Und plötzlich war der Sommer weg: Die Temperaturen sinken rasant, am Morgen ist es noch stockdunkel und somit wird das Aufstehen jeden Tag schwerer. Damit du auch in der kommenden kalten Jahreszeit federleicht aus dem Bett hüpfst, liefert dir TikTok jetzt (angeblich) die Lösung: «Sleepmaxxing» (Deutsch: «Schlafmaxximierung»).
Durch «Biohacking» 34 % mehr Tiefschlaf erreichen? Ein einschläfernder «Mocktail», oder doch ein Ring, der dir sagt, wann du endlich schlafen gehen sollst? Wie wäre es mit einer Schlafmaske mit extra Gewicht? Oder einem Magnesiumspray für die Füsse? Die Liste der Produkte ist endlos. Und sie alle sollen dir zu einer maximalen Schlafqualität verhelfen; «Sleepmaxxing» eben.
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Wieso entsteht ein solcher Trend? Ganz allgemein: Das Bedürfnis nach besserem Schlaf ist wissenschaftlich belegt. Von einer globalen Schlafkrise ist gar die Rede. Beispielsweise gaben bei der diesjährigen internationalen Schlafstudie nur 13 % der Befragten an, jede Nacht gut zu schlafen. Dieser weltweite Trend bestätigt sich in der Schweiz: Laut dem BfS (Bundesamt für Statistik) leidet rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung an einer behandlungsbedürftigen Schlaferkrankung.
Erholsamer Schlaf fördert also deine Gesundheit und genau da setzt «Sleepmaxxing» an. Sobald du (natürlich mithilfe zahlreicher Produkte) endlich einschlafen konntest, wird beim Wellness-Trend auf die Verlängerung deiner Tiefschlafphase gesetzt. Kalorien, Schritte oder Gramm Eiweiss messen ist von gestern – jetzt wird dein Schlaf getrackt.
Alle vier Schlafstadien – Tiefschlaf, REM, Leichtschlaf und Wachschlaf – werden aufgezeichnet und so deine Schlafkonsistenz und Atemfrequenz überwacht. Wie funktioniert das? Die meisten Geräte zeichnen die folgenden Parameter auf: Die Bewegungen, die wir im Schlaf machen, den Geräuschpegel und den Puls im Schlaf. Daraus versucht man zu errechnen, wann wir schlafen und wie tief.
Das Problem: Liegen wir still im Bett und grübeln, misst der Schlaftracker das in der Regel als Schlaf, obwohl wir hellwach sind. Viele dieser Tracker haben also schon mit der groben Unterscheidung zwischen Schlafen und Wachsein Schwierigkeiten. Was lernen wir? Vorsicht sei geboten beim Schlaftracking. Menschen können davon sogar «Orthosomnie» entwickeln: eine ungesunde Besessenheit vom Erreichen eines optimalen Schlafs mithilfe von Wearables (ja, dafür gibt es einen medizinischen Begriff).
Laut der Sleep Foundation gibt es übrigens gar keine genauen Richtlinien für die Menge an Tiefschlaf, die ein Mensch braucht. Ausserdem optimiert sich dein Gehirn auf natürliche Weise selbst, indem es jede Schlafphase vier bis sechs Mal pro Nacht durchläuft.
Wenn wir dem TikTok Trend «Sleepmaxxing» aber mal weiter folgen und du jetzt dank deiner «Messung» weisst, wie lange dein Tiefschlaf dauert, geht es weiter mit dem nächsten Schritt deiner Optimierung.
Eine feste und regelmässige Abendroutine soll nämlich deinen Tiefschlaf jetzt maximieren. Hier greifen die Schlafverbesser:innen zu unterschiedlichen Mitteln. Magnesiumspray für die Füsse, zwei Kiwis vor dem Schlafengehen, ein völlig abgedunkeltes Zimmer oder «Mouth-Taping» für eine bessere (?) Nasenatmung und eine spezielle Schlafmaske dürfen nicht fehlen. Dabei sehen die «Sleepmaxxers» meistens aus, als würden sie eine Expedition starten, bei der das Traumland jedoch nicht das Ziel zu sein scheint.
@juliaizhealth lets talk sleep hygiene :))) #sleeptips #circadianrhythm #healthhack ♬ love triangles - Happy Trees
Es lässt sich zwar nicht leugnen, dass die Schlafqualität ein wichtiger Faktor für unsere allgemeine Gesundheit ist, aber der Weg des mühsamen Strebens nach Schlaf kann auch kontraproduktiv sein. So auch Schlafexpertin Wendy Troxel gegenüber Dazed:
Fazit? Wenn du besser schlafen willst, scrolle vielleicht weniger auf TikTok und Co., lass dich nicht vom Konsumschwall verführen und mach dir weniger Druck. Dann klappt das auch mit dem Aufstehen, egal, wie kalt und dunkel es morgens ist. Und wenn wir ehrlich sind, uns bleibt meistens sowieso keine andere Wahl.
Gut gesagt.
Kohärenz ist das Schlüsselwort.