Zehntausende haben in Katalonien anlässlich des Nationalfeiertags «Diada» die Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens gefordert. Nach einem Sternmarsch versammelten sich Demonstranten am Montagabend auf der Plaça d’Espanya im Zentrum Barcelonas, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Sie skandierten Slogans wie «Unabhängigkeit, Freiheit». Der katalanische Regionalregierungschef Pere Aragonès sagte kurz vor der Kundgebung, man dürfe die Chance, die sich aufgrund der plötzlichen Bedeutung der katalanischen Parteien für die Bildung einer neuen spanischen Regierung ergebe, nicht verpassen.
Die Organisatoren der Demonstration, die Bürgerbewegung ANC, sprachen am Abend von rund 800 000 Teilnehmern. Die Polizei hatte am frühen Abend von rund 115 000 Demonstranten gesprochen. Zunächst liess sich nicht klären, wieso die Schätzungen so unterschiedlich ausfielen.
Die «Diada», bei der immer am 11. September an den Verlust der Selbstverwaltung 1714 erinnert wird, gilt jedes Jahr als Gradmesser für die Stärke der Unabhängigkeitsbewegung. Dieses Jahr wurde die Demonstration in ganz Spanien mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, denn die separatistischen Parteien Kataloniens spielen sechs Jahre nach der Niederschlagung des Abspaltungsversuchs vom Herbst 2017 plötzlich eine Hauptrolle als Königsmacher in der spanischen Politik. Die beiden katalanischen Separatistenparteien im Madrider Parlament werden in den nächsten Wochen darüber entscheiden, ob der geschäftsführende Regierungschef Pedro Sánchez weiterregieren kann oder es eine Neuwahl geben muss.
Denn ohne die Stimmen der Katalanen hätten die Sozialisten (PSOE) von Sánchez keine Mehrheit. Zunächst aber hat Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo von der konservativen Volkspartei (PP), der bei der Wahl am 23. Juli die meisten Stimmen bekommen hatte, noch bis zum 27. September Zeit, ein Regierungsbündnis zu schmieden. Allerdings werden ihm nur geringe Chancen eingeräumt. Dann müsste Sánchez mit der linksnationalistischen ERC von Aragonès und vor allem mit der Partei Junts des in Belgien lebenden Separatistenführers Carles Puigdemont verhandeln. Die weniger kompromissbereite Junts fordert bisher unter anderem ein in Spanien als inakzeptabel geltendes Unabhängigkeitsreferendum. (sda/dpa)