln Judith Tai Raanan und ihre Tochter Natalie Shoshana Raanan freigelassen. Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, der israelische Verantwortliche für die Entführten und Vermissten, Brigadegeneral Gal Hirsch, habe die beiden an der Grenze des Gazastreifens in Empfang genommen.
Auf einem Foto sind sie Hand in Hand mit Hirsch zu sehen, begleitet von Soldaten. Die Hamas veröffentlichte zudem ein Video von der Geiselübergabe. US-Präsident Joe Biden sprach anschliessend am Telefon mit den Freigelassenen und sicherte ihnen Unterstützung zu, sich «von dieser schrecklichen Tortur» zu erholen. «Ich bin überglücklich, dass sie bald wieder mit ihrer Familie vereint sein werden, die von Angst gequält war», teilte der US-Präsident am Freitag in Washington mit.
Israels Militär schrieb am Samstag zur Freilassung der beiden US-Geiseln auf Telegram: «Die Hamas stellt sich der Welt so dar, als hätte sie die Frauen, die sie als Geiseln genommen hat, aus humanitären Gründen zurückgegeben, während die Hamas in Wirklichkeit eine mörderische Terrororganisation ist, die gerade jetzt Säuglinge, Kinder, Frauen und ältere Menschen im Gazastreifen als Geiseln hält und weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht.»
Der militärische Arm der Hamas hatte zuvor die Freilassung der zwei US-Staatsbürgerinnen als «Reaktion auf die Bemühungen Katars» angekündigt. Israel will nach den verheerenden Terroranschlägen der Hamas die militärischen Fähigkeiten sowie die Herrschaft der islamistischen Organisation ausschalten. Mehr als 1400 Menschen fielen in Israel den Hamas-Angriffen zum Opfer. Mindestens 203 Menschen wurden zudem entführt.
Seit den Hamas-Angriffen bombardiert Israel Ziele im Gazastreifen. Dabei starben seit dem 7. Oktober nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen 4137 Menschen, davon 70 Prozent Kinder und Frauen. Mehr als 1000 Menschen würden vermisst. Sie befänden sich vermutlich unter den Trümmern.
Derweil nimmt der Druck auf Israel zu, eine Bodenoffensive in der hermetisch abgeriegelten Küstenenklave aufzuschieben, um mehr Zeit für die Freilassung weiterer von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu gewinnen, wie das «Wall Street Journal» berichtete. Israel wird an dem «Gipfel für den Frieden» in Ägypten, dem zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Nahostregion sowie Vertreter der UN und auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock beiwohnen werden, nicht teilnehmen. Man sei nicht eingeladen und nehme auch nicht teil, so ein Sprecher.
Die deutsche Aussenministerin Baerbock erhofft sich von dem Treffen ein Signal gegen eine Ausweitung des Gaza-Kriegs. Sie warnte den Iran und seine verbündeten schiitischen Milizen wie die libanesische Hisbollah, sich in den Gaza-Krieg einzuschalten. Seit Tagen kommt es an Israels Grenze zum Libanon immer wieder zu Schusswechseln mit der Hisbollah.
Derweil stecken Hilfsgüter für die Menschen im Gazastreifen weiter in Ägypten fest. Grund seien Auflagen, die an die Öffnung des Grenzpostens und die Weiterleitung zu den Bedürftigen gestellt worden seien, sagte UN-Generalsekretär António Guterres vor dem Grenzübergang Rafah auf ägyptischer Seite. «Hinter diesen Mauern haben wir zwei Millionen Menschen, die enorm leiden», sagte Guterres.
«Sie haben kein Wasser, keine Nahrungsmittel, keine Medikamente, keinen Treibstoff, sie werden beschossen. (...) Und auf dieser Seite stehen die Lastwagen (...) mit genau den Sachen, die auf der anderen Seite gebraucht werden.» US-Präsident Biden rechnet nach eigenen Worten damit, dass erste Hilfslieferungen in den kommenden ein bis zwei Tagen in den von Israel abgeriegelten Küstenstreifen gebracht werden können. Er habe von Israel und Ägypten die Zusage bekommen, dass der Grenzübergang Rafah offen sein werde. Die Zugangsstrasse sei in schlechtem Zustand gewesen und habe asphaltiert werden müssen.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas und die drohende regionale Ausweitung könnte laut einem Experten den Westen und den Rest der Welt noch weiter auseinandertreiben. «Global betrachtet droht der Krieg in Nahost die Feinde einer regelbasierten Weltordnung weltweit zu stärken», sagte der Israel-Experte Stephan Vopel von der Bertelsmann Stiftung der Deutschen Presse-Agentur. Der Iran, aber auch China und Russland profitierten von einer «anti-israelischen Stimmungsmache unter den Bevölkerungen arabischer und muslimischer Staaten». Zugleich drohe der Konflikt «die Annäherung des Westens an die Staaten des Globalen Südens zu gefährden», weil dem Westen eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels vorgeworfen werde, so Vopel. (sda/dpa)