Ich habe einen Artikel über die Live-Action-Verfilmung von «Schneewittchen und die sieben Zwerge» geschrieben. Und boy, oh boy, hattet ihr viel dazu zu sagen:
Offen gesagt beschäftigt mich die Verfilmung auch sehr – aber nicht wegen der Hautfarbe von Schneewittchen. Die ist mir ziemlich schnurz.
Was mich beschäftigt und warum Disney einfach nicht begriffen hat, was Feminismus und wahre Liebe miteinander zu tun haben? Hier ein Versuch, meine Gedanken zu ordnen:
Disney verfilmt «Schneewittchen» neu. Dabei wird Schneewittchen von einer Halb-Kolumbianerin gespielt, die Zwerge wurden gestrichen und durch sieben magische Wesen ersetzt, die von People of Color und Frauen dargestellt werden. Der Prinz wird ganz weggelassen, weil Schneewittchen eine Anführerin werden soll und nicht von Liebe träumt.
Viele kritisieren das und verurteilen Disney stark. Hier kannst du den Artikel dazu lesen.
Zwei kurze Anmerkungen:
1. Wenn ich im folgenden Text vom «Original» spreche, meine ich nicht die Märchenversion, so wie sie die Gebrüder Grimm notiert haben, sondern die Disneyversionen ab 1937.
2. Ich werde hier keine Rassismus-Debatte führen. Als weisse, privilegierte Frau bin ich in meinem Leben nie Opfer von Rassismus geworden. Das Einzige, was ich also dazu sagen kann: Ich finde, Rachel Zegler ist ein sehr passendes Schneewittchen. Wenn ihre Hautfarbe online kein Thema gewesen wäre, hätte ich nicht einmal gemerkt, dass sie nicht «hellhäutig genug» ist für die Rolle.
Worüber ich aber sprechen möchte, ist das Narrativ, das in den neuen Disneyprinzessinnen-Filmen vertreten wird. Dieses besagt nämlich immer wieder, dass Frauen alle toughe Anführerinnen sind und Männer als eklige Stalker ansehen. Weil Liebe ist ja voll grusig, wääääh!
Don't get me wrong. Es ist toll und extrem wichtig, jungen Frauen aufzuzeigen, dass sie Anführerinnen werden können, wenn sie dies möchten. Doch momentan kippt die Thematik immer mehr dahin, dass man als Frau nur noch Feministin ist, wenn man einen CEO-Posten innehat und die Welt regiert. Man steckt also die Frauen von der Hausfrauen-Box in die Leaderinnen-Box, wo sie wieder nur eines sein dürfen. Das ist weder divers noch feministisch.
Das ist Sexismus. Einfach neu verpackt.
Ich bin der Meinung: Feminismus bedeutet, dass Frauen aus freien Stücken entscheiden können, wer sie sein wollen und was sie machen möchten. Ob das Mama ist oder CEO. Oder CEO, die Mama ist.
Es macht also nicht wirklich Sinn, Schneewittchen zu einer Anführerin zu machen. Wenn ein Skript gut geschrieben wäre, würde Schneewittchen auch als Hausfrau zu einem feministischen Vorbild werden.
Wenn sie jetzt aber wirklich eine Anführerin sein muss, wieso nicht mit den Attributen, die den Charakter über Jahrzehnte so beliebt gemacht haben? Nämlich: Liebe, Fairness und Verbundenheit mit allen Wesen. Wieso sollte sie keine Anführerin sein, die mit Liebe und Fairness regiert? Wie wäre es, aufzuzeigen, dass Mitgefühl keine Schwäche ist und durch Fairness unglaublich viel erreicht werden kann?
(Mir ist durchaus bewusst, dass es in unserer Gesellschaft fast unmöglich ist, ohne Toughness zur Chefin zu werden. Disney sollte aber dieses Narrativ nicht weiter verstärken, sondern eher die Fehler an diesem System aufzeigen.)
Bevor jetzt kommt: «Der Film ist ja noch gar nicht draussen, schau ihn dir doch erst mal an.» Ich habe auch so allen Grund zur Annahme, dass Schneewittchen nicht mit Liebe regieren wird. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass einer Disney-Protagonistin ihre «weiblichen» Charakterzüge weggenommen und durch Toughness ersetzt werden. Als Beispiel: Mulan.
Mulan ist im originalen Disneyfilm aus dem Jahr 1998 eine tollpatschige, fürsorgliche und impulsive junge Frau, die sich als Mann ausgibt, um für ihren Vater in den Krieg zu ziehen.
Im Remake aus dem Jahr 2020 werden Mulan alle ihre Macken, die sie so menschlich und relatable machen, weggenommen. Sie bekommt magische Kräfte und ist sozusagen unantastbar. Sie ist eine – ziemlich herzlose – starke Frau, die für ihr Land kämpft. Das macht die Geschichte nicht nur langweilig, sondern nimmt dem Charakter auch alle Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.
Ich nehme an, bei Schneewittchen wird das Gleiche passieren. Wenn nicht, umso besser. Rachel Zegler hat es aber bereits angetönt:
Einen der meiner Meinung nach schlimmsten Fehler macht Disney aber bei etwas anderem. Den neuen Geschichten wird nämlich das weggenommen, was sie so magisch und auch heute noch relevant macht: die wahre Liebe.
Bei Mulan wie auch bei Schneewittchen wurden die Liebesbeziehungen gestrichen. Ein Entscheid, den ich, um es nett auszudrücken, beschissen finde. Disney vermittelt dadurch, dass toughe Frauen keine Liebe brauchen und Männer in ihrem Leben überflüssig sind. Was einfach nicht der Wahrheit entspricht.
Again, don't get me wrong: Ich finde auch, dass die heutigen Liebesfilme durchaus noch verbesserungswürdig sind. Etwa wird in vielen Geschichten weiterhin vermittelt, dass die Frau vom Mann gerettet werden muss und eine Frau ohne Mann oftmals keinen Lebensinhalt hat. Letzteres hat Disney jedoch auch schon vor der «Verwokefizierung» nicht vermittelt. Im originalen «Schneewittchen» ist der Prinz während zwei Minuten des Films zu sehen. Beim originalen «Mulan» dreht es sich grösstenteils um die Rettung von China.
Und selbst wenn die Liebe der Mittelpunkt der Geschichten wäre: Liebesgeschichten sind etwas Gutes und dürfen erzählt werden! Jeder Mensch braucht Zuneigung und sehr viele Menschen möchten romantische Zuneigung. Auch mein Leben hat sich schon oft um Männer gedreht. Ich habe gerne einen Partner an meiner Seite und ich bin nicht bereit, mich dafür zu schämen, nur weil Disney das nicht als #girlboss genug ansieht. Es bedeutet nämlich nicht, dass ich keine eigenen Interessen habe oder nur das Anhängsel meines Partners bin. Um hier Chers ikonische Zeilen zu quoten:
Ich brauche Männer nicht zum Überleben, ja, aber ich will nun mal Liebe und Zärtlichkeit in meinem durchaus feministischen Leben. Und ein Prince Charming gibt mir genau das. Solang es nicht der von Shrek ist. Obwohl ...
Noch zum Schluss: Natürlich ist mir bewusst, dass Disney solche Remakes «divers» macht, weil der Konzern weiss, für welchen Aufruhr das Ganze sorgt. Er bekommt dadurch gratis Promotion und ich spiele mit meinen Artikeln auch noch mit. Überhaupt nicht #girlboss von mir, sorry.
1. Rassismus trifft alle, egal welche Hautfarbe/Herkunft
2. Weiss und privilegiert? Wir sind nicht in amerika, wo anderen hautfarben zugang zu bildung und co. erschwert wurden, lasst diese probleme wo sie herkommen, danke
Ansonsten stimme ich zu.
Diese ganzen #bossgirl filme stellen die Heldin krampfhaft als unabhänging, stark und einzelgänger dar, was einfach nicht schön zu schauen ist, während bei männern mit selbstironie + sich aufopfern gearbeitet wird, was viel mehr unterhaltungswert bietet