Die ersten strafrechtlichen Urteile in der Aufarbeitung des Diesel-Skandals sind gefallen. Das Landgericht München verurteilte Ex-Audi-Chef Rupert Stadler wegen Betrugs zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Damit verlässt den Saal als freier Mann.
Auch die beiden Mitangeklagten - der frühere Chef der Motorentwicklung und spätere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie der Ingenieur P. - erhielten Bewährungsstrafen wegen Betrugs. Der 2015 in Deutschland aufgedeckte Diesel-Skandal hatte die ganze Branche erschüttert und Milliardenschäden verursacht.
Hatz wurde zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt, P. zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Zudem müssen alle drei Angeklagten hohe Bewährungsauflagen zahlen: Stadler 1,1 Millionen Euro, Hatz 400'000 und P. 50'000 Euro. Sie müssen auch die Kosten des Verfahrens in Millionenhöhe tragen.
Das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten, der als Kronzeuge früh gestanden hatte, wurde bereits im April gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Stadler ist als ehemaliger Audi-Chef zwar der prominenteste der drei Verurteilten, die Vorwürfe gegen Hatz und P. wiegen allerdings schwerer: Nach eigenem Geständnis hatten sie dafür gesorgt, dass die grossen Dieselmotoren die Grenzwerte zwar auf dem Prüfstand einhalten, nicht aber auf der Strasse.
Ziel war es, sich den nachträglichen Einbau grösserer Adblue-Tanks für die Abgasreinigung zu sparen, nachdem sich die Techniker des Konzerns verrechnet hatten. Abteilungsleiter P. soll damals von seinen Mitarbeitern «intelligente Lösungen» gefordert haben, um die kaum erfüllbaren Erwartungen von oben zu erfüllen.
Stadler hatte jahrelang seine Unschuld beteuert. Erst nach dem Hinweis des Gerichts auf eine drohende Gefängnisstrafe gestand der 60-Jährige im Mai, nach dem Auffliegen des Skandals 2015 in den USA den Verkauf von Autos mit manipulierten Abgaswerten in Deutschland viel zu spät gestoppt zu haben.
Nun ist er zwar als Betrüger verurteilt, kann aber das Gericht als freier Mann verlassen. Die Haftbefehle gegen alle drei Angeklagten, die bisher unter Auflagen ausser Vollzug waren, wurden aufgehoben.
Stadler war 2007 Chef der VW-Tochter geworden. Unter seiner Führung hatte Audi Umsatz und Betriebsgewinn verdoppelt. Die US-Behörden hatten Ende 2015 die Tricksereien bei VW-Dieselmotoren, wenig später auch bei grossen Audi-Dieselmotoren bei den Modellen für den US-Markt aufgedeckt.
Trotz zunehmender Hinweise auf Manipulationen auch bei den in Europa verkauften Modellen liess Stadler den Verkauf hier aber bis Ende 2017 weiterlaufen. Ab Juni 2018 sass er wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft - vier Monate lang, bis zu seinem Rücktritt als Audi-Chef und VW-Vorstandsmitglied. An den Volkswagen-Konzern hat er inzwischen 4,1 Millionen Euro Schadenersatz wegen Pflichtverletzung gezahlt.
In Braunschweig stehen seit September 2021 vier frühere Topmanager des Volkswagen-Konzerns wegen möglichen Betrugs in der Dieselaffäre vor Gericht. Das Verfahren gegen VW-Chef Martin Winterkorn liegt krankheitsbedingt auf Eis.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hat schon 2020 vier weitere ehemalige Audi-Manager angeklagt - drei ehemalige Vorstandskollegen Stadlers und den langjährigen Leiter der Hauptabteilung Dieselmotoren bei Audi. Ob und wann dieser Prozess beginnt, ist noch offen. Er könnte vor derselben Kammer von Richter Weickert stattfinden. Gegen neun weitere Beschuldigte ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft noch.
(aeg/sda/awp/dpa)