Inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den ecuadorianischen Präsidenten Guillermo Lasso wegen mutmasslicher Unterschlagung hat der Staatschef das Parlament aufgelöst.
Das Wahlamt solle innerhalb von sieben Tagen einen Termin für Wahlen ansetzen, hiess es in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung des Präsidialamts. Bis zu sechs Monate kann der konservative Präsident nun per Dekret regieren.
Die Figur der so genannten «muerte cruzada» (etwa: gegenseitige Zerstörung), mit der der Präsident die Nationalversammlung unter bestimmten Voraussetzungen auflösen kann, ist seit 2008 in der Verfassung des südamerikanischen Landes verankert. Bislang kam sie allerdings noch nie zur Anwendung.
«Es ist unmöglich, die Herausforderungen mit einem Parlament zu lösen, dessen Ziel die Destabilisierung des Landes ist», sagte Lasso in einer Fernsehansprache. «Ich muss eine Antwort auf die politische Krise geben. Ecuador braucht einen neuen politischen und sozialen Pakt, der es uns erlaubt, die Krise zu überwinden, die sich leider jeden Tag verschärft.»
Das Parlament hatte zuletzt ein Amtsenthebungsverfahren gegen Lasso angestrengt. Am Dienstag wies der Staatschef die gegen ihn erhobenen Unterschlagungsvorwürfe in der Nationalversammlung zurück. Lasso wird vorgeworfen, von ungünstigen Verträgen zwischen der staatlichen Öltransportfirma Flota Petrolera Ecuatoriana und der privaten Reederei Amazonas Tankers gewusst, sie aber nach seinem Amtsantritt nicht gekündigt zu haben. Das soll den ecuadorianischen Staat mehrere Millionen US-Dollar gekostet haben.
Ecuador steckt in einer schweren politischen Krise. Nur 17 Prozent der Bürger unterstützen Lassos Regierungsführung, gerade mal 20 Prozent bewerten die Arbeit des Parlaments als gut. Das einst friedliche südamerikanische Land leidet derzeit zudem unter einer Welle der Gewalt. Die Mordrate von 25 Tötungsdelikten je 100 000 Einwohnern im vergangenen Jahr war die höchste in der Geschichte des Landes und überstieg sogar jene von Mexiko und Brasilien. Die Regierung macht vor allem Drogenhändler für die Gewalt verantwortlich.
«Wir sind geeinter denn je», schrieb Lasso nach seiner Ansprache über einem Foto mit seinen engsten Mitarbeitern auf Twitter. «Wir alle arbeiten weiter daran, dass Ecuador seine Ruhe wiederfindet. Das Land steht nicht still. Die öffentlichen Dienste arbeiten normal. Die Streitkräfte und die Nationalpolizei setzen ihre tägliche Arbeit zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus fort. Der Privatsektor hat alle Garantien, um seine Aktivitäten zu entwickeln und weiterhin zum Wachstum und zur Entwicklung des Landes beizutragen.» (sda/dpa)