«Israelischer Angriff tötet Hunderte in einem Spital, laut palästinensischen Angaben», vermeldete die «New York Times» am Dienstagabend. Und sie war nicht die Einzige: Die meisten arabischen und viele westliche Medien verbreiteten dieselbe Eilmeldung. Die Nachricht führte innert kurzer Zeit zu Ausschreitungen in zahlreichen arabischen Ländern, deren Staatschefs Israel ebenfalls scharf verurteilten.
Von der Explosion beim Al-Ahli-Arab-Spital in Gaza waren zu diesem Zeitpunkt gerade einmal ein paar Videos und die Meldung des Gesundheitsministeriums in Gaza im Umlauf, in der verlautet wurde, dass 500 Menschen bei einem israelischen Luftangriff getötet worden seien. Das Problem: Kaum jemand erwähnte, dass das Ministerium von der Hamas kontrolliert wird. Also von der Organisation, die am 7. Oktober mehr als 1400 Israelis bei Terrorangriffen getötet hat und fast 200 Geiseln nach Gaza verschleppte. Von den USA und der EU wird sie als Terrororganisation eingestuft.
Laut dem israelischen Militärsprecher schoss die Hamas ab 18.15 Uhr mehrere Raketen in Richtung Israel ab. Rund 45 Minuten später folgte der Islamische Dschihad – ebenfalls in Gaza – mit weiteren Raketen. Kurz darauf habe es die ersten Berichte über eine Explosion in dem Spital gegeben. Laut dem Sprecher hat die Hamas diese Berichte geprüft und festgestellt, dass eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Dschihads beim Spital eingeschlagen sei. Daraufhin habe die Hamas beschlossen, gezielt ihre eigene Version der Geschehnisse in Umlauf zu bringen.
Nicht nur Medien, sondern auch Hilfsorganisationen wie «Ärzte ohne Grenzen» haben die Botschaft der Hamas unhinterfragt übernommen. Später löschten sie die Posts auf «X» wegen «Zweifeln an der Sachlage», wie sie auf der Plattform mitteilten.
Unsere Tweets von heute morgen zum Vorfall im Ahli-Arab-Krankenhaus haben wir soeben aufgrund von Zweifeln an der Sachlage gelöscht. 1/2
— Ärzte ohne Grenzen (@msf_de) October 18, 2023
Nur eine Stunde nach der ersten Eilmeldung änderte die amerikanische «New York Times» die Schlagzeile auf ihrer Website auf «Mindestens 500 Tote bei Explosion in Gaza-Spital, laut Palästinensern». Deutschlandfunk schrieb auf «X» (ehemals Twitter): «In einer ersten Meldung haben wir auf Basis der Nachrichtenlage zu diesem Zeitpunkt von einem israelischen Angriff gesprochen. Inzwischen ist der Informationsstand anders.»
Mit dem neuen Informationsstand war die Meldung des israelischen Militärs gemeint. Dieses ergänzte ihre Aussagen später mit Experteneinschätzungen, Aufnahmen von abgehörten Unterhaltungen und Videos.
Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Hamas-Botschaft spielte der katarische Nachrichtensender Al Jazeera. Erst vergangene Woche erklärte der israelische Kommunikationsminister, dass er eine Schliessung des lokalen Büros des Senders wegen seiner Nähe zur Hamas anstrebe. Tatsächlich blieb Al Jazeera in Bezug auf die Explosion beim Spital grösstenteils bei der Version der Hamas. Das Medium stellte unter anderem die Glaubwürdigkeit des israelischen Militärs infrage.
Als Grund dafür nennt der Sender unter anderem den Tod der Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh. Die erfahrene palästinensisch-amerikanische Journalistin wurde im Mai 2022 erschossen, als sie über das Flüchtlingslager in Jenin im Westjordanland berichtete. Die israelische Regierung bestritt zunächst, an ihrem Tod beteiligt zu sein. Erst als mehrere unabhängige Untersuchungen bestätigten, dass nur ein israelischer Soldat sie getötet haben konnte, räumte Israel die Verantwortung ein.
Gemäss aktuellem Informationsstand gibt es keine Beweise für die angeblich 500 Toten nach der Explosion. Die Rakete schlug, wie verschiedene Aufnahmen zeigen, nicht ins Spitalgebäude, sondern auf dem Parkplatz des Krankenhauses ein.
Bei seiner Ankunft in Israel sagte Präsident Joe Biden, dass US-Informationen zufolge «die andere Seite», also der Islamische Dschihad für die Explosion verantwortlich sei. Die Gruppierung, die in den 1980er-Jahren im Gazastreifen entstanden ist, hat schon mehrere Anschläge und Selbstmordattentate in Israel verübt. Ausserdem feuern die Mitglieder des Islamischen Dschihad immer wieder Raketen aus Gaza nach Israel.
Für viele Stimmen in der arabischen Welt spielen diese Richtigstellungen aber keine Rolle mehr. Gegenüber NBC News sagte Ayman Sagadi, der jordanische Aussenminister: «In diesem Teil der Welt glaubt niemand diese Darstellung.»
Ich verstehe dass Bedürfnis der Medien möglichst schnell auf Aktualitäten zu reagieren, um Klicks zu generieren. Aber das ist ein gefährliches Vorgehen, was viel Leid & Missmut auslösen kann. Und wenn man falsch lag, sollte man auch den Anstand haben hinzustehen und einzugestehen „auch wir, es tut uns leid“.
Wenn jemand etwas über "whataboutism" lernen will, schaut euch diese Interviews an.
Der Interviewer bricht das Interview sogar ab weil es null Sinn macht mit diesen Menschen zu diskutieren.
So glauben die Menschen offenbar jeweils das, was sie glauben wollen und lassen sich nicht von gut recherchierten Artikeln von ihr Überzeugungen abbringen.