Der amerikanische Finanzminister hat am Mittwoch sein Gesellenstück präsentiert: Erstmals ist es Scott Bessent gelungen, einen wichtigen bilateralen Vertrag auszuhandeln. Seite an Seite mit der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko setzte der 60 Jahre alte Minister stolz seine Unterschrift unter ein Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine, mit dessen Hilfe der Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes finanziert werden soll.
Und weil Bessent auch in den anstehenden Handelsgesprächen zwischen den USA und der Schweiz eine zentrale Rolle spielen wird, lohnt sich ein genauer Blick auf das Verhandlungsergebnis.
Auffallend ist, wie dramatisch die Gespräche verliefen. Da war, vor zwei Monaten, der Eklat im Weissen Haus, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eigentlich eine erste Version des Abkommens hätte unterzeichnen sollen. Dazu kam es nicht, weil sich Selenskyj mit dem amerikanischen Vizepräsidenten JD Vance in die Haare geriet und dann von Hausherr Donald Trump kurzerhand aus dem Weissen Haus spediert wurde.
Auch am Mittwoch war bis zur letzten Minute unklar, ob Bessent und Swyrydenko den Pakt unterzeichnen würden. Zwar scheinen sich Trump und Selenskyj nun wieder gut zu verstehen, nach ihrer Unterredung am vergangenen Samstag in Rom, am Rande der Papst-Beerdigung. Noch am Mittwochnachmittag, wenige Stunden vor der feierlichen Unterzeichnung im Finanzministerium, stritten sich die Delegationen über einzelne Punkte.
Die ukrainische Seite machte Bedenken über die Rechtmässigkeit von Ausführungsbestimmungen des Rohstoffpakts geltend; sie besitze gar nicht die Kompetenz, soll die Wirtschaftsministerin gesagt haben, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen. Bessent schaltete auf stur und hielt Swyrydenko gemäss der «Financial Times» entgegen, sie werde mit leeren Händen nach Hause reisen, wenn sie nun Zugeständnisse verlange.
Das Ergebnis zeigt: Swyrydenko hat den Machtkampf mit dem Amerikaner wohl gewonnen. Auf dem Internet-Dienst X verkündete die ukrainische Ministerin, das Abkommen müsse nun noch vom ukrainischen Parlament genehmigt werden, bevor es in Kraft treten könne.
Auch sonst scheint es der Ukraine in den vergangenen zwei Monaten gelungen zu sein, einige höchst umstrittene Punkte aus dem Abkommen zu entfernen. So wird der staatliche Energieversorger Energoatom, der unter anderem das AKW Saporischschja betreibt, nicht in den geplanten Fonds aufgehen, in den 50 Prozent der Erlöse aus neu erschlossenen Rohstoffvorkommen wie Aluminium oder Grafit fliessen werden.
Das Abkommen enthält ausserdem definitiv keinen Passus mehr, wonach die Ukraine die USA für bereits geleistete Militärhilfe in Milliardenhöhe entschädigen müsse. Künftige Waffenlieferungen der Amerikaner, Swyrydenko erwähnte zum Beispiel Luftabwehrsysteme, würden aber als US-Zustupf zum Fonds betrachtet.
Der Ukraine scheint es gelungen zu sein, den Fonds mit dem Ziel von Kiew, der Europäischen Union beizutreten, in Einklang zu bringen. Zudem sollen sämtliche Profite aus der gemeinsam von Washington und Kiew verwalteten Kasse in den ersten 10 Jahren in den Wiederaufbau der Ukraine fliessen. Im Gegenzug bekommt die Ukraine die Garantie, dass sich kapitalstarke amerikanische Firmen im Land niederlassen werden. Sämtliche Rohstoffe blieben aber grundsätzlich unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung, sagte die Wirtschaftsministerin.
Auch die Zusicherung von Bessent, dass seine Regierung an einer «freien, souveränen und wohlhabenden Ukraine» interessiert sei, deutet auf einen Punktesieg für Kiew hin – selbst wenn die USA auf direkte Sicherheitsgarantien verzichtet haben. Trump hatte zuletzt in der vergangenen Woche noch freundliche Worte für Russlands Präsident gefunden und gesagt, es sei schon eine grosse Konzession für Wladimir Putin, wenn dieser sich nicht die gesamte Ukraine unter den Nagel reisse.
«Wir haben ein Abkommen ausgearbeitet, das für beide Länder vorteilhafte Bedingungen schafft», sagte deshalb die Wirtschaftsministerin Swyrydenko auf dem Internetdienst X. Das sind eigentlich Töne, wie sie in «The Art of the Deal», dem Bestseller von Donald Trump aus den Achtzigerjahren, nicht vorgesehen sind.
Und das sind gute Aussichten für die Schweizer Verhandlungsführer, die mit Bessent bald über Handelsfragen sprechen werden und mit dem Finanzminister einfach ein bisschen Geduld beweisen müssen. Vielleicht kann ja die ukrainische Wirtschaftsministerin noch ein paar Verhandlungstipps abgeben ... (bzbasel.ch)