Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Süd-Ukraine müssen Angaben aus Kiew zufolge Zehntausende Menschen vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht werden. Wie es zum Dammbruch kommen konnte, ist bislang unklar. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld.
Auch viele westliche Politiker machen Russland verantwortlich. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) etwa warf Moskau vor, in dem seit mehr als 15 Monaten dauernden Krieg immer stärker zivile Ziele anzugreifen. «Das ist ja auch etwas, das sich einreiht in viele, viele der Verbrechen, die wir in der Ukraine gesehen haben, die von russischen Soldaten ausgegangen sind», sagte er. «Für diese menschengemachte Umweltkatastrophe gibt es nur einen Verantwortlichen: der verbrecherische Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine», sagte die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf einer Reise in Brasilien.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hielt Moskau vor, Tausende Zivilisten zu gefährden und schwere Umweltschäden in Kauf zu nehmen. «Dies ist eine ungeheuerliche Tat, die einmal mehr die Brutalität von Russlands Krieg in der Ukraine demonstriert.» EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich schockiert über einen «beispiellosen Angriff». Der britische Aussenminister James Cleverly sprach von einem Kriegsverbrechen.
Auch der Militärexperte Carlo Masala sieht den Verursacher in Moskau: «Alles spricht dafür, dass die Russen den Damm gesprengt haben», so Masala zu t-online (mehr lesen Sie hier). Schon im vergangenen Jahr habe es Berichte gegeben, denen zufolge die russische Armee den Staudamm grossflächig vermint habe. Damals wie heute standen die Kremltruppen unter dem Druck einer ukrainischen Gegenoffensive.
Ähnlich hatte sich auch Selenskyjs Stabschef Jermak geäussert. Er vermute, dass Russland mit der Zerstörung die geplante ukrainische Grossoffensive ausbremsen wolle. Auf Twitter schrieb er, durch die Sprengung nehme auch die Bewässerung für die Landwirtschaft im Süden der Ukraine Schaden.
Selenskyj selbst wies nach Angaben seines Präsidialamtes darauf hin, dass die Ukraine vor genau diesem Szenario gewarnt habe, seit die russischen Kräfte Cherson im Herbst 2022 geräumt hatten. Denn Russland habe weiterhin die Kontrolle über Staudamm und Wasserwerk gehabt.
Die ukrainischen Streitkräfte kündigten an, die Rückeroberung besetzter Gebiete trotzdem fortzusetzen. Die Ukraine verfüge über «alle notwendigen Boote und Pontonbrücken, um Wasserhindernisse zu überwinden», teilte das Militär mit. Die Besatzer hätten den Staudamm «aus Angst vor der ukrainischen Armee» gesprengt.
Die Ukraine glaubt sogar zu wissen, welcher russischen Brigade die Sprengung anzulasten ist. Das berichtet der «Kyiv Independent» unter Berufung auf die ukrainische Nachrichtenagentur Liga, die den Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates Oleksii Danilov zitiert. Demnach beschuldigt Danilov die 205. motorisierte Schützenbrigade Russlands, den Anschlag auf den Staudamm verübt zu haben. Die Brigademitglieder seien im Kraftwerk in der Nähe der von Russland besetzten Nowa Kachowka stationiert und kontrollierten die Anlage.
Russland wies jegliche Schuld von sich. «Wir erklären offiziell, dass es sich hier eindeutig um eine vorsätzliche Sabotage der ukrainischen Seite handelt, die auf Befehl (...) des Kiewer Regimes geplant und ausgeführt wurde», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Beweise legte er nicht vor. Präsident Wladimir Putin werde über alle Entwicklungen informiert, sagte er.
Auch der deutsche Militärexperte Ralph Thiele hält es für möglich, dass die Ukraine die Sprengung zu verantworten hat. «De facto gibt es militärischen Nutzen für beide Seiten», sagt er im Gespräch mit t-online. Die Ukraine brauche Überraschungsmomente, um gegen die russischen Truppen vorgehen zu können. Auch wenn die verheerenden Bilder es kaum vorstellbar erscheinen lassen, sei es möglich, dass die Ukraine den Dammbruch nutze, um Verteidigungslinien aufzuweichen, so Thiele.
Der Kachowka-Stausee und der Fluss Dnipro bildeten seit dem vergangenen Herbst die Frontlinie im Gebiet Cherson. Das Südufer wird von russischen Truppen beherrscht, das nördliche Ufer mit der gleichnamigen Gebietshauptstadt Cherson nach der Rückeroberung wieder von den Ukrainern. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach von Überschwemmungsgefahr für bis zu 80 Ortschaften. Entlang des Nordufers sahen die ukrainischen Behörden 16'000 Menschen in Gefahr. Militärgouverneur Olexander Prokudin berichtete von zunächst acht Ortschaften, die ganz oder teilweise unter Wasser stehen. Angaben über Tote oder Verletzte gab es zunächst nicht. Die humanitären, ökologischen und militärischen Folgen der Überschwemmungen sind noch nicht abzusehen.
In der Stadt Cherson leben die Menschen seit Monaten unter russischem Artilleriefeuer. Luftaufnahmen zeigten, dass dort im Stadtteil Korabel von vielen eingeschossigen Häusern nur noch das Dach aus dem Wasser ragte. Zur Lage am flachen Südufer in russischer Hand gab es kaum Informationen. In Nowa Kachowka dicht an der Staumauer berichtete die russische Verwaltung von Überschwemmungen.
(dpa, fho, aj)
Sind das nicht dieselben, welche ihren Soldaten vor 16 Monaten sagten, dass es sich nur um eine Militärübung an der Grenze handelt? Und das ist nur eine von tausenden belegten Lügen des russischen Regimes in den letzten Jahren. Kein Wort ist ihnen zu glauben.