Die konservative Hälfte Amerikas war ausser sich am Dienstagmorgen. «Das ist die schlimmste Attacke auf diese Republik in der modernen Geschichte», wetterte der den Republikanern nahe stehende Rechtsanwalt Mark Levin auf Fox News, als der Helikopter des Nachrichtensenders über Donald Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida kreiste. Die Bilder, die über den Bildschirm flackerten, gab es so in der langen Geschichte Amerikas noch nie zu sehen: Das Haus eines ehemaligen Präsidenten umzingelt von Streifenwagen der Polizei, deren Blaulichter die ganze Szenerie wie einen Tatort aussehen liessen.
Die «Attacke auf die Republik», wie es Anwalt Levin nannte, geschah im Innern des Luxus-Anwesens. In einer beispiellosen Aktion durchsuchten Agenten der Bundespolizei FBI Trumps Haus. Hintergrund waren weder die Verwicklungen Trumps in den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar vergangenen Jahres noch mögliche Bemühungen, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2020 zu kippen.
Stattdessen ging es um Regierungsdokumente, die der Ex-Präsident aus dem Weissen Haus in seine Residenz mitgenommen haben soll. Dem Nationalarchiv fiel nach Trumps Abschied aus dem Weissen Haus auf, dass etliche Papiere fehlten. Insgesamt 15 Kisten voll mit Dokumenten, Erinnerungsstücken, Geschenken und Briefen soll er in sein Haus in Florida gebracht haben. Medien zufolge waren darunter auch Briefe des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un und ein Schreiben von Trumps Vorgänger Barack Obama.
Trump selbst machte die Razzia publik. Auf seinem Netzwerk «Truth Social» schrieb er: «Mein wunderschönes Zuhause, Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, wird derzeit von einer grossen Gruppe von FBI-Agenten belagert, durchsucht und besetzt.» Und weiter: «Diese unangekündigte Razzia in meinem Haus war weder notwendig noch angemessen».
Zuvor hatte die «New York Times»-Journalistin Maggie Haberman - von Trump wenig liebevoll als «maggot», zu Deutsch «Made», verunglimpft - aus ihren Recherchen für ein neues Buch berichtet. Sie präsentierte Fotos, die beweisen sollen, dass Trump mehrfach Dokumente die Toilette heruntergespült hat.
Liebesbriefe aus Pjöngjang und ein paar Schnipsel im WC - dafür rückt das FBI aus? Ja. Denn in den USA ist das Vernichten von Regierungsdokumenten strafbar. Ein abtretender Präsident muss sämtliche Dokumente dem Nationalarchiv übergeben. Und Trump könnte nicht nur gegen ein Gesetz verstossen haben, sondern seine erneute Kandidatur im WC versenkt haben.
Im Wortlaut heisst es im entsprechenden Gesetz: «Wer im Besitz einer solchen Aufzeichnung, eines solchen Verfahrens, einer Karte, eines Buches, eines Dokuments, eines Papiers oder einer anderen Sache ist und diese vorsätzlich und rechtswidrig verheimlicht, entfernt, verstümmelt, unleserlich macht, verfälscht oder zerstört, wird nach diesem Titel mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren oder mit beidem bestraft.» Es folgt der entscheidende Satz:
War's das also für Trump? Nicht unbedingt. Denn so eindeutig ist die Sache nicht. Die «New York Times» zitiert verschiedene Anwälte, die darauf hinweisen, dass «normale» Gesetze bei der Frage, ob eine Person fürs Präsidentenamt kandidieren darf oder nicht, keine Rolle spielen. Aus diesem Grund hätte auch Hillary Clinton wegen der Affäre um ihre angeblich gelöschten E-Mails nicht aus dem Wahlkampf, den sie letztlich gegen Trump verlor, ausgeschlossen werden können. Einzig der US-Kongress entscheidet demnach, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat per Amtsenthebungsverfahren aus dem Amt ausscheiden muss.
Experten gehen jedoch davon aus, dass eine Anklage Trump in seinem möglichen Vorhaben, ein zweites Mal ins Weisse Haus einzuziehen, weit zurückwerfen würde. Es könnte sogar das Ende seiner politischen Karriere bedeuten.
Am Dienstag trommelten die Republikaner daher lautstark gegen die Razzia, das FBI und die Biden-Regierung. Ted Cruz, Senator aus Texas, sprach auf Twitter von einem «beispiellosen Vorgang». Die Hausdurchsuchung sei «korrupt» und ein «Machtmissbrauch». Was Nixon versucht habe, habe Biden nun vollzogen: nämlich das Justizministerium und das FBI als Waffe eingesetzt, um den politischen Gegner zu treffen. Und Cruz schickte eine Warnung ans amerikanische Volk hinterher: «Mit ihren 87000 neuen Steuerfahndern haben sie es auch auf euch abgesehen.»
Einen Punkt, der in Amerika und darüber hinaus durchaus noch diskutiert werden wird, brachte Ari Fleischer vor. Der Republikaner war Pressesprecher unter George W. Bush und hatte nach den Ereignissen vom 6. Januar 2021 Trump scharf kritisiert. Zur Durchsuchung bei Trump sagte Fleischer nun: Das FBI sollte besser den grossen Fang gemacht haben und einen wasserdichten Kriminalfall daraus ableiten können. Ansonsten hätten die Biden-Regierung und die Justizbehörde eine Linie überschritten, hinter die sie nicht mehr zurückkämen. Wenn nichts daraus wird, dann wäre «diese Durchsuchung im Haus eines ehemaligen Präsidenten eine Schande».
Die Hürden, die das FBI für eine Hausdurchsuchung bei einem Ex-Staatschef nehmen musste, sind allerdings hoch. Ein Bundesrichter musste zuvor die Aktion abnicken - und überzeugt sein, dass belastendes Material zu Tage gefördert wird. Für Trump könnte es der bislang heikelste Fall seiner politischen Karriere werden.
Mit Material von dpa und watson.ch (aargauerzeitung.ch)