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Razzia bei Trump: Es muss ein sehr guter Grund vorgelegen haben

Trump-Razzia schockiert die US-Politik – was für Beweise hat das FBI?

Am Montag wurde das Anwesen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump vom FBI durchsucht. Ein höchst ungewöhnliches Ereignis, dem eine konkrete Begründung zugrunde liegen muss.
09.08.2022, 13:1409.08.2022, 14:23
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Eine Untersuchung, die schon länger geplant war

Um 8 Uhr Ortszeit tauchten am Montag FBI-Agenten vor Trumps Wohnsitz Mar-a-Lago auf. Während Stunden durchsuchten die Fahnder das weitläufige Anwesen in Palm Beach in Florida, wobei sie unter anderem einen Safe aufgebrochen haben sollen. Nach Abschluss der Untersuchung sollen sie zudem mehrere Kisten mit Dokumenten mitgenommen haben. Trump war während der ganzen Zeit nicht anwesend.

Die Durchsuchung des Eigentums eines ehemaligen Präsidenten ist höchst ungewöhnlich. Doch wie «The Guardian» berichtet, stand die Durchsuchung von Trumps Anwesen offenbar schon länger auf dem Plan. Laut einer Quelle, die mit der Untersuchung vertraut ist, habe das Justizministerium seit mindestens April geprüft, ob es eine strafrechtliche Untersuchung gegen Trump einleiten soll.

Police direct traffic outside an entrance to former President Donald Trump's Mar-a-Lago estate, Monday, Aug. 8, 2022, in Palm Beach, Fla. Trump said in a lengthy statement that the FBI was conduc ...
Polizisten leiten den Verkehr vor Trumps Anwesen um. Bild: keystone

Die Durchsuchung steht wohl in Zusammenhang mit Ermittlungen, wonach Trump nach seiner Präsidentschaft klassifizierte Dokumente aus dem Weissen Haus mitgenommen haben soll. So fiel dem Nationalarchiv nach Trumps Abschied aus dem Weissen Haus auf, dass etliche Papiere fehlten.

Insgesamt 15 Kisten voll mit Regierungsdokumenten, Erinnerungsstücken, Geschenken und Briefen aus dem Weissen Haus soll er in sein Haus in Florida gebracht haben. Medien zufolge waren darunter auch Briefe des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un und ein Schreiben von Trumps Vorgänger Barack Obama.

Geheime Dokumente im Mar-a-Lago

Nach Verhandlungen mit Trumps Anwälten wurden die Unterlagen im Februar an das Nationalarchiv übergeben. Dort stellten die Archivare fest, dass einige Dokumente gekennzeichnete Informationen zur nationalen Sicherheit enthielten und als Verschlusssache galten. Gemäss Bundesgesetz ist es verboten, klassifizierte Dokumente an nicht genehmigte Orte zu bringen.

Mar-a-Lago
In diesem Anwesen soll Trump unzulässig geheime Dokumente gelagert haben.Bild: shutterstock

Der Überwachungsausschuss des Repräsentantenhauses, welcher die Untersuchung zu falsch verwalteten Dokumenten leitet, nahm am Abend Stellung zur Durchsuchung. So sagte dessen Vorsitzende Carolyn B. Maloney:

«Präsidenten haben die feierliche Pflicht, die nationale Sicherheit Amerikas zu schützen. Die Anschuldigungen, dass der ehemalige Präsident Trump unsere Sicherheit durch den falschen Umgang mit Verschlusssachen gefährdet hat, rechtfertigen eine genaue Untersuchung.»

Das Weisse Haus soll im Vorfeld nichts über die Durchsuchung gewusst haben, wie ein anonymer hochrangiger Beamter des Weissen Hauses gegenüber CBS News sagte.

Das Justizministerium hat sich bisher geweigert, sich zur FBI-Durchsuchung des Mar-a-Lago zu äussern. Auch zu den Fragen, ob das Weisse Haus im Voraus darüber informiert worden sei oder ob Justizminister Merrick Garland den gerichtlich genehmigten Durchsuchungsbefehl gebilligt hat, gibt es keinen Kommentar.

Trumps Reaktion auf die Untersuchung

Trump verurteilte die Durchsuchung auf seinem von ihm mitbegründeten Netzwerk «Truth Social» scharf:

«Es sind dunkle Zeiten für unsere Nation, denn mein wunderschönes Haus Mar-A-Lago in Palm Beach, Florida, wird derzeit von einer grossen Gruppe von FBI-Agenten belagert, durchsucht und besetzt. So etwas ist einem Präsidenten der Vereinigten Staaten noch nie zuvor passiert. Nach der Zusammenarbeit und Kooperation mit den zuständigen Behörden war diese unangekündigte Razzia in meinem Haus weder notwendig noch angemessen.»

Es handle sich um ein staatsanwaltschaftliches Fehlverhalten, die Bewaffnung des Justizsystems und einen Angriff von linksradikalen Demokraten, die verhindern wollen, dass er 2024 wieder für das Amt des Präsidenten kandidiere. Ein solcher Angriff könnte nur in kaputten Dritte-Welt-Ländern stattfinden, so Trump weiter. Traurigerweise sei Amerika jetzt eines dieser Länder geworden.

Das Justizministerium muss gute Gründe haben

Trump klagt auf seiner Plattform, dass die Durchsuchung «weder notwendig noch angemessen» gewesen sei. Ein solcher Durchsuchungsbefehl kann allerdings nicht so leichtfertig ausgestellt werden. Dafür muss gemäss dem vierten Verfassungssatz ein hinreichender Verdacht vorliegen, der insbesondere den zu durchsuchenden Ort und die zu beschlagnahmenden Personen oder Gegenstände beschreibt.

In anderen Worten: Das FBI muss einen begründeten Verdacht gehabt haben, dass sich auf Trumps Anwesen bestimmte Gegenstände befinden, die mit einem Verbrechen in Verbindung stehen. Schliesslich muss der Antrag für den Durchsuchungsbefehl von einem Bundesrichter genehmigt werden – das heisst, weder das Justizministerium noch das FBI haben die Befugnis, auf eigene Faust zu handeln.

Zudem geht das Justizministerium äusserst vorsichtig vor, wenn es um die Untersuchung politisch sensibler Personen und Organisationen geht. Erst im vergangenen Mai mahnte Justizminister Garland alle Mitarbeitenden des Justizministeriums, die Gesetze der Vereinigten Staaten neutral und unparteiisch durchzusetzen – insbesondere angesichts der Midterms, welche dieses Jahr stattfinden. Im November werden die Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie ein Drittel des Senats neu gewählt. Garland erinnerte, der Zeitpunkt von öffentlichen Erklärungen, Ermittlungsschritten oder Strafanzeigen dürfe nie zum Zwecke der Beeinflussung einer Wahl gewählt werden.

Auch wenn Trump derzeit kein Kandidat für ein gewähltes Amt ist, könnte diese Durchsuchung republikanische Wählerinnen und Wähler beeinflussen. Das Justizministerium wird diesen Entscheid also nicht leichtfertig getroffen haben – die Republikaner sehen das hingegen anders.

Das Justizministerium und das FBI im Visier der Republikaner

Der führende Republikaner Kevin McCarthy kündigte bereits an, eine Untersuchung gegen das Justizministerium einleiten zu wollen, falls die Republikaner bei den Kongresswahlen im Herbst die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen.

Das Justizministerium muss jetzt damit rechnen, dass die Republikaner wohl einen Grossteil ihrer Ressourcen darauf verwenden, das Justizministerium und das FBI zu diskreditieren. Die Trump-Unterstützerin Marjorie Taylor Greene forderte auf Twitter bereits einen Finanzierungs-Stopp der FBI.

Zudem säen sie Angst in der Bevölkerung, indem sie andeuten, dass jeder und jede ins Visier von Bundesbeamten geraten könnte. So schreibt etwa der Twitter-Account der Republikaner im Justizausschuss des Repräsentantenhauses:

«Wenn sie das mit einem ehemaligen Präsidenten tun können, stellen Sie sich mal vor, was sie mit Ihnen tun können.»

Bloss: FBI-Chef Christopher Wray ist selbst Republikaner. Er diente bereits in der Regierung von George W. Bush. Das FBI übernahm er 2017. Berufen wurde er von Donald Trump.

Was das für Trumps Kandidatur bedeutet

Gerade mit Blick auf eine mögliche Kandidatur Trumps für die kommende Präsidentenwahl wirft die «New York Times» die Frage auf, ob er für öffentliche Ämter – und damit auch für das Präsidentenamt – gesperrt würde, sollte er wegen der Mitnahme von Akten und Dokumenten aus dem Weissen Haus gegen geltendes US-Recht verstossen haben.

Im US-Bundesrecht sei verankert, dass unter anderem die Mitnahme, Beschädigung, Fälschung oder Zerstörung von Regierungsdokumenten ein Verbrechen sei. Bei einer Verurteilung drohen demnach eine Geld- oder Haftstrafe von bis zu drei Jahren – und die betreffende Person solle für jegliche öffentliche Ämter in den USA disqualifiziert werden.

Former President Donald Trump arrives at a rally Friday, Aug. 5, 2022, in Waukesha, Wis. (AP Photo/Morry Gash)
Trump hat sich bisher noch nicht offiziell zu einer weiteren Präsidentschaftskandidatur geäussert.Bild: keystone

Allerdings weist die «New York Times» auch darauf hin, dass der Paragraf bereits kurz im Zusammenhang mit Hillary Clinton 2015 unter die Lupe genommen worden sei, die damals als voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten angesehen wurde. Damals war bekannt geworden, dass sie als Aussenministerin (2009-2013) einen privaten E-Mail-Server genutzt hatte, um Dienstmails zu verschicken.

Dafür wurde sie in einem Untersuchungsbericht des Aussenministeriums gerügt, die US-Bundespolizei FBI stellte aber später Ermittlungen gegen sie ein und sprach auch keine Anklageempfehlung aus. Clinton trat im November 2016 gegen Trump an, verlor aber. (saw)

Mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa.

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72 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Miimiip! aka Roadrunn_er
09.08.2022 13:27registriert Juli 2018
„Ein solcher Angriff könnte nur in kaputten Dritt-Welt-Ländern stattfinden, so Trump weiter. Traurigerweise sei Amerika jetzt eines dieser Länder geworden.“
Genau, einen grossen Teil zu dem ‚Dittweltland‘ Amerika hat die Orange Pfeiffe selbst dazu beigetragen. Glaube es ist das erst mal dass die Orange die Wahrheit spricht
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Mrs. Bonsai
09.08.2022 13:21registriert Februar 2014
Finde es peinlich, dass die Politiker nun gegen das FBI schiessen, obwohl diese nur ihre Arbeit machen. Und ja, auch eine Hausdurchsuchung kann gegen einen ehemaligen Präsidenten gemacht werden, sofern, wie bei allen anderen, Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Verhalten vorliegen.
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Walter Sahli
09.08.2022 13:26registriert März 2014
Und wenn dann ein Gericht nach dem anderen feststellen wird, dass das Justizministerium korrekt gehandelt hat, werden die Republikaner:innen einfach behaupten, das sei ein Beweis für den ominösen Deep State...egal, ob die Richter:innen noch von Trump eingesetzt wurden oder nicht.
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