Die derzeit erfolgreichste Schweizer Künstlerin heisst Loredana Zefi. Ihr Hit «Bonnie & Clyde» (zusammen mit ihrem Ehemann Mozzik) hat 47 Millionen Plays auf Spotify und 42 Millionen Klicks auf Youtube.
Kürzlich wurde Loredana auch für das Open Air Frauenfeld gebucht, das wichtigste Hip-Hop-Festival der Schweiz. Mit ihren Songs landet sie in der Schweiz, Deutschland und Österreich auf den vorderen Rängen in den Charts. Keine Frage: Loredana hat mit ihren 24 Jahren bereits viel erreicht. Dabei hat Loredana noch nicht einmal ein Album veröffentlicht.
«Zeitgeistig», nennt ein Musikchef einer grossen Radiostation den Sound von Loredana. Es ist Deutschrap mit viel Autotune und markanten Beats. Für den durchschnittlichen Erwachsenen ist das alles etwas zu knallig, etwas zu grell und etwas zu Gucci. Es geht um Geld, Autos, Statussymbole. Loredana, die eigentlich als Instagram-Influencerin bekannt wurde, hat albanische Wurzeln und ist der Inbegriff des Secondo-Traums von Erfolg, Geld und noch mehr Geld geworden.
Viele ihrer Instagram-Videos drehen sich um ihre neuen teuren Autos, neuen teuren Kleider (auch für ihre eben geborene Tochter) und allerlei andere Exklusivitäten. Mittlerweile wohnen die aus einem Luzerner Vorort stammende Loredana und ihr Mann Mozzik direkt an bester Lage am Vierwaldstättersee. In einer Siedlung, die in Luzern den Ruf hat, sauteuer zu sein – und hauptsächlich von Rentnern bewohnt wird.
Dieser unverhohlen gelebte Hedonismus hat Loredana auch einen grenzwertigen Text in der «Weltwoche» eingebracht. Unter dem Titel «Kosovos feuchter Traum» verlor sich der Autor dann aber hauptsächlich in allerlei Klischees über Albaner. Ansonsten rauscht es im Blätterwald aber nicht so, wie es rauschen sollte, wenn eine junge Frau aus der Schweiz gerade die deutschsprachige Musikwelt aufmischt.
Vielleicht ist es eben gerade dieses erwähnte «zeitgeistig», das Loredana für klassische Medien so schwer fassbar macht. Ihre Songs unterscheiden sich maximal in Nuancen. Loredana und Mozzik rappen einmal über «Bonnie & Clyde», einmal über «Romeo & Juliet». Solo hat Loredana «Milliondollar$mile» und «Sonnenbrille» veröffentlicht. All diesen Songs ist gemeinsam, dass es am Ende irgendwie um Geld geht. Es ist recht uncharmanter Gangster-Rap.
Als Liebesbeweis in «Romeo & Juliet» rappt Mozzik etwa «Ich bin Romeo, du bist Gangster, doch süss wie ein Oreo» und «Lori, Lori, Lori. Ich mach es wieder gut und kauf dir eine Roli». So lösen diese Rich Kids also ihre Beziehungsprobleme.
Kurze Zeit später sitzen die beiden tatsächlich im Rolex-Laden und kaufen sich eine Uhr. «Dezent» ist das falsche Adjektiv, um die stets voll geschminkte Loredana mit ihren fett gezogenen Augenbrauen zu beschreiben. Sogar im Studio sitzt sie im Gucci-Trainer oder trägt Fendi.
Ja, sie sitzt tatsächlich manchmal auch im Studio. Vermutlich immer dann, wenn zwischen zwei Autokäufen mal Zeit bleibt. Und sie versichert ihren 1.3 Millionen Followern auf Instagram auch, dass 2019 ein Album kommt. Nur: Warum braucht sie überhaupt eines? Die Geschichte von Loredana ist nämlich auch eine vom Ende dieses Formats.
Loredanas Fans sind durchschnittlich unter zwanzig Jahre alt und konsumieren Musik ganz anders. Statt in CDs denkt die Jugend in Songs. So errechnete eine amerikanische Studie, dass 54 Prozent aller User von Streamingdiensten hauptsächlich einzelne Songs hören. Nur 18 Prozent hören noch ganze Alben. Die restlichen 28 Prozent favorisieren Playlists. Auch bei diesen Listen geht es schlussendlich nur um einzelne Songs. Das Album als Gesamtkunstwerk wird dabei übergangen.
Derweil verschwindet der Verkauf von physischen Alben immer mehr und mehr. Mittlerweile ist man mit 400 verkauften CDs locker in den Top Ten der Schweizer Charts. Und gerade beim Rap wird es noch deutlicher: Nur etwas mehr als 5 Prozent aller verkauften Alben in Amerika (digital und physisch) sind Rap-Alben. Gleichzeitig ist Hip-Hop derzeit die meistgehörte Musik. Rund ein Viertel aller gespielten Songs in Amerika stammt aus dem Genre. Sie werden aber beinahe komplett über Streamingdienste konsumiert.
Warum also soll Loredana noch ein Album veröffentlichen? Der Hauptgrund dürfte die zusätzliche Aufmerksamkeit sein. Noch besprechen Medien selten Songs, sondern warten auf eine ganze Platte. Die alte Welt ist noch nicht bereit für die neue. Ein Album schafft in den Augen vieler älterer Hörer immer noch eine höhere Wertigkeit der Sache.
Den Jungen ist das Format zunehmend egal. Sie feiern Musiker wie Mero, Capital Bra und Yung Hurn, die ausserhalb von einem Album-Kontext denken, lieber veröffentlichen sie immer mal wieder einen neuen Song. Capital Bras eben erschienenes Album «CB6» – ganz lassen können sie es dann eben doch nicht – fühlt sich nicht an wie ein «klassisches» Album, sondern bleibt eine beliebige Ansammlung von Songs.
Der Fokus auf einzelne Songs hat den sonst schon rasanten Musikmarkt noch etwas rasanter gemacht. Es gibt mittlerweile viele One-Hit-Wonder, und vor allem reicht ein guter Song nicht, um ein guter Livemusiker zu sein. Es gibt ein Video von einem Auftritt von Loredana, bei dem man sich fast etwas fremdschämt. Viele ihrer Playback-Einsätze verhaut die junge Luzernerin auf derart jämmerliche Weise, dass man sich fragt, ob sie das am Ende vielleicht sogar extra macht.
Fast wahrscheinlicher ist aber, dass sie einfach zu schnell zu gross geworden ist. Die kleinen Konzerte, wo man sich die Sporen abverdienen kann, fehlten in ihrem Lebenslauf. Loredana muss ihre ersten Live-Gehversuche auf Bühnen machen, die schon für einige Profis schwierig zu bespielen sind.