Europäer bieten Truppen für Einsatz in Ukraine an – die 8 wichtigsten Fragen
Was kam bei den Gesprächen in Berlin raus?
Die Beteiligten sprechen von Fortschritten, doch viel Konkretes brachten auch die Berliner Gespräche nicht. Allerdings ist in einer zum Abschluss der Ukraine-Gespräche verabschiedeten gemeinsamen Erklärung eine bedeutende Passage aufgeführt: Eine von Europa geführte und den USA unterstützte Truppe würde die ukrainischen Streitkräfte im Falle eines Waffenstillstands künftig unterstützen und die Sicherheit des Luftraums und der Meere gewährleisten. Dies solle «auch durch Operationen innerhalb der Ukraine» geschehen, heisst es in dem Dokument.
Die Schutztruppe ist eine von mehreren Zusagen, die die unterzeichnenden Staaten für den Fall abgeben, dass eine Vereinbarung zur Beendigung des Krieges erzielt wird. Neben dem deutschen Kanzler Friedrich Merz unterschrieben die Erklärung auch die Staatschefs aus Frankreich, Grossbritannien, Polen, Italien, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden sowie EU-Ratspräsident António Costa und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Über eine internationale Truppe zum Schutz der Ukraine wurde zuvor seit längerem diskutiert. Bei EU-Ländern wie Deutschland oder Italien gab es grosse Skepsis gegenüber solchen Plänen.
Was sagen die USA?
Von US-Seite gab es zu der Erklärung zunächst keine Stellungnahme. Zuvor hatte ein hochrangiger US-Beamter gesagt, dass in einem Sicherheitspaket auch Massnahmen zur Überwachung und Konfliktvermeidung vorgesehen wären, damit sich die ukrainische Bevölkerung sicher fühle. Auf US-Bodentruppen in der Ukraine läuft es laut dem Beamten aber nicht hinaus.
Die USA hatten unlängst ausgeschlossen, sich an einer solchen Truppe zu beteiligen. Trump hatte im Sommer aber gesagt, die Vereinigten Staaten seien bereit, die Verbündeten – etwa aus der Luft – zu unterstützen. Vor allem Frankreich und Grossbritannien drängen seit längerem auf konkrete Vorbereitungen, Deutschland war eher zurückhaltend. Russland lehnt den Einsatz von Truppen zur Überwachung eines Waffenstillstands kategorisch ab.
Wie soll die ukrainische Armee künftig aussehen?
In der Erklärung der Europäer wird der Ukraine auch «anhaltende und erhebliche Unterstützung» ihrer Streitkräfte zugesichert, die in Friedenszeiten eine Stärke von 800'000 Soldaten haben sollten.
Das Dokument setzt den Schlusspunkt der zweitägigen Verhandlungen in Berlin, an denen am Sonntag und Montag neben den wichtigsten europäischen Verbündeten der Ukraine und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch eine US-Delegation unter Führung des Sondergesandten der US-Regierung, Steve Witkoff, teilgenommen hatte. Im Zentrum stand dabei die Weiterentwicklung eines von den USA vorgelegten Friedensplans – allerdings ohne russische Beteiligung. Daher stellt sich die Frage, wie Moskau auf die Ergebnisse der Gespräche in Berlin reagieren wird.
Was gibt es sonst für Ergebnisse?
Inhaltliche Details sind nicht bekannt. Aber alle beteiligten Seiten werteten die Verhandlung öffentlich als Fortschritt. Das betrifft vor allem die Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Falle eines Waffenstillstands. «Was die USA hier in Berlin an rechtlichen und an materiellen Garantien auf den Tisch gelegt haben, ist wirklich beachtlich. Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt», sagte beispielsweise der deutsche Kanzler Merz.
US-Präsident Trump sagte in Washington, man sei jetzt «näher» als bisher an einer Lösung. Er habe Gespräche mit den Europäern und Selenskyj geführt. «Es scheint gut zu laufen.» Zugleich schränkte der US-Präsident ein:
Selenskyj scheint sich derweil damit abgefunden zu haben, dass ein Nato-Beitritt unrealistisch ist. Er hat einen Verzicht bereits im Vorfeld der Berliner Gespräche als Kompromiss im Austausch gegen Sicherheitsgarantien zum Thema gemacht.
Nun geht es darum, wie man eine Beistandsgarantie der Nato-Staaten hinbekommt, die Artikel 5 des Nato-Vertrags ähnelt. Danach wird ein Angriff auf einen Staat wie ein Angriff auf alle behandelt. Was das nun im Einzelnen bedeuten kann, ist aber noch ziemlich unklar.
An welcher Stelle gab es keine Fortschritte?
Bei der schwierigsten Frage möglicher Gebietsabtretungen der Ukraine an den Angreifer Russland. Selenskyj sprach von weiterhin «unterschiedlichen Positionen» der Kriegsparteien und äusserte die Hoffnung, dass die USA als Vermittler einen Konsens herbeiführen könnten. Es gibt zwar Lösungsansätze, aber wirkliche Bewegung ist auch nach dem Treffen in Berlin nicht in Sicht.
Zu Russlands Kernforderungen für einen Waffenstillstand gehört, dass die Ukraine im Gebiet Donezk auch jene für die Verteidigung des Landes strategisch wichtigen Städte aufgibt, die Russland bisher nicht erobern konnte. Selenskyj lehnte solche Geschenke an den «Aggressorstaat» ab und verweist auf die Verfassung des Landes, die solche Gebietsabtretungen nicht zulässt.
Wie geht es jetzt weiter?
Die USA werden die Ergebnisse jetzt wieder mit Russland rückkoppeln, das in Berlin nicht mit am Tisch sass. Wann und wie das erfolgen wird, ist noch unklar. Der hochrangige US-Beamte erwähnte auch ein Treffen mit Arbeitsgruppen und Militärangehörigen am Wochenende «vielleicht» in Miami im US-Bundesstaat Florida – es blieb aber unklar, ob das ein rein US-interner Termin sein soll oder ob auch andere Länder daran beteiligt sein sollen.
Wie reagiert Russland auf die Gespräche?
Von offizieller Seite gab es aus Russland bis zum späten Abend keine Reaktionen auf die Erklärungen der Europäer und der Amerikaner zu den Gesprächen mit Selenskyj. Allerdings hatte der Kreml bereits vor Beginn der Verhandlungen erklärt, dass von den europäischen Verbündeten der Ukraine bei den Verhandlungen «kaum etwas Gutes» zu erwarten sei und schon bisherige Vorschläge aus der EU für Russland unannehmbar gewesen seien.
So lehnte Russland den Einsatz von Truppen aus Nato-Staaten zur Überwachung eines Waffenstillstands bislang kategorisch ab und warnte, dass Truppen des Militärbündnisses als militärisches Ziel gesehen und vernichtet würden. Auch ein von Selenskyj vorgeschlagene Referendum zu den von Russland geforderten Gebietsabtretungen, das die Europäer unterstützen würden, stiess in Moskau auf Ablehnung.
Putins aussenpolitischer Berater Juri Uschakow stellte es so dar, dass es sich um russisches Territorium handele. Russland hatte die vier Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson zwar schon annektiert, kontrolliert sie aber bis heute nicht komplett, und international anerkannt wird diese Annexion ohnehin nicht.
Was steht für die Europäer an?
Den Europäern steht der schwierigste Teil der Woche noch bevor. Am Donnerstag soll eine Entscheidung über die Nutzung des in der EU eingefrorenen russischen Staatsvermögens von etwa 185 Milliarden Euro fallen. Dabei geht es um sehr viel – für die EU, die Ukraine und auch für den deutschen Kanzler.
Merz hat sich an die Spitze der Befürworter eines solchen Schrittes gesetzt. Für ihn ist es die erste grosse Bewährungsprobe als Führungspersönlichkeit in Europa. Er erhöhte daher am Montag noch einmal den Druck und erklärte die Entscheidung zur «Schlüsselfrage» für die EU: Bei einem Nein sei die Handlungsfähigkeit Europas über Jahre «massiv beschädigt».
Für die Ukraine würde ein Nein bedeuten, dass die Unterstützung der Verbündeten nach und nach versiegen würde. Und bei US-Präsident Trump gibt es ohnehin keinerlei Bereitschaft mehr, für den Krieg Geld auszugeben.
Putin wird die Entscheidung genau verfolgen. Der Kreml warnt vor weitreichenden Folgen eines solchen «Diebstahls» und droht mit Gegenmassnahmen. Aus russischer Sicht dürfte das auch die Chancen für einen Waffenstillstand zerschlagen.
Ist ein Waffenstillstand vor Weihnachten möglich?
Angesichts der sich nur langsam ergebenden Fortschritte in den Verhandlungen und Russlands bisheriger Kompromisslosigkeit bezüglich seinen Forderungen wäre ein Waffenstillstand vor Weihnachten eine grosse Überraschung. Dies, obwohl US-Präsident Donald Trump eine Einigung bis Weihnachten gefordert hatte.
Friedrich Merz forderte Putin aber auf, die Waffen wenigstens über die Feiertage ruhen zu lassen. «Vielleicht hat die russische Staatsführung einen Rest an menschlichem Anstand und lässt wenigstens die Bevölkerung über Weihnachten mit diesem Terror einmal für ein paar Tage in Ruhe.»
(sda/dpa/con)
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