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Empörung über Putins Getreide-Kehrtwende im Westen

FILE - The ship Navi-Star sits full of grain since Russia's invasion of Ukraine began five months ago as it waits to sail from the Odesa Sea Port, in Odesa, Ukraine, July 29, 2022. U.S. President ...
Die «Navi-Star» lag im Sommer wochenlang im Hafen von Odessa fest, ehe sie mit ihrer Getreidefracht ablegen konnte. Jetzt droht ukrainischen Getreideschiffen erneut die Blockade.Bild: keystone

Empörung über Putins Getreide-Kehrtwende: «Könnte 7 Millionen Menschen damit ernähren»

Nach dem ukrainischen See-Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte kappt Russland den Getreideexport. Westliche Länder reagieren empört, die Türkei will vermitteln.
31.10.2022, 02:22
Bojan Stula / ch media
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Rund 20 Tage vor Ablauf des Getreide-Exportabkommens zwischen Russland und der Ukraine hat Moskau seine Zustimmung «auf unbestimmte Zeit» ausgesetzt. Als Begründung gab der Kreml den ukrainischen See-Angriff auf den russischen Flottenstützpunkt in Sewastopol an.

Bei dieser durch ferngelenkte Sprengboote durchgeführten Mission sollen am frühen Samstag bis zu drei russische Kriegsschiffe beschädigt worden sein. Internationale Militäranalysten gingen von schweren Schäden auf der Fregatte Admiral Makarow aus, dem russischen Flaggschiff-Ersatz für die im Sommer versenkte «Moskwa».

Das russische Verteidigungsministerium berichtete dagegen, die Attacken seien weitgehend zurückgeschlagen worden, lediglich ein Minensuchboot habe leichtere Schäden davongetragen.

FILE - Russian Black Sea fleet ships are anchored in one of the bays of Sevastopol, Crimea, March 31, 2014. On Saturday, Oct. 29, 2022 at least two Russian ships suffered damage in a major port in Cri ...
Inzwischen kann die russische Schwarzmeerflotte nicht einmal mehr in ihrem Stützpunkt von Sewastopol vor Angriffen sicher sein (Archivbild).Bild: keystone

Die Ukraine bekannte sich wie schon bei dem Sabotageakt gegen die Kertsch-Brücke nicht als Urheberin. Aus ukrainischen Quellen kursierten hingegen Videos, die angeblich den Angriff aus der Perspektive der Sprengboote zeigten und am Wochenende in sozialen Netzwerken kursierten.

Welthunger erneut als russisches Kriegsmittel

Unabhängig von der militärischen Bedeutung hat der Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte erneut den weltweiten Getreidehandel zum Spielball von Kreml-Herrscher Wladimir Putin gemacht.

Die Ukraine wies die offiziellen russischen Sicherheitsbedenken wegen der Fortführung der Getreideexporte als lächerlich zurück. Der Seekorridor für die Getreideschiffe liege über 200 Kilometer von den Explosionen in Sewastopol entfernt, twitterte der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba:

«Russland blockiert 2 Millionen Tonnen Getreide auf 176 Schiffen, die bereits in See gestochen sind – das würde ausreichen, um mehr als 7 Millionen Menschen zu ernähren.»

In die gleiche Kerbe schlug Präsident Wolodimir Selenski in seiner gewohnten Videoansprache:

«Russland setzt alles daran, Millionen von Menschen in Afrika, dem Nahen Osten und Südostasien einer künstlich herbeigeführten Hungersnot auszusetzen oder zumindest einer einschneidenden Lebensmittelpreiskrise.»

Ebenso empört reagierten zahlreiche westliche Staaten. So kritisierte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell, die Unterbindung des Exportabkommens gefährde «die Hauptroute für die dringend benötigten Getreide- und Düngemittel», mit denen die durch den Ukraine-Krieg verursachte Welthungerkrise entschärft werden könne.

Türkei will Inspektionen am Bosporus weiterführen

US-Aussenminister Antony Blinken appellierte an beide Kriegsparteien, «diese essenzielle, lebensrettende Initiative funktionstüchtig» zu erhalten. Bereits zuvor am Samstag hatte US-Präsident Joe Biden das russische Vorgehen als «empörend» bezeichnet und betont, dass es zu mehr Hunger auf der Welt führen werde.

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock kritisierte Russlands Reaktion auf die Schiff-Angriffe ebenfalls:

Das türkische Aussenministerium vermeldete am Sonntagabend, es wolle auf beiden Seiten vermitteln, um die Fortführung der Getreideexporte zu ermöglichen. Geplant sei, die Inspektionen der vor Istanbul wartenden Getreideschiffe am Montag oder Dienstag fortzusetzen.

Dank des im Sommer unter Vermittlung der Türkei und der UNO geschlossenen Getreideabkommens konnte die monatelange russische Blockade der ukrainischen Getreideausfuhrhäfen beendet werden. Laut türkischen Angaben wurden seither 9.3 Millionen Tonnen Getreide verschifft. Die Schiffe werden bei der Durchfahrt durch die Meerenge am Bosporus jeweils kontrolliert. (aargauerzeitung.ch)

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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rodolofo
31.10.2022 06:00registriert Februar 2016
Die russische Blockade des ukrainischen Getreide-Exports ist Teil einer "hybriden Kriegsführung".
Damit sollen noch mehr Flüchtlinge weltweit produziert werden, als mit den direkten Angriffen und Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerungen der Länder, die jeweils im Visier der russischen Militärs und Paramilitärs sind, wie aktuell die Ukraine.
Wohin werden sich alle diese Flüchtlinge zu retten versuchen?
Etwa nach Russland, oder nach China?
Sie werden alle in den "bösen Westen" drängen, nach Europa, oder in die USA. NIEMAND will nach Russland...
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KoSo
31.10.2022 07:25registriert Mai 2017
wenn die Russen die Sicherheit nicht mehr garantieren, warum kann die Weltgemeinschaft da nicht mithelfen?

das geht ja aus der Ukraine in internationales Gewässer bzw. kaum auf russisches Gebiet.
den Russrn geht s ha eh nicht um Sicherheit, sie wollen ja nur kontrollieren, das die Ukraine über den Seeweg keine Lieferungen jeglicher Art empfangen kann.
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