Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Erwartungen an die laufende Kiewer Offensive gedämpft. «Wir müssen ganz klar – so klar wie möglich – begreifen, dass die russischen Streitkräfte in unseren südlichen und östlichen Gebieten alles ihnen Mögliche tun werden, um unsere Soldaten aufzuhalten», sagte Selenskyj am Freitag in seiner abendlichen Videoansprache. Daher müsse man für jeden Kilometer, den die eigenen Truppen vorwärtskämen und für jeden Erfolg im Kampf dankbar sein, sagte er. Die Aussage ist ein Indiz für die Schwierigkeiten, mit denen das ukrainische Militär bei seiner Offensive konfrontiert ist.
Nach dem Nato-Gipfel in Vilnius, von dem Selenskyj statt mit einer Einladung zum Nato-Beitritt mit Versprechungen der G7 über eine Sicherheitspartnerschaft zurückkehrte, galt die Aufmerksamkeit des Staatschefs nun wieder mehr den aktuellen Ereignissen an der Front. Bei einer Sitzung mit der Militärführung seien die Kampfhandlungen, die Versorgung der Truppen und die Abstimmung mit den Partnern bei den Waffen- und Munitionslieferungen abgesprochen worden, teilte der 45-Jährige mit. Daneben kündigte er auch noch eine anstehende Reform der Militärausbildung an.
Anfang Juni hatten die ukrainischen Truppen im Süden mit ihrer Offensive zur Rückeroberung von Gebieten begonnen, die Russland zu Beginn seines mehr als 16 Monate dauernden Angriffskriegs besetzt hatte. Bislang sind die Geländegewinne der Ukrainer gering. Beide Seiten berichten von schweren Kämpfen.
Die Ukraine beklagte eine ungenügende internationale Finanzierung der für dieses Jahr geplanten Projekte für den «schnellen Wiederaufbau». Von erwarteten umgerechnet rund 12.5 Milliarden Euro seien erst knapp 3.5 Milliarden Euro bereitgestellt worden, sagte Finanzminister Serhij Martschenko laut einer Mitteilung vom Freitag. Priorität habe der «schnelle Wiederaufbau», da er sichere Lebensumstände für die Ukrainer und eine wirtschaftliche Erholung sicherstelle. Zu den Hauptbereichen gehören wichtige Infrastruktur und der Energiesektor, die Reparatur von Häusern und die Minenräumung.
Der bisher unter Hausarrest stehende Abt des weltberühmten Kiewer Höhlenklosters, Pawlo, wurde von einem Gericht der ukrainischen Hauptstadt nun in Untersuchungshaft genommen. Dem Metropoliten der ukrainisch-orthodoxen Kirche werde die Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs und nationale Hetze vorgeworfen, berichtete der nationale Rundfunk Suspilne Media am Freitag. Die U-Haft gilt bis zum 14. September.
Seit Monaten schon gehen die ukrainischen Behörden gegen die Mönche der ukrainisch-orthodoxen Kirche vor. Selenskyj sieht die Kirche von moskautreuen Spionen durchsetzt. Tatsächlich war die ukrainisch-orthodoxe Kirche bis zum Kriegsbeginn eng mit dem Moskauer Patriarchat verbandelt. Erst danach hat sie sich von Moskau losgesagt. Trotzdem gilt sie in Kiew als politisch unzuverlässig. Die politische Führung will daher das Kiewer Höhlenkloster an die noch junge Orthodoxe Kirche der Ukraine übergeben.
Estland hat einen russischen Staatsbürger mit mutmasslichen Verbindungen zu Russlands Geheimdienst FSB an die USA ausgeliefert. Er soll bei der Umgehung von Sanktionen geholfen haben. Am Freitag sollte die Anklage gegen Wadim K. verlesen werden, wie die US-Justiz mitteilte. Der Angeklagte werde verdächtigt, dem Inlandsgeheimdienst FSB geholfen zu haben, sowohl militärische als auch zivil nutzbare Technologien und grosse Mengen an Munition von US-Firmen nach Russland zu schmuggeln, um die «russische Kriegsmaschinerie» zu unterstützen. Damit habe er gegen US-Ausfuhrkontrollen und Wirtschaftssanktionen verstossen. Im Fall einer Verurteilung drohen K. bis zu 30 Jahre Haft.
Um seine kriminellen Aktivitäten zu verschleiern, habe der 48-Jährige Tarnfirmen genutzt, hiess es in der Mitteilung. Estland soll als Umschlagplatz gedient haben, um die aus den USA stammenden Güter nach Russland zu schmuggeln. Estnische Behörden nahmen K. auf Ersuchen der USA den Angaben nach am 27. Oktober 2022 fest, als er versuchte, etwa 35 verschiedene Arten von Halbleitern und elektronischen Bauteilen, von denen mehrere aus den USA stammten und der Ausfuhrkontrolle unterlagen, über nach Russland zu bringen. Am Donnerstag wurde er an die USA ausgeliefert.
Söldner der russischen Privatarmee Wagner sind nach wochenlangen Spekulationen um ihren Verbleib nach Angaben aus Minsk nun in Belarus angekommen. Die Männer hätten als Ausbilder für eine Reihe militärischer Disziplinen nun die Arbeit aufgenommen, teilte das belarussische Verteidigungsministerium am Freitag mit. Das Lager befindet sich demnach in Ossipowitschi rund 100 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Minsk. Eine Moderatorin in einem Video des Ministeriums sagte, dass die Wagner-Söldner den belarussischen Streitkräften ihre Kampferfahrung vermittelten. Soldaten in dem Land, das unter Machthaber Alexander Lukaschenko ein enger Verbündeter Russlands ist und seine Gebiete auch für Angriffe auf die Ukraine hergibt, äusserten sich in dem Clip dankbar für die Unterweisungen.
Mit der eingetroffenen Streumunition hofft die Ukraine ihre Grossoffensive zur Rückeroberung eigener Gebiete im Osten und im Süden forcieren zu können. Russlands Truppen leisten weiter Widerstand entlang der befestigten Verteidigungslinien an der Front. (saw/sda/dpa)