«Ohne meinen Krebs und die Chemotherapie hättet ihr mich nie gefangen», sagte Messina Denaro nach seiner Verhaftung trotzig zu den Staatsanwälten.
Tatsächlich hatten die Ermittler davon Wind bekommen, dass sich der gesuchte Top-Mafioso einer Kontrolluntersuchung in einer Privatklinik in Palermo unterziehen musste - darauf passten ihn Spezialeinheiten der Carabinieri im Januar dieses Jahres vor dem Krankenhaus ab. Der 61-Jährige litt seit längerem an Darmkrebs.
Vor einigen Tagen war er vom Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von L'Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen, in die Gefangenenabteilung des örtlichen Spitals übergeführt worden. Ende letzter Woche meldeten die Behörden, dass der sizilianische Super-Pate ins irreversible Koma gefallen sei und auf seinen eigenen Wunsch weder weiter behandelt noch künstlich ernährt werde. In der Nacht auf gestern Montag ist er verstorben.
Matteo Messina Denaro, der einer mächtigen Mafia-Familie der westsizilianischen Provinz Trapani entstammt, war ein eiskalter Killer - und brüstete sich damit: mit den Opfern, die er umgebracht habe, könne man «einen ganzen Friedhof füllen». Bei den Mordanschlägen Anfang der Neunzigerjahre gegen die Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zählte der damals erst dreissigjährige Messina Denaro bereits zum engeren Führungszirkel der Cosa Nostra.
Auch bei den Bombenanschlägen in Rom, Florenz und Mailand im Sommer 1993, bei denen zehn Menschen ums Leben kamen und mehr als hundert verletzt wurden, war er beteiligt gewesen. Insgesamt soll Messina über fünfzig Morde selber begangen oder diese in Auftrag gegeben haben. In Abwesenheit wurde er deswegen zu mehreren lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Nach seiner Verhaftung im Januar hatte Messina Denaro noch in alter Mafia-Manier eisern geschwiegen. «Ich habe nie jemanden verraten, und ich werde das auch jetzt nicht tun», erklärte er gegenüber den Ermittlern. Und so nimmt der Boss der Cosa Nostra viele Geheimnisse mit ins Grab.
Zum Beispiel: Wie war es möglich, dass der meistgesuchte Mafioso Italiens während dreissig Jahren unweit seiner Geburtsstadt Castelvetrano ein fast normales Leben führen konnte, obwohl ihm ganze Hundertschaften von Anti-Mafia-Beamten auf den Fersen waren? Wie konnte es sein, dass «Diabolik», wie Messina Denaro wegen seiner Grausamkeit genannt wurde, in dieser Zeit im grossen Stil in die legale Wirtschaft investieren und dabei ein Vermögen von geschätzten 4 bis 5 Milliarden Euro anhäufen konnte? Welche Politiker und welche Unternehmer haben ihm dabei geholfen - und wo ist dieses Geld jetzt?
Ein weiteres, ebenso beunruhigendes Geheimnis: War Messina Denaro tatsächlich in den Besitz des Cosa-Nostra-Archivs von Toto Riina gekommen, und wenn ja: Wo hat er es versteckt? Riina, der im Jahr 2017 ebenfalls in Gefangenschaft verstorbene Capo der «Corleonesi», war von 1982 bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1993 der unumschränkte Boss der Cosa Nostra gewesen und hatte die Ermordung von Falcone und Paolo Borsellino sowie Bombenanschläge auf dem Festland angeordnet.
In dieser Zeit soll es zu geheimen Verhandlungen zwischen der Cosa Nostra und der Regierung in Rom gekommen sein, um das Blutvergiessen zu beenden. Was wusste Messina Denaro davon, was enthält Riinas verschwundenes Archiv dazu – und vor allem: Welche hohen Politiker in Rom waren an diesen Verhandlungen, wenn es solche gegeben hat, beteiligt? All diese Geheimnisse versuchten die Staatsanwälte in den Verhören mit Messina Denaro in den vergangenen acht Monaten zu lüften – vergeblich.
Schade konnte man nicht einige Namen ergattern, wahrscheinlich auf Befehl von Oben einfach zu "nett" beim Verhör gewesen...