Punaise de lit. Auf Deutsch: Bettwanze.
Selten hat ein kleines Insekt für mehr Aufregung gesorgt.
Im Herbst 2023 erreichte die Bettwanzen-Berichterstattung ihren vorläufigen Höhepunkt. Phasenweise musste man den Eindruck gewinnen, Frankreich sei verseucht und niemand mehr sicher vor den blutsaugenden Parasiten.
Dieser Beitrag geht der Frage nach, was Wladimir Putin und sein verbrecherischer Angriffskrieg gegen die Ukraine mit der «Bettwanzen-Panik» zu tun haben.
Der russische Staat unter Führung des langjährigen Geheimdienstlers Wladimir Putin nutzt jede Gelegenheit, um dem Westen zu schaden. Dies zeigt sich beispielhaft an der Bettwanzen-Panik im vergangenen Herbst.
Zunächst gilt es festzuhalten: Die Russen sind an vielem schuld, jedoch nicht am Aufkommen der Bettwanzen. Tatsächlich nehmen die Parasiten in Frankreich seit Jahrzehnten zu. Die Verantwortlichen haben es versäumt, das Problem mit wirksamen Massnahmen einzudämmen. Laut einer im Juli 2023 durchgeführten Umfrage war jeder zehnte französische Haushalt in den letzten fünf Jahren befallen.
Kleiner Trost: Die blutsaugenden Tierchen übertragen keine schweren Krankheiten. Doch das half nicht gegen die in der französischen Gesellschaft aufkommende Panik – ausgelöst durch authentische Social-Media-Postings.
Und damit schlug Putins Stunde.
Die Russen seien zwar nicht der Ursprung dieser (Bettwanzen-)«Psychose» gewesen, konstatierte der französische Privatsender BFM TV. Doch sie hätten die sich abzeichnende Empörungswelle perfekt geritten.
Bevor wir dazu kommen, wie die Russen die Bettwanzen-Panik mittels gezielter Desinformations-Kampagnen anheizten, müssen wir uns mit der Rolle beschäftigen, die seriöse Journalistinnen und Journalisten in dem Fall spielten.
Selbstkritisch ist einzuräumen, dass die Medien die durch die sozialen Netzwerke geisternde Bettwanzen-Problematik bereitwillig aufgriffen und die Aufregung verstärkten.
Ein solches mediales Klima war der ideale Nährboden für eine Spezies, die sich wie die Bettwanze am liebsten im Dunkeln aufhält: der gemeine russische Internet-Troll.
Die französischen Geheimdienste warnten denn auch im Oktober 2023, dass auf Facebook und anderen Social-Media-Plattformen gezielt die Angst geschürt werde. Und zwar mit der russischen Operation «Doppelgänger». Einer raffinierten Desinformations-Methode, die laut Fachleuten vom EU-DisinfoLab seit mindestens Mai 2022 läuft.
Putin war viele Jahre für den russischen Geheimdienst KGB tätig und kennt sich bestens aus mit Methoden der psychologischen Kriegsführung. Und auch wenn es der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und weitere hochrangige Politiker nicht öffentlich einräumen wollen: Russland führt längst Krieg gegen den Westen. Es ist ein hybrider Krieg.
Im Internet-Zeitalter betreibt und finanziert der Kreml eine mächtige Troll-Armee. Sie ist darauf trainiert, die grossen Plattformen mit russischer Propaganda und Fake-Postings zu fluten. Ziel: Verunsicherung stiften.
Reporter des deutschen watson-Medienpartners T-Online haben ab 2022 intensiv recherchiert zur Doppelgänger-Operation der Russen. Gemeint sind journalistische Fake-Beiträge, die von geklonten Medien-Webseiten stammen. Diese Webseiten sehen zumindest für Laien so aus, als handle es sich um Online-Auftritte bekannter Medienhäuser.
Die Fachleute warnen: Auf hunderten Pseudo-Nachrichtenportalen wird ungefilterte russische Kriegspropaganda veröffentlicht – auch auf Französisch, Deutsch oder Englisch. Und die Links zu Fake-Beiträgen finden über Telegram, Facebook, TikTok und Co. ein ahnungsloses Publikum.
Nebenbei gelingt es Russland mit der Doppelgänger-Methode auch, das Vertrauen in die echten journalistischen Medien und ihre Berichterstattung zu untergraben.
Bei der Desinformations-Kampagne zur Bettwanzen-Panik wurden die französischen Geheimdienste fündig, wie aus einem Medienbericht vom Oktober hervorgeht:
Laut T-Online-Recherchen arbeiten die Profi-Trolle im Team, um eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen: Ein Teil der Fake-Accounts veröffentliche auf eigenen Profil-Seiten die gefälschten Medien-Artikel sowie Videos und Fotos. Über andere Social-Media-Accounts würden dann die Links zu den Fake-Artikeln oder Beiträgen in die Kommentarbereiche bekannter und viel besuchter öffentlicher Seiten gepostet.
Kommt hinzu, dass der Facebook-Konzern Meta und andere werbefinanzierte Plattformen gut an der Arbeit der Russen-Trolle verdienen. Der Kreml gibt viel Geld für bezahlte Beiträge aus. Diese spült es in den Newsfeed der User.
Gemäss den T-Online-Recherchen werden zudem «offensichtlich gespielte Dialoge unterhalb von Beiträgen» eingesetzt, um die Social-Media-User in die Irre zu führen. Wenn jemand auf einen beworbenen Beitrag einer der Fake-Seiten gehe, finde er darunter bereits etliche gefälschte Kommentare. So werde etwa der falsche Eindruck vermittelt, dass viele Menschen die Sanktionen gegen Russland kritisch sähen.
Die russischen Fake-Beiträge werden von Putins Trollarmee aber auch ausserhalb der populären Social-Media-Plattformen verbreitet. Etwa im öffentlichen Kommentarbereich von Internetauftritten grosser Wirtschaftsunternehmen.
Bettwanzen kommen nachts hervor und verstecken sich tagsüber in Matratzen und an anderen dunklen Orten.
Auch Russen-Trolle scheuen das Licht. Gemeint sind nicht die westlichen Putin-Versteher und Demokratiefeinde, die freiwillig gegen die Ukraine und ihre Unterstützer hetzen. Gemeint sind vom Kreml bezahlte, professionelle Akteure, spezialisiert auf Online-Propaganda und Desinformation.
Das Internet-Kollektiv NAFO hat eine wirksame Waffe gefunden, um russische Trolle bei X (Twitter) und Co. zu bekämpfen: eine geballte Ladung schwarzer Humor, verabreicht in Form von bitterbösen Memes und frechen Sprüchen.
Bleibt die Frage, was der Staat tut.
In die Bettwanzen-Desinformation war gemäss den französischen Geheimdiensten auch der russische Staatspropaganda-Sender RT (ehemals Russia Today) involviert. Dessen Inhalte dürfen in der EU nicht mehr verbreitet werden, in der Schweiz lässt der Bundesrat dies hingegen weiterhin zu.
Ganz anders Frankreich. In unserem westlichen Nachbarland hat die Regierung Macron 2021 den Spezialdienst VIGINUM ins Leben gerufen. Dessen Aufgabe es ist, Desinformations-Kampagnen aufzudecken, die darauf abzielen, «die öffentliche Meinung in Frankreich zu destabilisieren und die öffentliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen».
Die Netzwerkspezialistinnen und -spezialisten hatten seither alle Hände voll zu tun. Sie wirkten auch bei der Bekämpfung der Doppelgänger-Operationen mit, die sich nach bisherigen Erkenntnissen gegen die Ukraine, mindestens fünf EU-Staaten, Grossbritannien und die USA richteten.
Das Motiv bleibt das gleiche: Russland versucht, ein falsches Bild von Chaos und politischem Versagen in Europa zu zeichnen, um die Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern. Dies hat in einem Wahljahr wie 2024 besondere Brisanz.
Fragt sich, wie lange wir nur zusehen wollen.
Und Europa, bzw. die NATO diskutiert. Und die Rechtsputinisten (SVP und Konsorten) sind ein Trojanisches Pferd, denn sie sind auf der Seite Russlands.