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Kurt Krömer konfrontiert Julian Reichelt: Beim Kokain kippt die Stimmung

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Krömer vs. Reichelt: Beim Kokain kippt die Stimmung

In seiner Fernsehsendung trägt Kurt Krömer keine Samthandschuhe. Ob ihm die konfrontative Gesprächsführung auch bei Ex-«Bild»-Chef Julian Reichelt gelingt?
16.11.2022, 15:06
Steven Sowa / t-online
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t-online

Es ist Freitagabend in Berlin, der Admiralspalast bis zum letzten Platz gefüllt. Als Kurt Krömer an diesem 11. November die Bühne für sein «Die Gönnung steigt»-Programm betritt, dauert es keine halbe Stunde, bis er seine Sendung «Chez Krömer» thematisiert. Julian Reichelt sei sein nächster Gast, erzählt der Comedian und beendet seinen Satz mit der Imitation eines Kotzgeräuschs.

Noch einmal blickt er ins Publikum, hält sich die Hände vor das Gesicht und gibt vor, sich übergeben zu müssen. Kurt Krömer, so muss man das verstehen, findet Julian Reichelt zum Kotzen. Tatsächlich hat die Aufzeichnung der Sendung wenige Wochen zuvor stattgefunden – und mit Übelkeit ist das dort Produzierte in vielerlei Hinsicht gut beschrieben.

«Sie machen sich zum willigen Vollstrecker, auf sehr ekelhafte Weise.» Sätze wie dieser fliegen durch die Luft des vom RBB als «Verhörraum» betitelten Fernsehstudios. Die Stimmung ist – gelinde gesagt – angespannt. Kurt Krömer hat in seine Sendung geladen und Julian Reichelt ist dem Angebot gefolgt. Nun sitzt er bei einem öffentlich-rechtlichen Sender, muss sich bei «Chez Krömer» unangenehme Fragen gefallen lassen.

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Der 47-jährige RBB-Moderator ist nicht dafür bekannt, seinen Gästen eine Wohlfühlatmosphäre zu bieten. Im Gegenteil. Ein schmuckloser Raum, ein einfacher Holztisch, auf dem nur ein Aschenbecher, ein altes Telefon und zwei Gläser stehen. Daran also diesmal zwei Männer über 40, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

«Achtung, Reichelt!» wird zur Nebensache

Kurt Krömer, bürgerlich Alexander Bojcan, der kürzlich seine Depression öffentlich machte, alleinerziehender Vater vierer Kinder, seit fast 20 Jahren beim RBB. Ihm gegenüber Julian Reichelt, ehemaliger «Bild»-Chefredakteur, der im Oktober 2021 nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs seinen Posten verlor und seit diesem Jahr einen eigenen YouTube-Kanal betreibt.

Doch Letzteres wird zur Nebensache, Krömer degradiert den neuen Internetauftritt des Boulevardjournalisten zur Randnotiz, räumt dem Kanal «Achtung, Reichelt!» mit 225'000 Abonnenten lediglich die letzten drei Minuten seiner halbstündigen Sendung ein. Nur dessen undurchsichtige Finanzierung scheint von Interesse: «Wie werden die Leute bezahlt?», will Krömer mit Blick auf einige ehemalige «Bild»-Mitarbeiter wissen, die Reichelt abgeworben hat. Antwort: «Das ist vertraulich.»

Recherchen von t-online hatten bereits Hinweise zusammengetragen, wonach der Medienmacher eine Kooperation mit dem konservativen Milliardär Frank Gotthardt eingegangen ist. Kurt Krömer erwähnt den Namen ebenfalls, deutet an, dass Gotthardt für die Bezahlung der inzwischen rund 20 Mitarbeiter verantwortlich ist. Doch Reichelt: wiegelt ab, schweigt, versucht die Spitzen Krömers wegzulächeln.

«Das ist halt mein Privatleben»

Eine Strategie, die in dem Gespräch bereits zuvor zu beobachten ist. Denn die sprichwörtlichen Fetzen fliegen vor allem bei einem Thema: dem des unrühmlichen Endes von Reichelts «Bild»-Karriere. Nach Recherchen des Ippen-Investigativteams, der «New York Times» und des «Spiegel» wird ihm Machtmissbrauch im Umgang mit Kolleginnen vorgeworfen. Krömer braucht in seiner Sendung 13 Minuten, um auf dieses Thema zu sprechen zu kommen – beisst sich dann aber an einem überraschend schmallippigen Julian Reichelt die Zähne aus.

Reichelt betrachte diese «abscheuliche, abstossende und verleumderische Berichterstattung als Teil einer Kampagne, die sich meines Privatlebens ermächtigt hat». Er werde deshalb dazu nichts sagen, weil es sein «Privatleben» betreffe. Ein Argument, das er in der Folge gebetsmühlenartig wiederholt. «Dazu werde ich einfach nichts mehr sagen», «Das ist halt mein Privatleben», «Das sind die Dinge, über die ich nicht mehr sprechen werde, weil sie einfach mein Privatleben berühren».

Das Ende der Zusammenarbeit mit Reichelt hatte Springer im Oktober so begründet: «Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat.»

Bei Kurt Krömer gibt Julian Reichelt nun zu: von Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner sei er «enttäuscht». Doch viel mehr bekommt der RBB-Moderator nicht aus ihm heraus. Auch nicht, als er eine anonymisierte «Betroffene», wie Krömer sie nennt, per Einspieler in den Verhörraum holt. Sie arbeite im «beruflichen Umfeld» von Reichelt und könne bestätigen, dass dieser «Kokain konsumiert». «Ich kann mich an einen Abend erinnern, an dem er fünf bis sieben Lines gezogen hat und ich kann mir nicht vorstellen, dass er am nächsten Tag schon nüchtern war», so die nicht namentlich genannte Frau.

Drogenvorwürfe streitet Reichelt vehement ab

Der 42-Jährige bestreitet die Vorwürfe, verneint gegenüber Krömer mehrmals, Drogen zu nehmen. Den Einspieler bezeichnet er als «anonymisierten Schmutz». Es ist der Moment, bei dem die Stimmung zwischen den beiden Männern endgültig kippt. «Sie machen hier etwas, das unlauter ist und das verbitte ich mir. Wenn Sie das weiter machen, dann kann ich hier nicht weiter daran teilnehmen», so Reichelt, der dem Moderator unterstellt: «Das ist das, was Sie so abstossend finden». Gemeint sei damit die vermeintlich tendenziöse Methode, mit der Krömer sein Gegenüber aus der Reserve locken will.

Kurt Krömer zeigt sich unbeeindruckt, bohrt immer wieder nach bei dem Thema, dringt darauf, dass sein Gegenüber mit der Sprache herausrückt. «Jetzt hören Sie doch mal auf, dass Sie sich hier als Opfer darstellen», entgegnet er Reichelt, der nun sichtbar in Rage geraten ist, und holt anschliessend eine Klageschrift aus seinem Schrank. Eine Frau in den USA, die unter Reichelt bei der «Bild» gearbeitet habe, klage nun gegen das Boulevardblatt und Springer. «Hier drin steht 15 Mal, dass sie sich als Opfer gesehen hat», zitiert Krömer aus dem Papier.

Reichelt halte diese Vorwürfe für «vollständig gelogen und erfunden» – und holt dann zu dem bereits eingangs zitierten Gegenschlag aus. «Sie machen sich zum willigen Vollstrecker, auf sehr ekelhafte Weise.» Es ist wohl der rhetorische Tiefpunkt in dieser an verbalen Scharmützeln nicht armen TV-Auseinandersetzung – und man kann es niemanden verdenken, danach mit Übelkeit zu kämpfen zu haben.

Verwendete Quellen:

  • RBB: Chez Krömer vom 14. November 2022
  • Eigene Beobachtungen am 11. November im Admiralspalast
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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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tr3
16.11.2022 15:49registriert April 2019
Man kann Max Goldt nicht oft genug zitieren:

„Die Bild-Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.“

Alles richtig gemacht, Krömer.
7512
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R10
17.11.2022 07:43registriert Juli 2016
Lustig wie der Berufsvoyeur Reichelt sich seine Karriere einzig darauf aufgebaut hat, im Privatleben von unzähligen Leuten herumzuschnüffeln und jetzt wo es um ihn selber geht, plötzlich nichts mehr zu seinem Privatleben sagen will. Ein charakterloser Hetzer, in jeglicher Hinsicht.
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