Vor fast einem Jahrhundert erhielt der frühere US-Aussenminister Frank B. Kellogg den Friedensnobelpreis für seinen Kellogg-Briand-Pakt von 1928. Es war ein ehrgeiziger, zuletzt nicht von Erfolg gekrönter Versuch, Kriege zu ächten. Rund ein Jahrzehnt später überfiel Deutschland im Jahr 1939 seinen Nachbarn Polen und stürzte die Welt in den Zweiten Weltkrieg.
Obwohl Kritiker Kelloggs Plan deshalb später als utopisches Vorhaben abtaten, signalisierte der Pakt den ernsthaften Wunsch nach globaler Stabilität angesichts der schrecklichen Verwüstungen des Ersten Weltkriegs.
Rund hundert Jahre später soll sich wieder ein Kellogg aus Amerika um den Frieden in der Welt bemühen. Dieses Mal lautet sein Name Keith Kellogg. Zu Frank B. Kellogg, dem ehemaligen Staatsmann, hat der US-General im Ruhestand zwar keine familiären Verbindungen. Aber nachdem Donald Trump ihn an diesem Mittwoch zum «Sondergesandten für die Ukraine und Russland» ernannt hat, steht er gewissermassen vor einer weitaus grösseren Herausforderung:
Keith Kellogg soll einen Krieg beilegen, der längst zu einer globalen Krise zu eskalieren droht.
I am honored by @realDonaldTrump's appointment to serve as Assistant to the President and Special Envoy for Ukraine and Russia. It was the privilege of my life working for President Trump, and I look forward to working tirelessly to secure peace through strength while upholding… pic.twitter.com/Nj6TFFEyui
— Keith Kellogg (@generalkellogg) November 27, 2024
Dem Ex-US-General eilt ein Ruf als harter, nüchterner Militärstratege voraus. Und damit scheint Kellogg perfekt zu Trumps aussen- und sicherheitspolitischen Vorhaben zu passen. Denn seine Nominierung folgt Trumps Muster, ein aussenpolitisches Team zusammenzustellen, das seine Weltanschauung teilt. Neben Kellogg sollen auch sein neuer Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz und sein künftiger Aussenminister Marco Rubio eine Schlüsselrolle spielen, um Trumps Vision für die Rolle Amerikas auf der Weltbühne umzusetzen.
Im Zentrum dieser Strategie steht Trumps Mantra «Peace through Strength» («Frieden durch Stärke»). Dass Trump mit Kellogg einen dekorierten Veteranen mit jahrzehntelanger Militärerfahrung auf eine diplomatische Mission schickt, kann bereits als symbolischer Ausdruck dieser Maxime angesehen werden. Kellogg gilt seit Langem als zuverlässiger Verbündeter von Trump. Weil er schon als Nationaler Sicherheitsberater seines früheren Vizepräsidenten Mike Pence diente, hatte er bereits in Trumps erstem Kabinett eine wichtige beratende Funktion.
Mit der Sicherheitspolitik und der Militärlogistik ist Kellogg bestens vertraut. Was ihn für seine neue Rolle als Ukraine-/Russland-Gesandter besonders geeignet macht, ist vorwiegend seine Übereinstimmung mit Trumps aussenpolitischer Doktrin, die amerikanischen Interessen in jeder Hinsicht Vorrang einräumt und gleichzeitig konventionelle diplomatische Normen infrage stellt.
In Aufsätzen, Interviews und anderen öffentlichen Äusserungen hat Kellogg die scheidende Regierung Biden schon früh für ihr vermeintliches Zögern bei der Bereitstellung robuster militärischer Unterstützung für die Ukraine kritisiert. Noch im Juli dieses Jahres sagte er in einem Interview mit «Voice of America»:
Und weiter:
Der Ex-General setzt beim Ukraine-Krieg aber nicht nur auf militärischen Pragmatismus, sondern betont auch eine gezielte Verhandlungsführung. In seinem Aufsatz für «The National Interest» skizzierte er Ende 2023, wie eine von Trump geführte Ukraine-Strategie aussehen könnte. Er plädiert darin für sofortige Waffenstillstandsverhandlungen, gepaart mit einem klaren Bekenntnis zu Russlands geopolitischen Ambitionen. «Der Krieg muss für beide Seiten in Würde enden», schrieb Kellogg und betonte die Notwendigkeit einer Lösung, die die Souveränität der Ukraine respektiert und gleichzeitig den Sicherheitsbedenken Russlands Rechnung trägt.
Kellogg rief im Rahmen dessen auch dazu auf, die Rolle der NATO in Osteuropa neu zu bewerten. Er unterstützt zwar das Bündnis, warnt aber vor dessen Überdehnung, insbesondere vor der schnellen Expansion nach Osten. Diese Sichtweise deckt sich mit Trumps langjähriger Skepsis gegenüber der NATO, einer Institution, die er oft dafür kritisierte, dass sie den Vereinigten Staaten unverhältnismässige Lasten aufbürde. Trumps Auslegung wirkt aber zugleich auch wie ein Echo der russischen Sichtweise, die NATO sei gewissermassen schuld an der russischen, völkerrechtswidrigen Invasion der Ukraine.
Worin diese Sichtweise schliesslich münden soll, etwa in Gebietsabtretungen oder in einer verpflichteten Bündnis-Neutralität, ist zur Stunde in den USA unklar. Dass diese Optionen aber in den kommenden Monaten auf dem Tisch liegen werden, gilt als sicher.
Kelloggs Ernennung hat erhebliche Auswirkungen auf die europäische Politik, insbesondere auf Deutschland und seinen Kanzler Olaf Scholz und auch auf seine möglichen Nachfolger. Scholz wird im In- und Ausland für seinen zwar anwachsenden, zugleich aber massvollen und oft vorsichtigen Ansatz bei der Unterstützung der Ukraine immer wieder kritisiert. Wie Biden wird auch Scholz vorgeworfen, er zögere bei der Bereitstellung militärischer Hilfen (etwa bei Panzer-Lieferungen oder bei Taurus), obwohl er sich für die Unterstützung der Ukraine einsetzt. Das, was Scholz über fast drei Kriegsjahre hinweg als «besonnenes» Handeln im Gleichschritt mit den Biden lobte, könnte ihn am Ende seiner Amtszeit aus dem Takt bringen.
Ein womöglich aggressiveres Vorgehen der USA unter der Führung von Donald Trump, Mike Waltz, Marco Rubio und Keith Kellogg birgt schon jetzt die Gefahr einer Spaltung innerhalb der NATO und des Unterstützer-Bündnisses. Als sicher gilt, dass insbesondere der Druck auf Berlin steigen wird, die Unterstützung für die Ukraine zu verstärken – militärisch, aber auch finanziell.
Gen. Keith Kellogg, who Trump just named "Special Envoy for Ukraine and Russia," has said the "end game" for the war is "evicting the Russians from Ukraine," including the Donbas and Crimea, resulting in the downfall of Putin. "I don't think there's going to be any negotiations" pic.twitter.com/vJwcCtoqah
— Michael Tracey (@mtracey) November 27, 2024
Für den deutschen Kanzler könnte sich Trumps Nominierung von Kellogg als zweischneidiges Schwert erweisen. Einerseits könnte eine mögliche Lösung des Konflikts den immensen wirtschaftlichen und politischen Druck, dem Europa infolge des Krieges ausgesetzt ist, lindern. Andererseits könnte eine von Trump geführte Strategie die europäischen Stimmen ins Abseits drängen, insbesondere wenn sie den Verhandlungen zwischen den USA und Russland Vorrang vor einem breiteren Konsens einräumt.
Die Folgekosten, auch in Bezug auf eine künftige Sicherheitsarchitektur in Europa, dürfte der Kontinent zumindest während der Trump-Präsidentschaft dann hauptsächlich selbst tragen müssen. Ob Keith Kellogg wie sein Namensvetter vor hundert Jahren den Friedensnobelpreis bekommen wird, ist jedenfalls eine viel zu verfrühte Spekulation. Die Hoffnung ist aber schon jetzt gross, dass sein möglicher Plan zumindest den globalen Frieden länger wahren kann als damals.
Versetzt die Ukraine endlich in die Lage sich zu verteitigen.
Ja und auch die Schweiz darf gern mehr tun.
"Die Orange" wäre dann zwar definitiv ein von Gott gesandter Messias, aber sein Erfolg, der dann ja auch der Unsere und der tapferen Ukrainischen Held*innen wäre, würde uns sicher über dieses Fazit hinweg helfen...