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Syrien

Baschar al-Assad: Von Reformer zum blutigen Diktator

FILE - Syrian President Bashar Assad, right, shakes hands with Pope John Paul II before the Pontiff boards a plane after a four-day visit to Syria in Damascus, May 8, 2001. (AP Photo/Enric Marti, File ...
Amtsantritt mit vielen Vorschusslorbeeren: Baschar al-Assad (rechts) konnte im Mai 2001 sogar den damaligen Papst Johannes Paul II. in Damaskus empfangen.Bild: keystone

So entwickelte sich Baschar al-Assad vom Reformer zum blutigen Diktator

Beinahe ein halbes Jahrhundert lang herrschte der alawitische Assad-Clan über Syrien. Nach dem Tod seines Vaters Hafez im Jahr 2000 galt sein Sohn Baschar zunächst als Hoffnungsträger.
08.12.2024, 10:2008.12.2024, 10:22
Thomas Seibert, Istanbul / ch media
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Mehr als 24 Jahre lang war Baschar al-Assad in Syrien allgegenwärtig – doch am Sonntagmorgen war er plötzlich verschwunden. Der 59-jährige verliess Damaskus, als Rebellenverbände vor den Toren der Hauptstadt standen und sein Regime kollabierte.

Wohin Assad floh, blieb zunächst unklar. Nach Medienberichten wollte er sich per Flugzeug nach Moskau absetzen. Mit seiner Flucht aus der Hauptstadt endete die mehr als 50-jährige Herrschaft der Assad-Familie über Syrien und eine der brutalsten Diktaturen des Nahen Ostens.

Dabei galt Assad als Reformer, als er im Jahr 2000 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters Hafez antrat; der ältere Assad hatte Syrien seit 1970 mit harter Hand regiert. Baschar, der in London zum Augenarzt ausgebildet worden war, erhielt beim Amtsantritt viele Vorschusslorbeeren, nicht zuletzt, weil er so jung war.

Bei der Präsidentenwahl am 10. Juli 2000 trat er als einziger Kandidat an und erhielt 97 Prozent der Stimmen. Bald darauf liess er die ersten Aktivisten festnehmen, die für mehr Demokratie eintraten: Der angebliche Reformer entpuppte sich als eisenharter Gewaltherrscher. Sein vom Vater ererbter Machttrieb, seine eigene Rücksichtslosigkeit und die seines Umfelds waren offensichtlich viel stärker als irgendwelche demokratischen Impulse, die er durch seine Studienjahre im Westen hätte aufnehmen können.

Der Sturz der syrischen Regierung:

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Sturz der syrischen Regierung
Syrer feiern auf dem Umayyad-Platz in Aleppo, Syrien.
quelle: keystone / omar sanadiki
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Elf Jahre später schwappte die Welle der Aufstände im Arabischen Frühling auf Syrien über, und Assad reagierte mit einem brutalen Militäreinsatz. Damit begann ein Krieg, der hunderttausende Menschen getötet und zwölf Millionen weitere zu Flüchtlingen innerhalb und ausserhalb des Landes gemacht hat. Assad wurde international zum Paria.

Die Intervention Russlands wendete das Blatt

In den ersten Kriegsjahren geriet Assad in die Defensive gegen die Rebellen, die von ausländischen Akteuren wie der Türkei und arabischen Staaten unterstützt wurden. Das Blatt wendete sich 2015, als Russland auf Assads Seite in den Krieg eingriff. Auch iranische Einheiten und pro-iranische Milizen wie die Hisbollah aus dem Libanon halfen ihm; seit 2020 herrschte er wieder über zwei Drittel des syrischen Staatsgebietes.

FILE - Syrian President Bashar Assad, left, and Russian President Vladimir Putin shake hands during their meeting in Moscow, July 24, 2024. (Valery Sharifulin, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP, File ...
Sein engster Verbündeter, Kreml-Herrscher Wladimir Putin, konnte ihn diesmal nicht mehr retten: Die Herrschaft von Baschar al-Assad (links) ist seit Sonntagmorgen Geschichte.Bild: keystone

Assad liess von Armee und Geheimdiensten jeden Widerstand mit Folter und Hinrichtungen im Keim erstickten. Seine Regierung blockierte Fortschritte bei Gesprächen mit der Opposition, in denen unter Leitung der UNO über eine neue Verfassung für Syrien verhandelt werden sollte.

Im Mai 2021 liess er sich bei einer international nicht anerkannten Wahl für weitere sieben Jahre im Amt bestätigen. Mit dem Export der Aufputschdroge Captagon in andere arabische Länder verdiente das Regime Milliarden.

Weil Assad so sicher im Sattel sass, bemühten sich arabische Staaten und auch einige EU-Länder in den vergangenen Jahren um eine Wiederannäherung an den Diktator. Im Herbst 2020 schickte Oman als erster Golfstaat seit 2012 einen Botschafter nach Syrien. Im Mai vergangenen Jahres reiste Assad zum Gipfeltreffen der Arabischen Liga nach Saudi-Arabien: Er war wieder hoffähig. Weniger als einen Monat vor seinem Sturz nahm er an einem weiteren Gipfel in Riad teil.

Zum Verhängnis wurde Assad erst die Schwächung seiner Verbündeten. Russland war mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt, der Iran und die Hisbollah musste im Dauerkonflikt mit Israel schwere Niederlagen einstecken. Als die Rebellen vor zehn Tagen zum Angriff ansetzten, zeigte sich, dass Assads Regime allein war und keine Kraft hatte, sich der Offensive entgegenzustellen. Am Ende blieb Assad nur die Flucht. (bzbasel.ch)

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PlusUltra
08.12.2024 09:53registriert Juni 2019
"... und die seines Umfelds waren offensichtlich viel stärker als irgendwelche demokratischen Impulse, die er durch seine Studienjahre im Westen hätte aufnehmen können."

Was halt eben zeigt, wie schwierig es ist, 20- oder 30-Jährige wirklich zu integrieren. Die Gedanken, der Geist wurden schon lange geprägt und geformt. Das ändert sich nicht mehr so leicht, auch wenn man in der fortschrittlichen CH lebt. Und ist auch ein Grund, weshalb hier Aufgewachsene trotzdem oft "hinterwäldlerisch" denken. Fast nur von seiner eigenen Kultur umgeben durch die Familie, trägt man deren Gedanken weiter.
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Yoldi
08.12.2024 10:57registriert Juni 2021
Hätten die Terrorstaaten Russland und Iran Assad nicht geschützt, wäre der Bürgerkrieg schon vor Jahren vorbei gewesen.

Diktatoren ohne Volk sind nie stabil, dass unterschätzt Putin immer wieder, wenn es vermeintlich Stabilität durch den Schutz von Diktatoren erschaffen will.

Jetzt verliert Russland seinen Zugang zum Mittelmeer. Hoffen wir es.
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wasihrnichtsagt
08.12.2024 10:00registriert April 2018
Ein Reformer ist auch ein verbissener Idealist, verliert dieser die Basis nicht aber sein Wille und Macht, so wird er weiter machen. Und wenn er dann alleine den Ton angibt, schwups haben wir den nächsten Diktator.
Die wohlgemeinte Diktatur wird es nie geben. Der einzige Hebel ist jener der Macht. Wenn auch anfäglich gut gemeint, darf nie zugelassen werden, das eine einzelne Person zu mächtig wird.
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