Die Getreideexporte aus der Ukraine über das Schwarze Meer sollen weiterlaufen, obwohl Russland das sichere Geleit für die Frachter aufgekündigt hat. Darauf haben sich die Delegationen der Vereinten Nationen, der Türkei und der Ukraine geeinigt, wie das Koordinierungszentrum in Istanbul in der Nacht zum Montag mitteilte. Die russische Delegation in dem Zentrum sei von dem Ergebnis informiert worden.
Am Montag sollen demnach zwölf Schiffe durch den festgelegten Seekorridor aus der Ukraine in Richtung Istanbul fahren, vier Schiffe fahren in Gegenrichtung. Unklar ist, wie Russland auf diesen fortgesetzten Schiffsverkehr reagieren wird.
Auch die bisher von allen vier Parteien gemeinsam in Istanbul durchgeführten Kontrollen der Frachter sollen weitergehen. Für Montag sollen die UN und die Türkei zehn Teams stellen, um 40 wartende Schiffe abzufertigen. Die Ukrainer seien einverstanden, die Russen seien in Kenntnis gesetzt worden, hiess es von den Vereinten Nationen.
«Die Ukraine wird von ihrer Seite alles tun, damit die Initiative zum Getreideexport weiter funktioniert», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache am Sonntag.
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Russland sprach am Sonntag von angeblichen Beweisen, dass die Ukraine den humanitären Seekorridor für den Drohnenangriff auf die Schwarzmeerflotte in Sewastopol am Vortag missbraucht habe. Über eine Rückkehr in die Getreidevereinbarung sei nicht zu reden, solange dies nicht vollständig aufgeklärt sei, sagte Vizeaussenminister Andrej Rudenko. Moskau will diesen Angriff am Montag, dem 250. Kriegstag, auch vor den UN-Sicherheitsrat in New York bringen.
Bei der Sitzung der vier Delegationen im Koordinationszentrum habe die russische Seite mitgeteilt, die Mitarbeit auf unbestimmte Zeit auszusetzen, hiess es in der UN-Mitteilung. Sie wolle aber den Dialog mit den UN und der Türkei über «drängende Fragen» fortsetzen. Die russischen Vertreter wollten sich am Rande auch beteiligen, wenn die Getreideinitiative insgesamt rasche Entscheidungen treffen müsse.
Die Initiative war im Juli unter Vermittlung der Türkei und der UN vereinbart worden und hatte die monatelange Blockade der ukrainischen Getreideausfuhren infolge des russischen Angriffskriegs beendet. Nach türkischen Angaben sind seither 9,3 Millionen Tonnen Getreide verschifft worden. Vereinbart ist, dass die Schiffe und ihre Fracht jeweils bei der Durchfahrt durch die türkische Meerenge Bosporus kontrolliert werden.
Ursprünglich galt das Abkommen bis 19. November. Es wäre aber, wenn keine Seite widersprochen hätte, automatisch verlängert worden. Moskau hatte das Abkommen zuletzt immer wieder kritisiert, weil es sich infolge der Sanktionen des Westens bei den eigenen Getreide- und Düngemittelexporten ausgebremst sieht.
Der Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der annektierten Halbinsel Krim wurde am Samstag von Flug- und Schwimmdrohnen angegriffen. Moskau spricht von einem Terrorakt und behauptet, dass die ferngesteuerten Kampfboote sich im Schutz des Seekorridors für die Getreideexporte bewegt hätten. Mindestens eine Drohne sei auf See von einem Getreideschiff aus gestartet worden. Beweise wurden in einer Mitteilung des russischen Verteidigungsministeriums vom Sonntag aber nicht angeführt.
So etwas könnten nur kranke Menschen behaupten, entgegnete der ukrainische Staatschef Selenskyj in seiner Videoansprache. «Aber diese kranken Menschen bringen die Welt erneut an den Rand einer schweren Nahrungsmittelkrise.» Für Russlands Kriegsführung gegen die Ukraine bedeutet die Attacke, dass die Schwarzmeerflotte als Herzstück der Militärmacht auf der Krim nicht sicher ist.
Selenskyj beriet am Sonntag erneut mit den Spitzen der Streitkräfte und der anderen Sicherheitsorgane über den Fortgang des Abwehrkampfes gegen Russland. Dabei sei es auch um die möglichen Pläne des Feindes für die kommende Zeit gegangen, sagte er, ohne Einzelheiten zu nennen. Allerdings sind auf solche Sitzungen des Oberkommandos schon mehrfach Offensiven der ukrainischen Streitkräfte gefolgt. «Wir arbeiten täglich, um die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit unseres Staates zu beschleunigen», sagte er.
Der seit mehr als acht Monaten dauernde russische Angriffskrieg auf die Ukraine prägt auch den Besuch von Bundesaussenministerin Annalena Baerbock in den zentralasiatischen Staaten Kasachstan und Usbekistan. Die Grünen-Politikerin führt am Montag zunächst Gespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana. Kasachstan ist ein grosser Energie- und Rohstofflieferant.
Russlands Krieg stelle alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion vor die Frage, ob auch ihre Staatlichkeit zur Disposition gestellt werden könnte, sagte Baerbock. Um die Chancen zur Zusammenarbeit zu nutzen, «müssen wir endlich damit vorankommen, Zentralasien besser mit Europa zu vernetzen». (sda/dpa)