Monatelang besetzte die ukrainische Armee die russische Region Kursk. Nachdem sich die Ukrainer von dort hatten zurückziehen müssen, unternahm der Kreml vieles, damit die Russen die Demütigung und Schande der vielen bis dahin erfolglosen Versuche, den Feind aus der kleinen Stadt Sudscha zu vertreiben, vergessen zu machen.
So verbreitet die russische Propaganda eine heldenhafte Geschichte darüber, wie russische Soldaten im März 2025 innerhalb eines Gasrohrs kilometerweit hinter die feindlichen Linien marschierten. Mitte März wurde der Überraschungsangriff von den Ukrainern entdeckt, wie erfolgreich er letztlich war, ist unklar. Das Gasrohr ist inzwischen jedoch fast heiliggesprochen. Sein Fragment wird in der Nähe von Tempeln ausgestellt, Legenden und Gedichte werden darüber geschrieben.
In Jekaterinburg beispielsweise wurde eine 16 Meter lange Kopie dieses Rohrs in der Nähe der Hauptkirche installiert. Während der Eröffnungszeremonie verglich der örtliche Bischof Jewgeni Kulberg den Weg der russischen Soldaten durch dieses Rohr mit einem «Eintauchen in die Unterwelt». Hunderte Menschen mit russischen Fahnen und Bildern von Jesus Christus versammelten sich in der Nähe dieses Rohrs. Während der Ausstellung in Jekaterinburg wurden weisse Tauben durch das Rohr geschickt.
Russian social media have been flooded with footage showing Russians walking through a replica of the gas pipeline that their troops tried to use to infiltrate the town of Sudzha, set up in the church courtyard in Yekaterinburg. On March 8-9, Russian soldiers traveled 16 km… pic.twitter.com/PLLCbw2w9D
— Aleksandar Djokic (Александар Джокич) (@polidemitolog) March 28, 2025
Mit dem Rohr verkaufte Putin nicht nur eine Propagandageschichte an seine Bevölkerung, sondern sendete auch ein Signal an den Westen: Durch russische Rohre kann nicht nur Gas, sondern auch Soldaten geschickt werden.
Iwan Filippow, Analyst im Bereich der russischen Propaganda, stellt fest: «Das Gasrohr ist heute für die russische Militärpropaganda das, was das Holzpferd für den Trojanischen Krieg war.» Er vermutet, dass dieses Rohr wirklich heiliggesprochen oder auch an der Siegesparade am 9. Mai teilnehmen könnte.
Gleichzeitig weist Filippow darauf hin, dass es keine wirklichen Beweise für die strategische Wirksamkeit dieses Rohrs während des Rückzugs der ukrainischen Armee aus der Region Kursk gibt. Der Angriff durch die Pipeline sei im Wesentlichen ein «Fleischangriff» gewesen, nur unterirdisch. Ein «Fleischangriff» ist eine russische Taktik im Ukraine-Krieg, bei der massenhaft Soldaten in verlustreichen Wellen auf feindliche Stellungen geschickt werden.
Wenn sich die ukrainische Armee nicht aus Sudscha zurückgezogen hätte, so Experte Filippow, wäre es gut möglich, dass die Öffentlichkeit nie von der «gewagten Operation des russischen Militärs» erfahren hätte.
Dass der Weg durch das Gasrohr für die russischen Soldaten tatsächlich ein «Fleischangriff» war, auf den das Verteidigungsministerium häufig zurückgreift, zeigt sich auch an der Art der Verletzungen der Beteiligten. Armeesanitäter, die in der Behandlung von chemischen Vergiftungen erfahren sind, haben die Kämpfer in ihre Feldlazarette eingeliefert.
Die längere Exposition gegenüber dem Gasrohr hatte schwerwiegende Folgen: Bei den Opfern wurde eine Schädigung von fast 90 Prozent der Lunge diagnostiziert. Die zum Korrosionsschutz der Rohre verwendeten Substanzen verursachten schwere Vergiftungen.
The lungs of the few surviving Russian soldiers from the “pipe of victory” near Sudzha are beyond repair.
— Devana 🇺🇦 (@DevanaUkraine) March 26, 2025
Meanwhile, in Yekaterinburg, deep-core “patriots” gathered near a church to celebrate the poisoning of their fellow “cranes” — next to a 16-meter replica of the very same… pic.twitter.com/RKhxrjQVyt
Während die russische Öffentlichkeit durch die Geschichte über das Rohr abgelenkt ist, werden Einwohner von Sudscha vom Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) zum Verhör vorgeladen, um ihre mögliche Rekrutierung durch die ukrainische Armee zu überprüfen. Ausserdem ist es den Einwohnern der Region Kursk verboten, öffentlich über den russischen Beschuss von Sudscha zu sprechen.
«In Kursk wurden wir zu einer «Psychotherapie» gebracht», sagte ein Bewohner einem russischen Online-Medium. Die Menschen seien befragt worden, wie sie gelebt hätten, als ein Teil der Region Kursk unter ukrainischer Kontrolle stand. Auch über die Beziehungen zur ukrainischen Armee seien sie befragt worden, ob sie Hilfe von den Ukrainern in Anspruch genommen haben oder nicht. «Sie haben nach einer Art von Agenten gesucht», so der Bewohner weiter.
Russland hat unprovoziert den Donbass und die Krim eingenommen. Russland hat unprovoziert einen Krieg gestartet, mit dem Ziel die Ukraine einzunehmen!
So so.
Man darf dreimal raten, welches PR-Genie im Kreml diese Botschaft in die Welt hinausposaunen lässt.
(PS: Ein mancher, der sein Rohr am liebsten heiligsprechen lassen möchte.)