Mike Jeffries, der ehemalige Chef von Abercrombie & Fitch, ist am Dienstag in New York wegen schwerer Sexualverbrechen an angehenden Models angeklagt worden. Damit wird ein weiterer Skandal um die Marke enthüllt. Der Fall des Fashion-Giganten ist jedoch schon seit Jahren im Gange. Eine Übersicht, wie Abercrombie & Fitch ihr eigenes Grab schaufelte. In drei Punkten:
Der Name Abercrombie & Fitch (A&F) etablierte sich 1892 als Elite-Männersport-Geschäft. Es wurde berühmt für seine Elch-Polos, nachdem Les Wexner 1988 das Unternehmen kaufte. Les Wexner – dem ebenfalls Victoria's Secret gehörte – übergab die Zügel 1992 an Mike Jeffries.
Mike Jeffries machte A&F dann zu dem, wofür es weltweit berühmt wurde: Läden mit gedimmtem Licht, starken Parfümnebeln und einer Reihe von halbnackten, durchtrainierten Männermodels.
Dieses Erscheinungsbild hatte einen klaren Marketinggedanken, denn: Damals war es cool, nicht divers zu sein. Man wollte nur eine kleine Spannbreite von Menschen mit den Produkten ansprechen, um eine Illusion von Exklusivität für Konsumentinnen und Konsumenten zu schaffen, die in diese Spannbreite passten. Der Kundschaft, die nicht reinpasste, sollte so vermittelt werden, dass sie, wenn sie Klamotten von Abercrombie & Fitch kaufen, irgendwann auch dazugehören können.
So sagte Mike Jeffries selbst in einem Interview mit Salon im Jahr 2006: «Wir wollen die coolen Kids. Wir wollen den attraktiven, typisch amerikanischen Jungen mit einer tollen Einstellung und vielen Freunden. Viele Leute passen nicht [in unsere Kleidung] und können nicht dazugehören. Sind wir ausgrenzend? Auf jeden Fall.»
A&F setzte jedoch nicht nur auf das Exklusivität-Marketing, sondern auch auf Schönheitsideale. Bis Mitte der 2010er stellte die Marke nämlich nur Models, die «jung und attraktiv» waren, als Ladenangestellte an. Die Definition von «jung und attraktiv» wurde in einem Guideline-Buch festgehalten und die Angestellten wurden wöchentlich nach ihrem Aussehen bewertet. Entsprachen sie nicht (mehr) den Guidelines, wurden sie entlassen. Viele People of Color durften zudem nicht im Geschäft selbst arbeiten, sondern nur im Lager, wo sie nicht von der Kundschaft gesehen werden konnten. Das wurde alles in der Netflix-Dokumentation «White Hot: Rise and Fall of Abercrombie & Fitch» enthüllt.
Fatshaming und Rassismus zeigten sich jedoch nicht nur bei den Angestellten, sondern auch bei der Kundschaft. Als Kundin oder Kunde war man dann am willkommensten, wenn man weiss, dünn und jung war.
So sollen die Angestellten dazu aufgerufen worden sein, sich distanziert oder gar unhöflich gegenüber der (falschen) Kundschaft zu verhalten. Das bestätigten Dutzende von früheren Mitarbeitern auf Plattformen wie Reddit: «Ich habe nur zwei Monate bei A&F gearbeitet, weil das Arbeitsumfeld so toxisch war. Wir mussten Kunden, die nicht jung und dünn waren, sagen, sie sollten den Laden verlassen. Ausser wenn sie aussahen, als hätten sie viel Geld», meinte etwa eine Mitarbeiterin, die 2017 bei A&F angestellt war.
Als einer der Ersten kritisierte Benjamin O'Keefe die Haltung von A&F öffentlich, als er im Jahr 2013 die virale Petition zum Boykott der Marke ins Leben rief. Die Petition trug den Namen «Abercrombie & Fitch CEO Mike Jeffries: Stop telling teens they aren't beautiful; make clothes for teens of all sizes!» und bekam knapp 80'000 Unterschriften. O'Keefe sagte dazu in einem Interview während der Dreharbeiten für die Netflix-Dokumentation: «Diskriminierung ist ihr Markenzeichen. Sie haben sich auf jeder einzelnen Ebene in Diskriminierung verwurzelt.»
Während A&Fs Primetime gehörten die halbnackten, rasierten und durchtrainierten Männer zum Alltag. Bereits damals trauten sich einige Aktivistinnen und Aktivisten, die Sexualisierung der jungen Männer anzuprangern. Aber erst heute, nach den Vorwürfen gegen Mike Jeffries, werden diese Anschuldigungen auch ernst genommen.
Wie der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Breon Peace am Dienstag meinte, soll Jeffries seine Macht, seinen Reichtum und seinen Einfluss missbraucht haben, um Männer für sein eigenes sexuelles Vergnügen und das seines Lebensgefährten zu benutzen. Dabei habe er sich die Strahlkraft der Abercrombie-Marke zunutze gemacht, die die jungen Männer als «Ticket zum Erfolg in der Modelbranche» sahen.
Wie der Anwalt weiter schrieb, seien mindestens 15 Personen zwischen 2008 und 2015 Opfer des Missbrauchs geworden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Jeffries, seinen damaligen Partner Matthew Smith und eine dritte Person, die eine Art Middleman gewesen sein soll.
Wusste nicht, dass die so ein abgefahrenes Ladenkonzept hatten. Seine Kunden darf man sich ja grundsätzlich schon aussuchen, machen viele andere auch, aber Angestellte derart zu schikanieren und gar missbrauchen ist logischerweise inakzeptabel.