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Militärgeheimdienst warnt: Russlands Krieg ist noch lange nicht am Ende

Militärgeheimdienst warnt: Russlands Krieg ist noch lange nicht am Ende

Wie lange kann Russland den Krieg gegen die Ukraine noch führen? Estlands Militärgeheimdienst fürchtet: noch mindestens ein Jahr.
15.12.2022, 07:3315.12.2022, 07:53
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t-online

Die Verluste sind gewaltig: Allein 1400 Panzer soll Russland seit dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar verloren haben. Das hat der estnische Militärgeheimdienst gerade bekannt gegeben. Dennoch warnt er davor, die russische Armee zu unterschätzen: «So traurig es auch ist, es scheint kein schnelles Ende dieses Krieges zu geben», zitierte der Sender EER den Geheimdienstchef Margo Grosberg.

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Kremlchef Putin (r.) stösst mit russischen Militärs an: «Diese sehr, sehr grosse Zahl ist nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine, sondern für alle Nachbarländer Russlands.»Bild: keystone

Bei einem Medienbriefing am Freitag nannte Grosberg weitere Zahlen zu den Waffenbeständen des Kreml: Demnach verfügt Russland noch immer über etwa 9000 Panzer auf Reparaturstützpunkten und in Lagern. Dies seien «nicht die modernsten und neueren, aber immer noch Panzer», sagte Grosberg.

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Ein russischer T-27-Panzer wartet in einem Unterschlupf in Donezk auf seine Reparatur.Bild: www.imago-images.de

Da einer von dreien wieder fahrtüchtig gemacht werden könne, stünden dem Land daher noch mindestens 3000 Panzer zur Verfügung. «Diese sehr, sehr grosse Zahl ist nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine, sondern für alle Nachbarländer Russlands.»

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«Es gibt immer noch sehr, sehr viele davon»

Ähnlich sei die Situation bei Artilleriegeschützen. Von diesen habe Russland etwa 500 Stück verloren, was aber nur zehn Prozent der einsatzbereiten Systeme entspreche. Nicht mitgerechnet seien dabei Geschütze, die Russland noch eingelagert habe: «Auch das sind nicht die modernsten, aber es gibt immer noch sehr, sehr viele davon», so Grosberg.

Auch die Munition für diese Waffen werde nicht so bald ausgehen: «Wir schätzen, dass Russland vor dem Krieg etwa 17 Millionen Munitionseinheiten hatte, von denen 10 Millionen verwendet wurden», sagte Grosberg. Da der Kreml die Produktionskapazitäten erhöht habe, könne Russland aber noch mindestens ein Jahr lang weiter Krieg führen, schätzt Grosbergs Geheimdienst.

An Truppen mangelt es nach estnischer Einschätzung ebenfalls noch nicht. Grosberg geht davon aus, dass Russland bislang etwa 100'000 Soldaten in der Ukraine verloren hat, einschliesslich Verwundeter und Vermisster. Diese Zahl werde durch die Mobilisierung von 300'000 neuen Soldaten aber mehr als ausglichen, auch wenn diese nicht so gut ausgebildet und ausgerüstet seien wie die Truppen zu Beginn des Kriegs.

«Wenn wir uns die längerfristige Perspektive und die Zahlen ansehen, können wir sagen, dass Russlands militärische Fähigkeiten trotz der schrecklichen Verluste nirgendwo verschwunden sind», sagte Grosberg.

«Bereiten wir uns auf einen langen Krieg vor»

Die Zahlen und Einschätzungen des estnischen Geheimdienstes stehen teilweise in Widerspruch zu Angaben anderer Geheimdienste. So hat Russland nach jüngsten Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums seit dem 24. Februar fast 3000 Panzer und knapp 2000 Artilleriegeschütze verloren – also deutlich mehr als von Estland angegeben. Allerdings hat die Ukraine ein propagandistisches Interesse an diesen Zahlen und gibt die russischen Verluste womöglich höher an, als sie in Wirklichkeit sind.

Umstritten ist auch die Einschätzung Estlands, dass Russland aus seinen 9000 eingelagerten Panzern noch 3000 einsatzbereite machen kann. So sagte der finnische General Pekka Toveri kürzlich dem «Economist», dass Russland zwar über grosse Mengen Waffen aus Sowjetzeiten verfüge, das meiste davon aber «glücklicherweise Schrott» sei: Zwei Drittel dieser Bestände würden unter offenem Himmel gelagert und ein Grossteil der Fahrzeuge sei schon für Ersatzteile geplündert worden.

Der britische Militärexperte und Journalist Shashank Joshi schrieb auf Twitter, er sehe die Angaben Estlands zwar skeptisch: «Aber interessant ist es schon, dass Estlands Geheimdienst, der das russische Militär ziemlich gut kennt, glaubt, dass ein grosser Teil dieser eingelagerten Panzer noch verwendbar ist.» Der Militärexperte Carlo Masala hält die estnischen Angaben für glaubwürdig: «Bereiten wir uns auf einen langen Krieg vor», schrieb er auf Twitter.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rodolofo
15.12.2022 08:13registriert Februar 2016
Erinnern wir uns an den Zusammenbruch der Sowjetunion mit ihrem "Ostblock":
Nachdem es einmal an allen Ecken und Enden zu bröckeln begonnen hatte, ging es plötzlich sehr schnell, und das ganze, hoch aufgetürmte Kartenhaus aus Lügen und Zwang fiel in atemberaubenden Tempo in sich zusammen.
Putin hat es mit seinem Revanchismus und seiner ideologischen Verbortheit geschafft, dieses Kartenhaus neu aufzubauen und mit dem "atomaren Bluff" zu stabilisieren.
Aber letztlich wird auch "Peter der Grosse Nummer 2" an physikalischen- und psychologischen Naturgesetzen scheitern...
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Cpt. Jeppesen
15.12.2022 09:52registriert Juni 2018
Wir sind im 10ten Monat des Kriegs und RUS hat 1400 Panzer verloren, das macht 140 Panzer pro Monat. In Friedenszeiten kann RUS drei (3!) Panzer pro Monat produzieren. Nehmen wir nun an, sie nehmen ihre 60 Jahre alten Panzer aus dem Lager und machen aus 3 alten Panzer einen fahrbereiten. Und nehmen wir an, sie schaffen 10 pro Woche, also 40 pro Monat, dann fehlen immer noch 100 Panzer pro Monat.
Munition das selbe, RUS greift auf Bestände des kalten Kriegs zurück, also 42 Jahre alte Munition. Munition ist nicht ewig haltbar. Sie haben deswegen Ausfälle von 60%.
Das haltet RUS nicht durch.
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Pat da Rat
15.12.2022 11:27registriert Mai 2022
Gebt der Ukraine die Mittel, damit sie auch die kritische Infrastruktur innerhalb Russlands attackieren kann. Kraftwerke, Brücken, Eisenbahn, Militärbasen, Depots etc. Damit wird den Russen in der Ukraine der Nachschub und Ersatz erschwert, die Verluste der Russen steigen und der Krieg kommt endlich auch bei der russ. Bevölkerung an, denen es mehrheitlich total egal ist, dass in der Ukraine Zivilisten sterben. Quid pro quo; der Preis für die "Sonderoperation" muss für die Russen viel höher werden und sie direkt treffen. Reden und Verhandeln mit Putin ist ja offensichtlich keine Lösung.
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