International
Russland

Russland verliert offenbar viele seiner neuen Panzer – sagen Experten

Novodarivka Village Liberated - Ukraine A press officer who goes by callsign Damian stands on top of a destroyed Russian military vehicle in Novodarivka village, Zaporizhzhia Region, southeastern Ukra ...
Ein ukrainischer Soldat steht auf einem zerstörten russischen Panzer. Moskau soll vor allem neuere Modelle in grossem Ausmass verlieren, so ein Bericht.Bild: www.imago-images.de

«Produktionskrieg» – Dramatische Verluste bei neuen russischen Panzern

Russland Panzervorräte sollen drastisch schrumpfen. Vor allem an neueren Modellen soll es laut Analysten mangeln.
15.03.2024, 21:59
Thomas Wanhoff / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Satellitenaufnahmen von russischen Militäreinrichtungen sollen zeigen, dass Moskau langsam die Panzer ausgehen. Es blieben nur noch solche in den Lagern, die in schlechtem Zustand seien oder nicht einmal mehr als Ersatzteillager dienen könnten, berichtet das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW), das die Satellitenaufnahmen selbst nicht verifizieren konnte.

Dara Massicot, eine Forscherin der amerikanischen Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden, kommt in einer Analyse zu dem Schluss, dass die meisten Panzer bereits aus der strategischen Reserve entnommen wurden. Nach Massicots Einschätzung wird die Zahl der russischen Panzer in den nächsten Jahren dramatisch zurückgehen, sollte es weiterhin so viele Geräte im Krieg einsetzen.

ISW: Nicht ausreichend neue Panzer produziert

«Im Jahr 2023 hat Russland 1'200 Panzer und 2'500 gepanzerte Fahrzeuge, die zuvor langfristig eingelagert waren, wiederbelebt, während nur 200 neue oder modernisierte Panzer produziert wurden», schreibt Massicot in einem Artikel für das Magazin «Foreign Affairs». Zwischen 25 und 40 Prozent der strategischen Reserven mit neueren Fahrzeugen seien bereits für den Einsatz in der Ukraine entnommen worden.

Nach Beobachtungen des ISW hat die russische Armee in den vergangenen Jahren kaum neue Panzer in nennenswertem Umfang produzieren lassen. Man habe vorhandene Kampfgeräte modernisiert oder alte aus den Vorräten geholt. «Russland könnte in den nächsten Jahren mit Ausrüstungsengpässen konfrontiert sein, wenn die derzeitige Verlustrate in Russland gleich bleibt oder sich beschleunigt und das derzeitige Niveau der russischen Neufahrzeugproduktion beibehalten wird», heisst es in der Einschätzung des Instituts.

Russische Panzerfabrik (archivbild)

russian tanks
Eine Panzerfabrik in Russland (Archivbild): Nach Expertenmeinung kommt die Produktion den Verlusten nicht nach.Bild: imago images

Fast 3'000 russische Panzer zerstört

Nach Angaben der Webseite «Oryx», die russische Verluste basierend auf öffentlich zugänglichen Informationen zählt, hat Moskau seit Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine 2'827 Panzer verloren, davon seien 1'858 zerstört worden, der Rest entweder schwer beschädigt, verlassen oder der Ukraine in die Hände gefallen. Von den neuesten Modellen, den T-90, sind demnach bereits fast 140 zerstört worden. Von den T-80-Panzern, die weitgehend aus den 90er-Jahren stammen, sind Hunderte verloren worden.

Und selbst Russlands neuester Kampfpanzer Armata wird kaum die Situation verändern – er ist dem Hersteller zufolge zu teuer für einen Einsatz im Krieg gegen die Ukraine. «Von seiner Funktionalität her ist er den existierenden Panzern weit überlegen, aber er ist zu teuer und deswegen wird ihn die Armee jetzt wohl kaum einsetzen», sagte der Chef der staatlichen Rüstungsholding Rostec, Sergej Tschemesow, der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Aktueller Bestand an Panzern ist umstritten

Nach Angaben des Internationalen Instituts für Strategische Studien wird geschätzt, dass Russland allein im vergangenen Jahr mehr als 3'000 gepanzerte Kampffahrzeuge und seit Februar 2022 fast 8'800 verloren gegangen sind. In seinem Jahresbericht zählte das Institut 2'000 Panzer im Einsatz und 8'000 in den Lagern. Allerdings werden dabei offenbar nicht Modelle wie T-54 und T-55, die vor den 1960er-Jahren gebaut wurden, von denen es noch etliche geben soll.

Wie viele Panzer Russland tatsächlich noch übrig hat, ist unter Experten umstritten. Das Institut Action Résilience sammelte im vergangenen Jahr ebenfalls Satellitendaten und andere Beobachtungen von russischen Lagerhallen und zählte 5'538, die unter freiem Himmel standen, weitere knapp 2'000 werden in Hallen vermutet. Die Zahl dürfte aber mittlerweile geringer ausfallen. Der «Merkur» berichtete unter Berufung auf russische Quellen, dass Putins Armee derzeit etwa 2'400 Panzer besitze.

Russia Ukraine Military Operation Artillery Unit 8544288 27.10.2023 A Russian serviceman of the Central Military District handles ammunition of a BM-21 Grad multiple rocket launcher in the course of R ...
Ein russischer Soldat mit Munition für einen Raketenwerfer (Archivbild): Beim Nachschub für die Artillerie soll Russland die Nase vorn haben.Bild: www.imago-images.de

Bei der Munition liegt Russland klar vorne

Einen erheblichen Vorteil hat Russland aber bei der Munition. Die ist in der Ukraine knapp geworden, seit die USA ihre Lieferungen wegen des Haushaltsstreits eingestellt haben und die EU mit der Produktion nicht nachkommt. Russland hat hingegen nach einem Bericht des US-Senders CNN seine Produktion drastisch erhöht und soll mittlerweile dreimal so viele produzieren wie die USA und die europäischen Verbündeten. Es sei ein regelrechter «Produktionskrieg» im Gange, sagte ein Geheimdienstmitarbeiter gegenüber CNN.

Grundlage der Berechnung sollen geheime Nato-Informationen sein. Demnach könne Russland drei Millionen Stück Munition pro Jahr herstellen, Kiews Verbündete jedoch nur 1,2 Millionen. Die russischen Fabriken würden rund um die Uhr laufen, auch wenn Moskau damit noch immer nicht seinen Bedarf decken könne. Hilfe bekommt Putin auch aus Nordkorea, das Artilleriegeschosse schickt.

Der Munitionsmangel auf ukrainischer Seite bereitet den Soldaten an der Front zunehmend Schwierigkeiten, ihre Stellungen zu halten. Auch wenn Russland weniger Panzer zur Verfügung hat, kann es mit Raketen und Artillerie sowie einer grossen Zahl an Soldaten weiterhin die Ukraine wirkungsvoll angreifen. Hinzu kommen Drohnen aus eigener Produktion, die fast täglich im Osten der Ukraine militärische und zivile Ziele angreifen.

Verwendete Quellen:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
65 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Schlaf
15.03.2024 22:18registriert Oktober 2019
Wenn Europa nicht schleunigst aufrüstet und endlich aus seinem Dornröschenschlaf aufwacht, ja dann werden wir sehen, bis wohin Putlers feuchte Träume reichen werden.

Mir schwant böses..
12114
Melden
Zum Kommentar
avatar
cabli
15.03.2024 22:48registriert März 2018
Ein Panzer soll zu teuer sein um in den Krieg eingesetzt zu werden? Was habe ich da nicht verstanden wieso man Panzer baut?
866
Melden
Zum Kommentar
avatar
Haarspalter
16.03.2024 03:59registriert Oktober 2020
Russland hat sich schwer verspekuliert.

Putin investiert in seinen Krieg, wie ein Hobbybörsianer welcher mehr und mehr Geld in eine Firma mit sinkenden Aktienkursen investiert - bis die Firma Konkurs anmeldet.

Putin mag die manipulierte Präsidentschaftswahl gewinnen, aber er hat sein Gesicht und Glaubwürdigkeit längstens verloren, und fährt Russland wirtschaftlich und sozio-kulturell an die Wand.

Anstatt Russland in seiner jahrzehntelangen Herrschaft wirtschaftlich und technologisch zur Blüte gebracht zu haben, verjubelt er nun am Ende seiner Karriere alles.

Verblendeter Looser.
724
Melden
Zum Kommentar
65
Erster Asylbewerber nach Ruanda ausgeschafft – London bezahlte ihn dafür
Grossbritannien hat den ersten illegalen Migranten nach Ruanda ausgeschafft. Im afrikanischen Land hat er dafür eine Art Startgeld erhalten. Die Aktion wird von Gegner als Wahlpropaganda bezeichnet.

Bereits vor der Umsetzung des umstrittenen Plans für Massenabschiebungen nach Ruanda hat Grossbritannien einen abgelehnten Asylbewerber gegen die Zahlung von Tausenden Pfund zur freiwilligen Ausreise in das ostafrikanische Land bewegt. Wie die Zeitung «Sun» am Dienstagabend berichtete, reiste der aus einem ungenannten afrikanischen Staat stammende Mann am Montag per Linienflug nach Ruanda. Dort habe er rund 3000 Pfund (3500 Euro) als Startgeld aus der britischen Staatskasse erhalten. Dem Sender Sky News wurde der Bericht aus Regierungskreisen bestätigt.

Zur Story