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Drohnenterror in der Ukraine: Das riskante Spiel des Iran

Drohnenterror in der Ukraine: Das riskante Spiel des Iran

Erst Kamikazedrohnen, bald Mittelstreckenraketen: Russland setzt immer mehr auf iranische Terrorwaffen. Politisch könnte sich das rächen für Teheran.
18.10.2022, 09:5918.10.2022, 12:16
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Angebliche Kamikazedrohne im Einsatz:

Video: twitter/@EmineDzheppar
Ein Artikel von
t-online

Die russischen Terrorangriffe gegen Zivilisten in der Ukraine reissen nicht ab. Allein am Montag starben in Kiew und anderen Orten mindestens sechs Menschen durch Angriffe mit Kamikazedrohnen, die Russland nachweislich bei seinem Verbündeten Iran beschafft. Die Zahl der Verletzten war am Montagnachmittag noch nicht klar. Jetzt schickt das Regime in Teheran offenbar noch verheerende Waffen ins Kriegsgebiet nach Europa.

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Eine Shahed-Drohne fliegt am Montag über Kiew.Bild: keystone

Wie die «Washington Post» unter Berufung auf hohe US-Beamte berichtet, bereitet Teheran gerade die nächste Waffenlieferung für Moskau vor. Diese soll nicht nur Dutzende weiterer Kamikazedrohnen vom Typ Shahed-136 umfassen, die schon seit Wochen auf Ziele in der Ukraine einschlagen, sondern auch ballistische Mittelstreckenraketen der Typen Fateh-110 und Zolfaghar. Der Zeitung zufolge hat Russland seine eigenen Bestände solcher Raketen inzwischen weitgehend verschossen. Mehr als 80 Raketen schoss Russland allein am vorangegangenen Wochenende auf die Ukraine ab.

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«Tausende ballistischer Raketen und Marschflugkörper»

Dem Fachportal «Missile Threat» zufolge verfügt der Iran über die «meisten und die unterschiedlichsten Mittelstreckenraketen» im Nahen Osten. Das iranische Arsenal umfasst demnach «Tausende ballistischer Raketen und Marschflugkörper», die Ziele zwischen 300 und 2000 Kilometer Entfernung treffen können.

Die Fateh-110 hat laut «Missile Threat» eine Reichweite von 300 Kilometern, die Zolfaghar sogar von 700 Kilometern. Russland dürfte aber vor allem an der grösseren Traglast der Raketen von jeweils 500 Kilo interessiert sein. Eine Shahed-136 kann dagegen maximal 40 Kilo Sprengstoff in ein Ziel steuern, das aber nach ukrainischen Angaben auf 1'000 Kilometer Entfernung.

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Eine Zolfaghar-Rakete (oben rechts) bei einer Präsentation in Teheran im Januar 2022.Bild: keystone

Ukraine fordert Sanktionen gegen Iran

Nach Informationen des ukrainischen Geheimdienstes hat Russland bislang 2400 Kamikazedrohnen vom Iran bezogen. Ein Teil der Drohnen wurde nun offenbar auch von Belarus aus abgefeuert. Um den Verteidigern das Abfangen zu erschweren, werden die Drohnen häufig im Schwarm eingesetzt. Doch das gelingt der ukrainischen Flugabwehr offenbar immer besser: Von 43 anfliegenden Shahed-136 habe die Armee seit Sonntagabend 37 abgeschossen, hiess es. Zugleich forderte die ukrainische Regierung nach den Attacken weitere Unterstützung vom Westen und Sanktionen gegen Iran.

«Ich bin wahrscheinlich der erste Aussenminister, der sich aus einem Luftschutzkeller an den EU-Aussenrat wendet», schrieb der ukrainische Amtsträger Dmytro Kuleba auf Twitter. «Ich habe die EU aufgerufen, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, weil dieser Russland mit Drohnen beliefert», schrieb er weiter. Die Ukraine hat ihre diplomatischen Beziehungen zu Iran wegen der Drohnen für Russland bereits stark zurückgefahren.

Israel: Stärkere Unterstützung für Ukraine?

Politisch könnten sich die iranischen Waffenlieferungen an Russland tatsächlich noch als Bumerang erweisen, und zwar für beide Seiten. Nach dem Bericht der «Washington Post» über die jüngste Raketenlieferung forderte der israelische Minister Nachman Shai ein stärkeres Engagement seines Landes für die Ukraine. «Es kann keinen Zweifel mehr, auf wessen Seite Israel in diesem blutigen Konflikt stehen sollte», schrieb Shai auf Twitter. «Es wird Zeit, dass wir der Ukraine Waffen liefern, so wie es die USA und andere Nato-Länder schon tun».

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Nachman Shai forderte ein stärkeres Engagement seines Landes für die Ukraine.Bild: keystone

Bislang unterstützt Israel die Ukraine mit Helmen, Schutzwesten, medizinischer Ausrüstung und Geheimdienstinformationen, schreckt wegen der russischen Präsenz in Syrien aber vor Waffenlieferung an die Ukraine zurück.

Russlands Ex-Präsident, der Putin-Vertraute Dmitri Medwedew, reagierte am Montag mit einer unmissverständlichen Drohung auf die Äusserungen von Minister Shai. «Israel scheint zu planen, Waffen an das Kiewer Regime zu liefern», schrieb Medwedew auf Telegram. «Ein sehr leichtsinniger Schritt, der alle zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern zerstören wird.»

Unabhängig von den Waffenlieferungen an Russland verhängte die EU am Montag Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei und weitere Verantwortliche des Landes. Auf der Sanktionsliste stehen elf Verantwortliche sowie vier Organisationen. Sie werden für etliche Todesfälle und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit im Iran verantwortlich gemacht. (t-online/mk)

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174 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Minotauro
18.10.2022 10:14registriert August 2022
Langsam scheint die Lieferung der 300 Km Raketen für die HIMAR notwendig. Wenn Russland seine Waffen ins Hinterland verlegt ist der Angriff auf militärische Ziele auf russischem Territorium berechtigt.

Die Ukraine hat bewiesen, dass sie mit den bisherigen Waffen sorgfältig umging. Angriffe auf zivile Einrichtungen sind aus politischen und strategischen Gründen nicht zu befürchten.

Der einzige Grund gegen die Lieferung ist die ungewisse nächste Eskalationsstufe für Racheaktionen des Spinners aus dem Kreml.
1918
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Mupfele
18.10.2022 10:19registriert August 2020
Israel kennt doch sicher die Lage der Produktionsstätten dieser Drohnen im Iran. Da ein Doppelbumms und weg wären sie.
17110
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kleine_lesebrille
18.10.2022 11:47registriert Mai 2022
Da der Unrechtsstaat Iran nun ebenfalls Kriegspartei ist, wird dies die Situation zusätzlich verkomplizieren. Inkl. Auswirkungen im Nahen Osten.

Denn dass in Europa unschuldige Zivilisten aufgrund von iranischen Drohnen sterben, wird für Teheran ernste Konsequenzen haben.
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