Der erste Weinstein-Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte – auch deshalb, weil der ehemalige Hollywoodmogul vor allem auf Basis der Aussagen von Zeuginnen für schuldig befunden wurde, obwohl er selbst stets seine Unschuld beteuerte. Materielle Beweise spielten in dem Verfahren eine untergeordnete Rolle.
Am Donnerstag hat nun ein Gericht in New York das Urteil gegen Weinstein wegen Verfahrensmängeln eingestellt.
Die Anschuldigungen gegen Weinstein, die 2017 in einem bahnbrechenden Bericht in der «New York Times» veröffentlicht wurden, lösten die #MeToo-Bewegung aus: eine massive Abrechnung mit Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen. Unter anderem Frauen, die Weinstein beschuldigten, haben sich am Donnerstag zu dem Urteil geäussert und es als «enttäuschend» und «ungerecht» bezeichnet.
Ein Überblick über die Reaktionen:
Die Staatsanwaltschaft in Los Angeles zeigte sich «betrübt» über das Urteil der New Yorker Berufungsrichter. In einer Stellungnahme drückte die Behörde aber auch Zuversicht aus, dass Weinsteins Verurteilung in Kalifornien aufrechterhalten werde. Dann würde Weinstein die «schwerwiegenden Folgen seines beklagenswerten Verhaltens» tragen.
Bei dem Prozess in Los Angeles hatte eine Jury Weinstein im Dezember 2022 wegen Sexualverbrechen in drei Anklagepunkten, darunter Vergewaltigung, schuldig gesprochen. In einem Punkt wurde er freigesprochen, in drei weiteren Punkten gab es keine Einigung. Die Vorwürfe stammten von vier Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013.
Unter den Klägerinnen war unter anderem Jennifer Siebel, die jetzige Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben.
Siebel liess am Donnerstag verkünden:
«Dies ist ein sehr trauriger Tag für zahllose Frauen, die unter den Händen eines Serienmörders gelitten haben. Zwei Geschworene haben unmissverständlich gesagt: Harvey Weinstein darf nie wieder eine Frau vergewaltigen, und er verdient es, den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen. Harvey Weinstein ist ein Seriensexualstraftäter und Vergewaltiger.» Und weiter sagt die Kalifornierin: «Die meisten Männer sind gute Männer – es sind die Serientäter, die Gewalt gegen Frauen ausüben, die unserer Gesellschaft schaden.»
Douglas Wigdor, der Anwalt von mehreren Frauen, die Weinstein angeklagt hatten, sagte am Donnerstag nach der Aufhebung des Urteils:
Jeff Herman, der Anwalt für einige von Weinsteins Anklägerinnen, die Zivilklagen eingereicht haben, liess verlauten:
Lindsay Goldbrum, eine weitere Anwältin von Frauen, die Weinstein angeklagt hatten, sagte zudem: «Das heutige Urteil wirft leider einen dunklen Schatten auf ihre Tapferkeit und wird zweifellos zukünftige Opfer sexueller Übergriffe davon abhalten, sich zu melden.»
Weinstein und sein Anwaltsteam feierten das spektakuläre Urteil. Nach Aussage seines Anwalts Arthur Aidala sei Weinstein «sehr dankbar», berichtete die «New York Times». Der 72-Jährige sitzt in einem Gefängnis im Norden des US-Bundesstaates New York ein. Aidala zufolge soll sein Mandant nun näher an die Metropole verlegt werden. Er könne zurück vor Gericht kommen und seine Sicht der Dinge darlegen:
Aidala betonte, sein Team habe von Anfang an «gewusst, dass Weinstein keinen fairen Prozess bekommen hat».
Schauspielerin Ashley Judd, die Weinstein ebenfalls der sexuellen Übergriffe bezichtigt, fand klare Worte:
Eine Reaktion kam am Donnerstag auch von der Schauspielerin Mira Sorvino. Die Oscar-Preisträgerin («Geliebte Aphrodite») war eine der ersten Frauen, die dem US-Filmproduzenten sexuelle Belästigung vorgeworfen hatten. «Entsetzt!», schrieb die 56-Jährige auf der Plattform X (vormals Twitter). «Seit wann lassen Gerichte Beweise für Verhaltensmuster nicht zu, die frühere schlechte Taten belegen?»
Die Schauspielerin, die Weinstein 2017 beschuldigte, sie sexuell missbraucht zu haben, und die eine Organisation gegründet hat, die Überlebende von sexuellem Missbrauch in Hollywood unterstützt, sagte in einer Erklärung, dass die heutige Entscheidung ein allgemeines Versagen des Justizsystems bei der Unterstützung von Überlebenden widerspiegelt.
«Die Täter erhalten eine Chance nach der anderen, in ihr ‹normales Leben› zurückzukehren, während die Überlebenden weiterhin unter mangelnder Unterstützung, anhaltenden Traumata, chronischen Krankheiten, psychischen Problemen, wirtschaftlichen Schäden und verschiedenen Formen der Vergeltung leiden», sagte Masse.
lak, mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
Bei aller Verachtung ggü Weinstein steht ihm dennoch ein sauberes Verfahren zu. Egal, welche Taten er begangen hat, das ist Teil eines Rechtsstaates. Dass die genannten Frauen dies nicht verstehen lässt tief blicken. «Dies ist heute ein Akt des institutionellen Verrats.» ist schlicht falsch.