Seine Kritiker nennen den bulgarischen Politiker Kostadin Kostadinov beim Spottnamen «Kosta Kopeke», in Anspielung auf die kleinste russische Geldeinheit. Kostadinov ist Chef der rechtsextremen Partei Wasraschdane, zu Deutsch Wiedergeburt. Und die gilt als besonders kremltreu, selbst unter anderen europäischen Rechtsextremisten.
Verfemt ist sie unter ihresgleichen dennoch nicht. Wasraschdane belegt drei Sitze im Europäischen Parlament, dort gehört sie zur Fraktion Europa der Souveränen Nationen, die im August von Parteien aus acht Ländern gegründet wurde und als besonders radikal eingestuft wird. Mit von der Partie: die AfD, die kurz vor der Europawahl aus ihrer bisherigen Fraktion ausgeschlossen worden war.
Die Rechten aus Deutschland und aus Bulgarien, sie können gut miteinander. Das liegt an ihrer Sympathie für Russland, aber auch an Persönlichkeiten wie Parteichef Kostadinov und seiner Vertrauten Rada Laykova. Sie gilt als Bindeglied zwischen beiden Parteien. Laykova nimmt an Vernetzungstreffen teil, führt AfD-Politiker nach Bulgarien – und arbeitet an einer deutsch-bulgarischen Neuorientierung gen Moskau.
Die Avancen an die AfD sind nicht neu und sie entfalten sich nicht nur in der europäischen Hauptstadt Brüssel. Schon im Juli 2023 standen Kostadinov und Laykova gemeinsam auf der Bühne des AfD-Parteitags in Magdeburg. Bulgarien und Deutschland seien im vergangenen Jahrhundert zweimal verbündet gewesen, sagte da Kostadinov und bezog sich auf den Ersten und Zweiten Weltkrieg. Es sei höchste Zeit, dass Deutschland wieder seinen rechtmässigen Platz als europäische Grossmacht einnehme, «und das nicht nur in Europa.» AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah lobte den Wasraschdane-Vorsitzenden:
Laykova, die Kostadinovs Rede übersetzte, war zu diesem Zeitpunkt noch Europapolitik-Referentin der AfD im Berliner Bundestag, heute sitzt sie mit Kostadinov im EU-Parlament. Im August 2024 verkündete sie auf Instagram, die AfD und Wasraschdane würden «gemeinsam für ein Europa der Vaterländer kämpfen». Die prorussische Linie beider Parteien ist offensichtlich: Zu Laykovas Mitstreitern im EU-Parlament gehört unter anderem ein kremlnaher Journalist, der zuvor für einen öffentlich-rechtlichen Radiosender in Bulgarien moderiert hatte und wegen prorussischer Propaganda vom Programmrat diszipliniert wurde.
Vertreter von Wasraschdane reisten auf Einladung des Kreml in diesem Jahr zweimal nach Russland. Parteianhänger solidarisierten sich nach dem Einmarsch in der Ukraine mit Russland, indem sie das Z-Symbol zeigten. Die AfD wiederum forderte in ihrem Europawahl-Programm eine Normalisierung der Beziehungen mit Russland und eine Abschaffung der Sanktionen.
Ehrensache daher, dass sich Parteivertreter zu Unterstützern des antiwestlichen Kurses der bulgarischen Kollegen machen. Laykova besuchte am 3. März dieses Jahres, dem bulgarischen Nationalfeiertag, gemeinsam mit AfD-Abgeordneten die südöstlichste EU-Aussengrenze zwischen Bulgarien und der Türkei. Sie führte die Delegation an den geschichtsträchtigen Schipka-Pass ins zentrale Balkangebirge. Dort hatten sich die Bulgaren Ende des 19. Jahrhunderts mit russischer Hilfe von der osmanischen Fremdherrschaft befreit. Ein Video zeigt Laykova singend mit Parteichef Kostadinov, daneben den AfD-Abgeordneten Rainer Rothfuss in einem Meer aus russischen und bulgarischen Fahnen. NDR-Recherchen weisen ihm eine Nähe zu den russischen Nachtwölfen nach, einer ultranationalistischen Motorradgang.
Rumena Filipova forscht am Sofioter Institute for Global Analytics (IGA), einem unabhängigen Thinktank. Sie sagt, russische Propaganda werde in Bulgarien genau an jenen Feiertagen aktiviert, die kritische Zeitpunkte in der Geschichte des Landes markieren: «Wasraschdane instrumentalisiert den bulgarischen Nationalfeiertag – und das mit internationaler Unterstützung.» Letztendlich gehe es der Partei darum, die Rolle Russlands in Bulgarien und somit auch innerhalb der EU weiter zu stärken.
Bulgarien gilt innerhalb der Union als Hauptziel für die Narrative des Kreml. 2023 gab die Sofioter Stiftung für humanitäre und soziale Recherchen HSS bekannt, dass im Land fast 400 sogenannter Mushroom-Sites aktiv seien; Internetseiten also, die massenhaft erstellt werden, um Desinformation im Sinne der russischen Regierung zu verbreiten. Die Propaganda hat den Sprung vom Digitalen ins Analoge längst geschafft. Und sie hat das Potential, so folgert es eine Studie, Grundrechte in Gefahr zu bringen – etwa dadurch, dass sexuelle Minderheiten entmenschlicht werden.
Im eigenen Land feiert Wasraschdane bereits Erfolge. Im August brachte die Partei eine Gesetzesnovelle zum Verbot nicht heterosexueller Themen in Schulen ein. Das Gesetz passierte das Parlament im Schnellverfahren. Lehrer aus der bulgarischen Hafenstadt Varna, die sich in einer Petition gegen das Gesetz aussprachen, wurden von Parteivertretern auf einer schwarzen Liste gepostet und öffentlich unter Druck gesetzt. «Dass wir diese Schlacht gewonnen haben, heisst nicht, dass wir den Krieg gewonnen haben», postete Laykova nach Verabschiedung des Gesetzes auf Facebook. IGA-Forscherin Filipova sagt, Wasraschdane habe seit Jahren massive Desinformation über eine vermeintliche Gender-Ideologie verbreitet. Ein nennenswerter Aufschrei dagegen sei ausgeblieben: «Die Öffentlichkeit war bereits an die hasserfüllte Propaganda gewöhnt.»
Rada Laykova werkelt indes weiterhin kräftig an der rechten europäischen Vernetzung. Erst im Oktober nahm sie als Vertreterin von Wasraschdane an einem internationalen Frauenkongress teil, der von AfD-Politikerin Irmhild Bossdorf organisiert wurde. Ein Foto der Veranstaltung zeigt Laykova strahlend neben deren Tochter Reinhild Bossdorf. Die wiederum gibt sich im Netz als Expertin für Marmeladenrezepte aus – und ist Gründerin einer rechtsradikalen Frauenorganisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.Eine Anfrage von ZEIT Online zu ihren Vernetzungsaktivitäten liess Rada Laykova unbeantwortet.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.