International
Italien

Untergang der Bayesian vor Sizilien wirft nach Bergung weiter Fragen auf

The hull of the superyacht Bayesian, which sank near Palermo, Sicily, on Aug,. 19, 2024, is pulled out of the sea off the village of Porticello and dewatered, Saturday, June 21, 2025. (AP Photo/Salvat ...
Sie galt als unsinkbar: Die «Bayesian» wurde am Wochenende aus einer Tiefe von 50 Metern geborgen.Bild: keystone

Nach Schiffsunglück mit 7 Toten vor Sizilien: Untergang der «Bayesian» bleibt rätselhaft

Zehn Monate nach ihrem Untergang ist die Luxus-Segeljacht vor der Küste Siziliens aus rund 50 Metern Tiefe geborgen worden. Beim Unglück waren der britische Tech-Tycoon und Milliardär Mike Lynch sowie weitere sechs Personen ums Leben gekommen.
22.06.2025, 17:2622.06.2025, 19:06
Dominik Straub / ch media
Mehr «International»

Von der einstigen Traumjacht ist die schiere Grösse, nicht aber ihr Glanz übrig geblieben: Als die 56 Meter lange und 11 Meter breite «Bayesian» am frühen Samstagmorgen von zwei grossen Kränen auf schwimmenden Plattformen aus dem tiefblauen Meer vor der sizilianischen Nordküste gehoben wurde, präsentierte sich ihr einst königsblauer Stahlrumpf verblichen und verdreckt; die edlen Hölzer des Decks waren grau geworden. Vom 72 Meter hohen Mast war nur noch ein Stumpf zu sehen: Der Stolz der «Bayesian» – es soll sich um den höchsten Mast der Welt gehandelt haben – war schon einige Tage vor der Bergung abgesägt worden und soll bis spätestens Montag ebenfalls geborgen werden. Die Bergung hat laut italienischen Medien 25 Millionen Euro gekostet.

Zehn Monate war das Segelschiff am Meeresgrund gelegen; am Sonntag sollte die «Bayesian» zu ihrer definitiv letzten Fahrt aufbrechen: Das Wrack wird in den nahegelegenen Hafen von Termini Imerese geschleppt, wo die 18'000 Liter Treibstoff, die sich immer noch in ihren Tanks befinden, abgepumpt werden und wo sie anschliessend von Nautik- und Unfallexperten Zentimeter für Zentimeter untersucht wird.

Zu diesem Zweck wird sie auf ein Stahlgerüst gehievt, das in Termini Imerese bereits bereitsteht. Zunächst muss das Wrack aber dekontaminiert werden, hiess es am Sonntag von Seite der Behörden. Dies werde etwa zwei Wochen in Anspruch nehmen. Von der Arbeit der Experten erhoffen sich die italienischen Ermittler Aufschlüsse über den Unfallhergang.

Die «Bayesian» war in der Nacht auf den 19. August 2024 etwa 700 Meter vor dem sizilianischen Küstenort Porticello bei Palermo vor Anker liegend von einem äusserst heftigen Sturm erfasst worden; innerhalb von 16 Minuten versank sie mit dem Bug voran senkrecht im Mittelmeer. An Bord befanden sich 22 Personen – 12 Passagiere und 10 Crew-Mitglieder -, darunter der 59-jährige britische Tech-Milliardär Mike Lynch, seine 18-jährige Tochter Hannah und seine Ehefrau Angela Bacares, die als Besitzerin der Segeljacht eingetragen war.

Lynch, seine Tochter und fünf weitere Personen konnten sich in der Unglücksnacht nicht mehr aus ihren Kabinen retten und ertranken; die übrigen Passagiere und Crew-Mitglieder wurden von einer anderen Jacht, die sich in der Nähe befand und vom Sturm unbeschädigt blieb, aus dem Meer gezogen und an Bord genommen.

Rumpf ist intakt: Wurden die Luken zu spät geschlossen?

Nach der Bergung der «Bayesian» und einem ersten Augenschein sind die Ursachen des Schiffbruchs eher noch rätselhafter als zuvor. Denn der Rumpf des Schiffs, das wie einst die «Titanic» als «unsinkbar» galt, scheint völlig intakt: Keine Risse, schon gar kein Loch. Auch sämtliche Türen und Luken waren geschlossen.

Wenn also schon vor dem Untergang Wasser in den Rumpf und in den Maschinenraum eingedrungen wäre, dann wären eventuell offen stehende Luken wohl erst auf dem Höhepunkt des Sturms und kurz vor dem Untergang geschlossen worden – automatisch oder von Hand, aber jedenfalls zu spät. Das würde auf einen Fehler der Crew hindeuten. Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den neuseeländischen Kapitän und zwei weitere Besatzungsmitglieder wegen fahrlässiger Tötung infolge schwerer Versäumnisse.

«Die ‹Bayesian› ist jedenfalls nicht von einem Torpedo versenkt worden», erklärte ein Besatzungsmitglied des italienischen Küstenwacheschiffs Dicotti, auf welchem Medienvertreter am Wochenende die Bergung aus nächster Nähe mitverfolgen konnten. Er spielte damit auf die diversen Verschwörungstheorien an, die nach dem Untergang der «Bayesian» entstanden waren.

Der Umstand, dass der Tech-Tycoon Michael Lynch seine Software möglicherweise auch an den israelischen Geheimdienst Mossad und an den britischen Secret Service MI5 geliefert hatte, beflügelte die Fantasie nicht weniger Journalisten, vor allem in England. Diesen Theorien zufolge könnte sich an Bord der «Bayesian» auch ein Tresor mit geheimen Datenträgern befunden haben, auf die es internationale Agenten abgesehen haben könnten.

Sabotage eher nicht

Sabotage scheint nun aber angesichts des intakten Rumpfes als Ursache des Untergangs eher ausser Betracht zu fallen. Es verbleiben als mögliche Auslöser die von der Staatsanwaltschaft und vom italienischen Hersteller der Jacht vermuteten Pflichtverletzungen der Crew – oder ein Konstruktionsfehler der Mega-Jacht.

Experten der britischen Untersuchungsbehörde für Seeunglücke (Marine Accident Investigation Branch) vermuten, dass die Bayesian für extreme Windverhältnisse eben doch nicht gerüstet gewesen sei und dass eine seltene, besonders tückische Windhose am Unglück schuld gewesen sei: Ein heftiger Fallwind – ein unter Seeleuten gefürchteter sogenannter Downburst - könnte das Schiff erfasst und unter Wasser gedrückt haben.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Experten in Termini Imerese das Geheimnis um das Sinken der unsinkbaren «Bayesian» werden lüften können. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Jacht mit einer Tonne Drogen läuft vor Australien auf Grund
1 / 7
Jacht mit einer Tonne Drogen läuft vor Australien auf Grund
Viel Stoff zogen die australischen Behörden aus dem Wasser.
quelle: epa / queensland police handout
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Speedboot überschlägt sich bei Rekordversuch
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
2
    Sternstunde von Salzburg: Wenn ein Milliardär einen Privattunnel graben will
    Um im Winter gefahrenfrei zu seinem Schlössl zu kommen, will Wolfgang Porsche einen Privattunnel durch den Kapuzinerberg bauen. Das Projekt stösst nicht auf viel Gegenliebe.

    Im Kern ist es die Geschichte eines Tunnels, den sich ein sehr reicher Mann ganz für sich allein bauen lassen will. Die Frage danach, was sich ein Milliardär für Privilegien leisten kann. Die Frage nach Grenzen, nach Gemeinsinn und Gerechtigkeit. Es ist aber auch die Geschichte eines Schlosses, das im Abstand von 86 Jahren zwei sehr unterschiedliche Besitzer kannte. Und dazwischen? Dazwischen hat der Nationalsozialismus den Untergang des einen vorangetrieben und den Aufstieg des anderen ermöglicht.

    Zur Story