Kommender Freitag wird der letzte Tag sein im Zivilprozess «Depp vs. Heard». Danach wird sich die Jury zur Urteilsverkündung zurückziehen. Zwei Tage vor den abschliessenden Plädoyers der jeweiligen Anwälte wird heute Mittwoch erwartet, dass Model Kate Moss aussagen soll. Sie wurde als mögliche Zeugin von Depps Anwaltsteam aufgelistet und soll zu seiner Gunst aussagen.
Und das kam so: Amber Heard und Ex-Mann Johnny Depp sprachen vor der Jury von mehreren Vorfällen («incidences»), bei denen der jeweils andere gewalttätig geworden sein soll. Einer dieser Vorfälle ist der mittlerweile berüchtigte «Treppen-Vorfall» von 2015, der allerdings verschiedene Versionen kennt.
Johnny Depp behauptet, von Amber Heard ins Gesicht geschlagen worden zu sein, nachdem sie einen Eifersuchtsanfall gehabt haben soll. Diese Version wird gestützt durch die Zeugenaussage von Depps Bodyguard, der unter Eid erklärte, Heard gesehen zu haben, wie sie ihren Ehemann schlug.
Amber Heard bestreitet nicht, Depp geschlagen zu haben. Ihre Version ist aber eine, wonach der Schauspieler ihre Schwester, die bei dem Vorfall dabei war, zuerst tätlich angegriffen haben soll. Sie habe Whitney schützen wollen und deshalb Johnny Depp ins Gesicht geschlagen. Diese Aussage wird wiederum gestützt durch Heards Schwester, die deren Version im Zeugenstand bekräftigte.
Wie kommt nun Kate Moss ins Spiel? Heard selbst hat während ihrer Aussage die Ex-Freundin von Johnny Depp angesprochen. Diese war zwischen 1994 und 1997 mit dem Schauspieler liiert. Heard erklärte im Zeugenstand, sie habe Depp angegriffen, weil sie sofort an Kate Moss gedacht habe:
Heard bezieht sich in ihrer Aussage auf ein Gerücht, das im Zuge der Anschuldigungen gegen Johnny Depp und dessen früheren Prozesses in London gegen das Boulevardblatt «The Sun» die Runde machte: Depp habe schon damals seine Ex-Freundin Kate Moss tätlich angegangen – unter anderem bei einem Vorfall an einem Treppenrand, bei dem er sie die Treppen heruntergestossen haben soll. Das Gerücht wurde nie bestätigt.
Ursprünglich war Kate Moss nicht auf der Zeugenliste im Virginia-Fall. Doch Heards Aussage öffnete die Tür für diejenige von Depps Ex-Freundin. Wäre sie nämlich nicht erwähnt worden, so wäre sie höchstwahrscheinlich nicht als Zeugin zugelassen. Ihre Rolle wäre unklar und ihre Person hätte nichts mit dem Fall zu tun gehabt.
Amber Heard könnte sich damit ein Eigentor geschossen haben. Das sah man der Reaktion von Johnny Depp und seinen Anwälten vor Gericht sogleich an: Als Heard Kate Moss erwähnt, ballt Depps Anwalt die Faust und beide scheinen sich zu freuen.
Von Kate Moss wird erwartet, dass sie das Gerücht widerlegt. Angeblich sei sie selbst auf Flip-Flops ausgerutscht und die Treppe heruntergefallen. Depp hätte sie «aufgefangen und zu ihr geschaut». Die beiden kommen Berichten zufolge nach wie vor gut miteinander aus. In einem Interview erzählte Moss dem Magazin «Vanity Fair» 2012, sie sei am Boden zerstört gewesen nach der Trennung und habe «jahrelang geweint».
Kate Moss könnte der Glaubwürdigkeit von Amber Heard vor Gericht schaden: Johnny Depp wäre – zumindest in diesem Fall – nicht die gewalttätige Person, wie sie durch Heard beschrieben wird. Will Delgado, Anwalt in L.A., sagte als Experte gegenüber dem Online-Magazin «Destractify», Heards Ausrutscher vor Gericht könnte ihr gar den Fall gekostet haben.
Ab Mittwoch, 15.00 Uhr, werden weitere Zeugen im Prozess aussagen. Von Moss wird erwartet, dass sie per Video zugeschaltet wird. Wann genau sie aussagen soll, ist noch nicht bekannt. (lak)