TasteAtlas ist die Online-Enzyklopädie der Kulinarik und deren Kulturgeschichte – quasi ein Weltatlas der traditionellen Gerichte aus aller Welt. Über 10'000 Speisen und Gerichte sind dort katalogisiert und beschrieben.
Und jedes dieser Speisen bekommt von jedem User ein Rating – was unter anderem auch bedeutet, dass Rankings erstellt werden können. Die besten Gerichte der Welt, etwa – oder die schlechtesten. Die beliebtesten Käsesorten. Die beliebtesten Suppen, Fleischgerichte, Brote, Desserts ... und auch – seit Neustem – Guetzli.
Und das, laut abertausenden TasteAtlas-Usern, sind die 50 besten Guetzli der Welt:
Das Ranking wurde zudem auf 100 ausgeweitet – zu überprüfen HIER.
Okay, okay, OKAY. Dazu habe nun ich ein paar Meinungen:
... wo hört ein Cookie (also ein Guetzli, ein Keks, a biscuit) auf, ein Cookie zu sein und wo beginnt es ein ... naja ... ein Dessertgebäck zu sein?
Wikipedia zumindest definiert es schon mal als «Gebäck». Und der entsprechende Artikel auf Englisch beschreibt es als «a confectionary» – ein Konfekt. Und der spanische Wiki-Artikel für alfajores latinoaméricanos wiederum redet von «un postre dulce» – eine Nachspeise, also. Cookies my arse.
Les macarons? Sont-ils des biscuits? Bof.
Und Nürnberger Lebkuchen gleich auch noch. Hey, der Hinweis steckt schon im Namen: LebKUCHEN! Und übrigens: So geil sind Nürnberger Lebkuchen gar nicht. Zumindest sicherlich nicht um 13 Ränge besser als Snickerdoodle Cookies, etwa.
... die niemals in eine «50 Best Cookies»-Rangliste gehörten.
Das Wort «sablé» bedeutet gar wortwörtlich «versandet». Noch Fragen? Ach, was für eine Verschwendung von Platz im Mund!
Zimtsterne! Die besten Weihnachtsguetzli überhaupt! Auf Platz ... 34? Und – wie bitte? – die sollen *Deutsch* sein?
Und, hey, Linzer Augen (Platz 59) und Occhi di bue (Platz 85) sind doch tamminomol Spitzbuebe, oder nicht?
Jedenfalls ist die Schweiz in der gesamten Rangliste mit keinem Wort erwähnt. Keine Japonais, keine Mandelplätzli, keine Petit Beurre mit Schoggi. Pfff.
... GINGER NUTS.
(Auch Ginger Snaps genannt.)
Dicht gefolgt von allen Cookie-Varianten, die in irgendeiner Form Erdnussbutter beinhalten. Das muss ich hier einfach mal kategorisch konstatieren.
Eine Rangliste der besten Cookies – geht das überhaupt? Vor einigen Jahren (anno 2017) führte watson ein Experiment durch:
Es ging darum, «abschliessend und ultimativ» das beste Guetzli aus einer Auswahl 28 verschiedener Varianten zu eruieren. Den ersten Platz teilten sich Prussiens mit ... Kambly Bretzeli. Kambly Bretzeli? Im Ernst, jetzt? Wenn Kambly Bretzeli derart viel besser als Chocolate Chip Cookies (bei watson wie bei TasteAtlas auf Rang 3) sind, wieso werden sie dann nicht weltweit verkauft?
Seht, Essensvorlieben sind immer mit Erinnerungen und Emotionen verknüpft. Kindheitserinnerungen, etwa, sind aufgrund ihrer emotionalen Bindung meist überrepräsentiert. Ebendarum ist die beste Pasta immer die von Mama. Deshalb ist der beste Schoggikuchen stets der von Grosi. Und das beste Guetzli der Welt ist natürlich das, welches man als Kind zur Belohnung bekam, wenn man etwas gut gemacht hatte. Oder jenes, das Grossmami immer zum Tee auftischte – weil wir unser Grosi so sehr liebten und sie heute vermissen.
Ich, etwa, liebe McVities Digestive Biscuits über alles. Gebe ich solche aber meinen Schweizer Freunden zum Probieren, ernte ich Konsternation. Was soll daran jetzt fein sein? Objektiv ist ein solcher Einwand mehr als berechtigt, denn den Uneingeweihten fehlt die wichtigste aller Geschmacksnoten: die Kindheitserinnerungen, nämlich der Mami dabei zuzusehen, wie sie die Guetzlidose von dem Küchenregal herunterholte.
Demnach: «Top 100 Cookies In the World»? Wir könnten ja die auf TasteAtlas abgegebenen Stimmen nach User-IP-Adressen aufschlüsseln. Die Chancen stehen gut, dass sie die Rangfolge nach Landesherkunft widerspiegeln würden. Jedes Land hat irgendeine Guetzlisorte, von der alle schwärmen. Als Besucher wird man unweigerlich einen Einheimischen treffen, der einem von den einzigartigen und köstlichen Eigenschaften dieses einen typischen Lebensmittels vorschwärmt. Meistens kann aber der objektive Geschmackstest die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Der Grund: Uns fehlt der emotionale Kontext.
Essen ist immer emotional. Und manches Essen mehr als anderes. Und Guetzli fast am meisten.
Und? Was wäre für euch «The Top Cookies In the World»? Wetten, dass es nicht Alfajores sind?