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David Attenborough: Doku über industrielle Fischerei und ihre Folgen

David Attenborough stands at the coast in Southern England. (Credit: Silverback Films and Open Planet Studios/Keith Scholey)
Sir David Attenborough in seiner neuen Dokumentation über unsere Meere.Bild: Silverback Films and Open Planet Studios/Keith Scholey
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Noch nie gesehene Bilder – Doku von David Attenborough zeigt Zerstörung unserer Meere

«Ocean with David Attenborough» zeigt nicht nur atemberaubende Unterwasserwelten, sondern lenkt den Blick auf die industrielle Fischerei, die unsere Ozeane Richtung Kollaps treiben.
11.06.2025, 17:4912.06.2025, 08:22
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«Der wichtigste Ort ist nicht auf Land, sondern unter Wasser.»
Sir David Attenborough

Pünktlich zum Welttag der Ozeane (8. Juni) veröffentlichte National Geographic eine neue Dokumentation mit dem beliebten Naturfilmer Sir David Attenborough.

Zu Beginn seines Lebens war der Meeresboden weitgehend unerforscht. Heute weiss der 99-Jährige: Nichts ist schützenswerter als unsere Ozeane. Denn ohne diese würde niemand von uns existieren. Die Erkenntnisse des letzten Jahrhunderts teilt Attenborough nun in dieser neuen Doku.

«Ocean With David Attenborough» nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine wunderschöne Reise durch die Tiefen unserer Ozeane. Vom Great Barrier Reef in Australien über Westafrika, die Galápagos-Inseln, bis zu Kelpwäldern in Grossbritannien – über zwei Jahre lang hat das Team die aussergewöhnlichsten Szenen eingefangen.

The coral reefs of Raja Ampat, Indonesia. (Credit: Olly Scholey)
Die Korallen bleichen so schnell wie noch nie zuvor. Für viele Fische sind sie überlebenswichtig.Bild: Olly Scholey

So hat die Welt industrielle Fischerei noch nie gesehen

Die Doku zeigt aber nicht nur eindrucksvolle Aufnahmen aus den Tiefen der Meere – sondern auch deren Zerstörung. Viele Leute haben eine romantische Vorstellung davon, woher ihr Fisch kommt: Der Fischermann steigt morgens in sein Boot und kommt abends mit zwei vollen Kesseln zurück. Bei den Mengen an Fisch, die wir konsumieren, ist das aber alles andere als realistisch. Durchschnittlich werden pro Jahr 20 Kilogramm Fisch pro Person gegessen. Das ist doppelt so viel wie noch vor 50 Jahren.

Um diese Nachfrage zu stillen, werden jährlich etwa 90 Millionen Tonnen Fische gefangen – zehn Prozent davon wieder als «Müll» über Bord geworfen. Wale, Delfine, Haie oder auch Schildkröten verenden oft als sogenannten Beifang. In einigen Grundschleppnetzfischereien mache der Beifang mehr als die Hälfte der Fangmenge aus.

Dass solche Schleppnetze katastrophal für die Lebewesen und die Artenvielfalt in den Meeren sind, ist nichts Neues. Das Kamerateam hat es allerdings geschafft, zum ersten Mal auf Kamera festzuhalten, wie diese Fischtechnik, die übrigens legal ist, den Meeresboden zerstört.

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Bild: disney

Jedes Jahr wird eine Fläche in der Grösse des Amazons mit Schleppnetzen gefischt. Die Auswirkungen sind sogar auf Drohnenaufnahmen zu sehen:

ocean with david attenborough
Bild: disney

Dabei ist kein Land mit Meereszugang sicher – nicht einmal vor der Antarktis machen die Schiffe halt. Die Schiffe fangen dort den Krill leer. Antarktischer Krill ist für praktisch alle Tiere am südlichen Pol überlebenswichtig. Seien es nun Wale, Pinguine oder Fische, für sie alle ist Antarktischer Krill das Hauptnahrungsmittel.

ocean with david attenborough
Riesige Schiffe ziehen Tonnenweise Krill aus der Antarktis.bild: disney

Die Schiffe, die in der Antarktis nach Krill fischen, zählen zu den grössten Fabriken auf dem Meer. Sie ziehen hunderttausende Tonnen Krill in grosse Netze. Gleich auf dem Schiff werden die Tiere gekocht und in Hundefutter oder unseren Omega-3-Tabletten verarbeitet.

ocean with david attenborough
Die weissen Punkte sind industrielle Schiffe, die jeden Tag unsere Meere leerfischen.Bild: disney

«Ocean With David Attenborough» erinnert uns auf brutale Weise daran, wie wenig wir sehen und wie viel auf dem Spiel steht. Doch die Doku bietet auch eine Lösung: Meeresschutzgebiete, in denen sich die Natur und die Tiere erholen können.

Als ein erfolgreiches Beispiel wird das Papahānaumokuākea Marine National Monument in Hawaii genannt. Mit 1,5 Millionen Quadratkilometer ist es eines der grössten Meereschutzgebiete der Welt – und der Beweis dafür, dass es noch nicht zu spät ist. Dort wimmelt es nicht nur von Leben und bietet über 7000 Arten Schutz, sondern ist auch Heimat der weltweit grössten Laysanalbatros-Kolonie. Ein Vogel, der kurz vor dem Aussterben stand.

LAYSAN ALBATROSS Diomedea immutabilis pair with young. Midway Atoll. Hawaii. USA. February LAYSAN ALBATROSSES PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xKevinxSchaferx ZB1073KSC001829A
Ohne das Meeresschutzgebiet in Hawaii wäre der Laysanalbatros ausgestorben. Heute haben sich die Bestände erholt und mit 1,7 Millionen Tieren ist er der zweithäufigste Seevogel auf den Hawaii-Inseln.Bild: www.imago-images.de

Zurzeit sind nur etwa drei Prozent der Meere geschützt. Damit sie sich aber erholen können, müssen es mindestens ein Viertel der Gebiete sein. Dazu gibt es gute und schlechte Nachrichten.

Die Schlechte zuerst: Donald Trump hat erst im April eine Verordnung unterzeichnet, die den Tiefseebergbau beschleunigen soll. Untersuchungen zeigen: 50 Jahre nach den ersten Meeresbodenbergbau-Tests hat sich die Natur noch immer nicht erholt. Doch für den mächtigsten Mann der Welt zählt nur «Drill, baby, drill». Bereits während seiner ersten Amtszeit hat er unter Schutz stehende Gebiete in Alaska für Ölbohrungen freigegeben.

Nun zu den guten Nachrichten: 2021 hat die UN angekündigt, bis 2030 ein Drittel der Weltmeere unter Schutz zu stellen. Wenn wir Gebiete schaffen, in denen sich Tiere und Pflanzen erholen können, führt das zu einem gesunden Ökosystem, auf das wir auch an Land zum Überleben angewiesen sind.

Die zentrale Botschaft des Dokumentarfilms ist klar: Die bestehenden Gesetze sind unzureichend, und ein Verbot zerstörerischer Praktiken wie der Grundschleppnetzfischerei ist sowohl notwendig als auch realisierbar. Attenborough fordert die Zuschauer auf, Veränderungen zu fordern. Mit den kraftvollen Bildern und seiner Botschaft ist «Ocean» sowohl ein Weckruf als auch ein Antrieb für den weltweiten Meeresschutz.

Die eineinhalbstündige Dokumentation ist auf Disney Plus verfügbar.

Hier kannst du den Trailer schauen:

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quelle: imgur
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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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haniau
11.06.2025 18:16registriert Mai 2021
Mein Gott wie ich diesen Mann bewundere. Und mit beinahe 100 noch die besten Dokus macht und die grossen Probleme ansprechen kann. Hut ab, hoffentlich öffnet es der Menschheit die Augen bevor es zu spät ist.
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tops
11.06.2025 18:09registriert Juni 2018
Wir essen schon lange keinen Fisch mehr. Uns graust schon was mit den ganzen unverkauften Fischen der Theken jeweils zb am Samstag Abend passiert.
Aber die Fische haben keine Lobby, hat man ihnen doch vor kurzem noch abgesprochen überhaupt Gefühle zu haben. Es ist wirklich traurig wie der Mensch mit der Umwelt umgeht.
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Caipiranha
11.06.2025 18:40registriert Juni 2025
Ich habe erst kürzlich in einer Doku über diehochmodernen riesigen Krillfabriken im Meer erfahren. Diese Schiffe, in Norwegen gebaut, haben militärische Ortungsgeräte an Bord, im den Walen nachzustellen. Wenn die Wale Krill gefunden haben, fahren sie mitten hinein und schnappen buchstäblich das Krill vor der Schnauze der Wale weg. Das ist nicht nur unterste Schublade, das ist unterirdisch! Das macht einem so wütend!
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