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Der dritte Tag der Kapitol-Hearings in 5 Punkten

Mob stand 12 Meter vor Pence, Trump beschimpft ihn als «Pussy» – 5 Punkte zum 1/6-Hearing

Am dritten Anhörungstag zum Kapitol-Sturm stand Trumps ehemaliger Vize-Präsident Mike Pence im Fokus. Dieser weigerte sich, das Wahlergebnis zu kippen. Das Wichtigste in 5 Punkten.
17.06.2022, 09:2917.06.2022, 13:51
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Im Untersuchungsausschuss zur Attacke auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 haben Zeugen neue Details zu den chaotischen Stunden an jenem Tag offengelegt. Ein Berater des damaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence, Greg Jacob, beschrieb am Donnerstag (Ortszeit) in einer öffentlichen Anhörung, wie Pence sich damals trotz der Gewalt am Kongresssitz gegen den Rat seiner Sicherheitsleute geweigert habe, das Gelände zu verlassen – um nicht ein Bild zu liefern, wie der Vizepräsident des Landes aus dem Kongress «flieht».

Nach Erkenntnissen des Ausschusses kamen die Randalierer Pence damals gefährlich nahe. Mehrere Zeugen berichteten ausserdem von einem hitzigen Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Vize nur Stunden vor dem Angriff.

Trump verfolgte einen «illegalen Plan» – wider besseren Wissens

Der konservative Trump-Anwalt John Eastman bereitete einen juristischen Plan vor, wonach Pence die Zertifizierung des Wahlergebnisses hätte blockieren können.

Former Vice President Mike Pence speaks at the Gas Energy Education Program roundtable discussion at Enerfab, Thursday, June 16, 2022, in Cincinnati. (AP Photo/Jeff Dean)
Mike Pence weigerte sich, Trumps Plan auszuführen.Bild: keystone

Seine Theorie wurde von den Anwälten des Weissen Hauses, sowie Pences Team einhellig abgelehnt. Sie warnten Trump mehrmals, dass dieser Plan illegal sei und gegen das Bundesgesetz verstosse. Dies beweise, dass Trump korrupte Absichten gehegt habe, was wiederum den Grundstein für eine mögliche Anklageerhebung legen könnte, argumentieren die Ausschussmitglieder.

Der Kapitol-Sturm
Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in Washington erstürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg von Trumps demokratischem Herausforderer Joe Biden formal zu bestätigen. Die gewalttätige Menge wollte das verhindern. Pence leitete damals in seiner Rolle als Vizepräsident die Kongresssitzung – rechtlich eine rein zeremonielle Aufgabe. Trump hatte seinen Vize zuvor aber unverhohlen öffentlich aufgerufen, das Prozedere zu blockieren – um ihm so nachträglich zum Wahlsieg zu verhelfen.

Sogar Eastman selbst gab vor Trump zu, dass Pence im Rahmen dieses Plans gegen das Bundesgesetz verstossen müsste. Dies berichtete Greg Jacob, ein Berater des damaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence, in einer Zeugenaussage, welche auf Video gezeigt wurde.

Auch der ehemalige konservative Anwalt J. Michael Luttig, welcher Pence in der Übergangsphase beraten hatte, war entsetzt über den Plan. Eher hätte er seinen Körper über die Mitte der Strasse gelegt als zugelassen, dass Pence die Wahl verfassungswidrig kippe, sagte er aus.

Eastman wusste, dass sein Plan illegal war

Wenige Tage nach dem Chaos des 6. Januars, schrieb Eastman eine E-Mail an Trumps ehemaligen Anwalt Rudy Giulani. «Ich habe beschlossen, dass ich auf der Begnadigungsliste stehen sollte, falls diese noch in Arbeit ist», heisst es darin. Kurz vor Amtswechsel ist es üblich, dass der abtretende Präsident noch Begnadigungen vornimmt - so auch Donald Trump. Eastman schaffte es allerdings nicht auf diese Liste.

FILE - Chapman School of Law professor John Eastman testifies on Capitol Hill in Washington, on March 16, 2017, at a House Justice subcommittee on Courts, Intellectual Property and the Internet hearin ...
John Eastman heckte einen verfassungswidrigen Plan aus, um die Wahl noch kippen zu können.Bild: keystone

Den Fragen des Ausschusses wollte er sich derweil nicht stellen und bezog sich dabei auf das Recht zu Schweigen, welches im 5. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten verankert ist.

Der Kapitol-Ausschuss sieht darin einen Hinweis, dass Eastman durchaus wusste, dass sein Plan gegen das Gesetz verstiess.

Der Mob kam Pence gefährlich nahe

Kurz vor dem Angriff auf das Kapitol hatte Trump seine Anhänger bei einer Kundgebung einmal mehr damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Dabei hetzte der Republikaner seine Unterstützer auch explizit gegen Pence auf. Diese suchten damals im Gebäude nach dem Vizepräsidenten, den sie als Verräter beschimpften und zu hängen drohten, weil er Bidens Bestätigung nicht verhinderte.

FILE - In this Wednesday, Jan. 6, 2021, file photo, violent rioters supporting President Donald Trump, storm the Capitol in Washington. When a mob loyal to the former president forcibly overtook the U ...
Der Mob drang am 6. Januar ins Kapitol ein und kam dem Vizepräsidenten gefährlich nahe.Bild: keystone

Nach Erkenntnissen des Gremiums kamen die gewalttätigen Angreifer Pence damals überraschend nahe: Als der Secret Service den Vizepräsidenten in Sicherheit gebracht habe, hätten zeitweise nur etwa zwölf Meter zwischen ihm und den Randalierern gelegen.

Jacob, der Pence damals begleitete, sagte, sein Chef sei entschlossen gewesen, die begonnene Zertifizierung des Wahlergebnisses abzuschliessen. Er habe es als «verfassungsmässige Pflicht» gesehen, dies zu Ende zu bringen. Pence habe daher über Stunden an einem sicheren Ort auf dem Kapitol-Gelände ausgeharrt, um von dort aus später in den Senatssaal zurückzukehren. «Der Vizepräsident wollte auf keinen Fall riskieren, dass die Welt sieht, wie der Vizepräsident der Vereinigten Staaten aus dem US-Kapitol flieht», sagte er.

Trump hetzte gegen Pence

Auf die Frage, ob Trump zu irgendeinem Zeitpunkt bei Pence angerufen habe, um zu fragen, ob er in Sicherheit sei, sagte Jacob: «Das tat er nicht.» Pence habe das «frustriert».

In Videoausschnitten von vorher aufgezeichneter Befragungen beschrieben mehrere Zeugen ausserdem ein höchst angespanntes Telefonat zwischen Trump und Pence am Morgen jenes Tages, bei dem der damalige Präsident mehrere Schimpfwörter benutzt habe. «Das Gespräch war ziemlich hitzig», sagte etwa Trumps Tochter Ivanka. Ein damaliger Assistent Trumps, der wie Ivanka Trump und andere während des Telefonats mit dem Präsidenten im Oval Office war, sagte: «Ich habe das Wort ‹Lusche ›gehört.» Ivanka Trumps Stabchefin bezeugte derweil, dass Trump Pence als das «P-Wort» bezeichnet habe – also als Pussy.

Trump hatte damals während der Attacke auch einen Tweet verbreitet, in dem er sich offen beklagte, dass Pence nicht in seinem Sinne gehandelt habe. Eine damalige Mitarbeiterin der Pressestelle des Weissen Hauses sagte dazu: «Ich hatte das Gefühl, dass er mit diesem Tweet Öl ins Feuer giesst.»

Ehemalige Trump-Anhänger fanden seine Idee verrückt

Bis heute behauptet Trump ohne Belege, er sei durch Wahlbetrug um den Sieg bei der Präsidentenwahl 2020 gebracht worden. Über Wochen versuchte er damals mit fragwürdigsten Methoden, unter anderem mit Dutzenden Klagen, Bidens Wahlsieg nachträglich zu kippen. Schliesslich sah er Pence als seine letzte Chance, den Wahlausgang umzukehren.

Der Kapitol-Sturm vom 6. Januar:

Video: watson/een

Bei der Ausschusssitzung werteten Jacob und andere Berater sowohl von Pence als auch von Trump diese Versuche als abwegig und unrechtmässig. Jacob sagte, eine Prüfung habe damals ergeben, dass es «keine vertretbare Grundlage für die Schlussfolgerung» gebe, dass der Vizepräsident die Befugnis habe, derartigen Einfluss zu nehmen. Der frühere konservative Richter Michael Luttig, der Pence in der Frage ebenfalls beraten hatte, sagte, wenn Pence dem Aufruf Trumps damals gefolgt wäre, dann hätte dies Amerika in eine «Revolution» und eine «Verfassungskrise» gestürzt. Der frühere Anwalt im Weissen Haus, Eric Herschmann, nannte Trumps Idee «völlig verrückt».

Luttig mahnte, Trump und seine Anhänger seien weiter eine Gefahr für die US-Demokratie. Sie hätten bereits angekündigt, auch bei der Präsidentschaftswahl 2024 wieder zu versuchen, das Wahlergebnis zu kippen, falls es nicht nach ihren Wünschen ausfalle. (saw/sda/dpa)

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So berichtet die Zeitungen über den Sturm auf das Kapitol
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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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HeidiW
17.06.2022 10:05registriert Juni 2018
Trump wollte ganz bewusst die Wahl manipulieren und für ungültig erklären lassen. Das nennt sich Hochverrat und wird gemäss Verfassung vom 1887 mit der Todesstrafe oder lebenslanger Haft gebüsst.
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Remus
17.06.2022 11:07registriert Dezember 2016
Bringt diesen Verbrecher endlich in den Knast
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FrancoL
17.06.2022 12:13registriert November 2015
Jeder oder jede die in den Staaten für ein kleineres Verbrechen schnell mal hinter Gitter landet muss sich fragen wo die Gleichheit im Rechtssystem der USA gegeben ist.
Was da abgeht ist für das Rechtssystem der USA eine Schande. Trump gehört schon mehrfach verurteilt und eingebuchtet.

Das Rechtssystem wird in den Staaten einen schweren Schaden nehmen und dieser Schaden werden alle die, die das nötige Geld haben entsprechend nutzen können.
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