Das Vermögen von Elon Musk wird zwar auf rund 260 Milliarden Dollar geschätzt. Doch selbst der reichste Mann der Welt hat nicht mal gerade 43 Milliarden Dollar flüssig. So viel Geld muss Musk jedoch aufwerfen, wenn er – wie angekündigt – für jede Twitter-Aktie 54.20 Dollar hinblättern, damit das Unternehmen vollumfänglich aufkaufen und danach wieder in Privatbesitz überführen will.
Derzeit ist Musk daher vor allem damit beschäftigt, die Finanzierung seines geplanten Twitter-Deals sicherzustellen. Bereits in dieser Woche will er einen entsprechenden Plan präsentieren. Finanzexperten schätzen, dass er Investoren braucht, die mindestens 20 Milliarden Dollar beisteuern.
Es sieht jedoch nicht gut aus. Bekannte Private-Equity-Firmen wie die Blackstone Group, Vista Equity Partners und Brookfield Asset Management sollen gemässe «Financial Times» bereits abgewinkt haben. Sie haben gute finanztechnische Gründe: Twitter ist schlicht nicht in der Lage, die hohen Schulden, die ein sogenanntes «leveraged buyout» mit sich bringt, aus dem eigenen Cashflow zu stemmen.
Kommt dazu, dass der Twitter-Verwaltungsrat inzwischen mit einer sogenannten «Giftpille» droht. Darunter versteht man Massnahmen, welche eine feindliche Übernahme durch einen Raider verhindern sollen. Die von Twitter angekündigte «poison pill» soll ein Engagement von Musk auf höchstens 15 Prozent des gesamten Aktienkapitals begrenzen.
Der Twitter-Verwaltungsrat findet auch, dass Musk zu wenig bezahlen will. Sein Angebot von 54.20 Dollar liegt zwar deutlich über dem aktuellen Kurs von rund 46 Dollar, aber auch deutlich unter den 70 Dollar, welche die Twitter-Aktie zu ihren besten Zeiten hatte.
Die Finanzgemeinde misstraut zudem Musk. Immer wieder liegt dieser mit den Behörden im Clinch. Einst hat er vollmundig via Twitter angekündigt, er wolle alle Tesla-Aktien zum Preis von 420 Dollar aufkaufen. Weil er damit den Kurs manipulierte, brachte ihm das eine 20-Million-Dollar-Busse der Börsenaufsicht SEC ein. Gleichzeitig musste er für drei Jahre das Amt des Verwaltungsratspräsidenten abgeben. Beim Erwerb des Twitter-Aktienpakets von 9,2 Prozent soll Musk erneut geschummelt und damit rund 150 Millionen Dollar verdient haben.
Wie auch immer. Die finanztechnischen Probleme können möglicherweise gelöst werden. Darum geht es Musk gemäss eigenen Angaben jedoch gar nicht. «Das ist keine Art, um Geld zu verdienen», erklärte er kürzlich an einer TED-Konferenz. «Ich habe das starke Gefühl, dass es extrem wichtig ist, dass es eine öffentliche Plattform braucht, der maximal vertraut wird und an der möglichst alle teilnehmen können.»
«Es ist entscheidend, dass es eine solche inklusive Arena gibt», führte Musk weiter aus. «Twitter ist eine Art Marktplatz geworden. Deshalb ist es so wichtig, dass die Menschen beides haben: die Realität und die Überzeugung, dass sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei äussern können.»
Musk spielt damit gleichzeitig auf die Geburtsstätte der Demokratie, die Agora der Griechen, und auf die Utopien der Pioniere des Internets an. Diese sahen einst in den sozialen Medien das wirksamste Heilmittel gegen die Diktatur und Unterdrückung. Dank Facebook und Twitter sei der arabische Frühling erst möglich geworden, hiess es noch vor rund einem Jahrzehnt.
Die sozialen Medien seien zum grössten Feind der Putins, Xis und den Ayatollahs dieser Welt geworden. Der Politologe Jeremy Rifkin verstieg sich gar zur These, wonach dank ihnen eine «empathische Zivilisation» in greifbare Nähe gerückt sei.
Heute sieht die Realität anders aus. Das Internet hat primär einen Siegeszug der Pornografie und der Hetze ermöglicht. Russlands Geheimdienste verbreiten via Facebook & Co. Lügen und Propaganda. China hat die freie Rede weitgehend aus den sozialen Medien verbannt, während im Westen die Hassreden auf diesen Plattformen zu einem ernsten Problem geworden sind.
«Was Musk nicht begriffen hat, ist die Tatsache, dass es heute eine Moderation braucht, wenn man die freie Rede schützen will» erklärt daher Katie Harbarth in der «Washington Post». Sie war einst bei Facebook für die Öffentlichkeitspolitik zuständig.
Auch Yishan Wong, der ehemalige CEO der Internet-Plattform Reddit, stösst ins gleiche Horn: «Das Internet ist nicht der Ort, an dem sich die Menschen frei bewegen können», tweetete er. «Die gesamte Welt tummelt sich darauf, und sämtliche Kulturkriege werden dort ausgetragen.»
Eine Agora im Cyberspace, von der Musk träumt, ist daher eine Illusion. Kommt dazu, dass er selbst politisch gesehen ein wandelnder Widerspruch ist. Gerne bezeichnet sich Musk als libertär, hat jedoch nichts gegen staatliche Subventionen, wenn sie ihm wie im Falle von Tesla nützen. Unter Absingen wüster Lieder – die strenge Covid-Politik sei ihm zu diktatorisch – hat Musk das Tesla-Hauptquartier von Kalifornien nach Texas verlegt. Er hat es jedoch nicht gewagt, gegen den noch weit härteren Lockdown in China auch nur mit einem Wort aufzumucken.
Politisch lässt sich Musk ohnehin nur schwer einordnen. Die Tatsache, dass die äusserste Rechte ihn nun als Held der freien Meinungsäusserung feiert, wirkt nun nicht wirklich vertrauensbildend. «Elon Musk ist unsere letzte Hoffnung», jubelte beispielsweise Tucker Carlson auf Fox News. Ob er damit recht erhält, ist jedoch fraglich. Einmal mehr wandelt Musk auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn.
Hab ich nie verstanden, wie das gehen soll. Aber das kann man wahrscheinlich auch gar nicht verstehen, weil es letztlich nur beweist, was für ein abstruser Quark diese ganze libertäre Quatschideologie ist.