Es wirkt wie eine Reise in die 50er-Jahre: Es ist Abend, kurz vor 18:00 Uhr, eine Frau steht in der Küche und kocht gerade das Abendessen. Sie hat sich hübsch gemacht, schliesslich kommt ihr Mann bald nach Hause. Sobald er die Haustüre öffnet, ist sie auch schon zur Stelle, um ihm die Jacke abzunehmen und ihn zu begrüssen. Mehr Klischee geht kaum, doch genau ein solches Leben lebt Alena Kate Pettitt.
Sie ist Teil der sogenannten «traditional-housewife-Bewegung». In den Sozialen Medien finden sich unter dem #tradwife Bilder eines solchen Lebens, das besser in die Nachkriegszeit als ins Jahr 2020 passt. Die 34-jährige Britin Pettitt ist der Ansicht, dass ein solches Leben klar besser ist, als in irgendeinem Büro «nach der Pfeife des Chefs zu tanzen», wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Ihr Motto deshalb: «Sich dem Ehemann unterordnen, als wäre es 1959.» Pettitt lebt ihr Familienleben im Südwesten Englands, gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn. Und auf ihre Rolle als traditionelle Hausfrau ist sie stolz, weshalb sie regelmässig auf Website der Online-Etiketteschule «The Darling Academy» darüber berichtet.
Seit Aufgabe ihres alten Jobs nutzt sie ihre Zeit, um Rezepte in den Sozialen Medien zu posten und Werbung für das #tradwife-Leben zu machen. Sie ist der Ansicht, dass Hausfrauen mehr Anerkennung ernten sollten. In den USA ist die Bewegung sehr umstritten, da sie von den ultrarechten «Supermacists» und von der Alt-Right-Bewegung instrumentalisiert wird. Für diese ist es Ausdruck der Überlegenheit der weissen Rasse: Hausfrauen seien «Heiratsmaterial», das weisse Nachkommen sichere.
Die Britin sieht sich bei ihrem Familienideal nicht an das sehr ähnliche Familienbild des Dritten Reichs erinnert, ihre Haltung sei eine Anlehnung an traditionelle Werte. Pettitt wuchs ausserdem ohne Vater auf, weshalb sie sich schon früh nach einer intakten Familie sehnte.
Das Bedürfnis nach einer Rückkehr zu früheren traditionellen Werten ist nicht neu, wie Ute Gerhard, eine ehemalige Soziologieprofessorin aus Frankfurt gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt: «In Zeiten von Verunsicherung greift man zurück auf die vermeintlich gute alte Zeit.»
Die Bewegung verspricht sich mit einer traditionellen Rollenverteilung eine glückliche Ehe. Kritiker warnen vor der Aufgabe der eigenen Mündigkeit. Gerhard dazu: Das Aufgeben der Mündigkeit im Namen der Tradition sei in diesem Zusammenhang üblich und oftmals verbunden «mit einer Wendung nach rechts.» Und wie reagiert Pettitt auf Kritik? Sie werde verurteilt dafür, dass sie ohne Arbeit eine Doppelbelastung meide und sie den Feminismus verrate.
Lillian Sediles betreibt mit ihrem Mann Felipe den Blog «The Postmodern Family». Die Musiklehrerin und klassische Sängerin entschied sich dafür, nach der Geburt des ersten Kindes zu Hause zu bleiben. Auch sie nutzte ihre gewonnen Zeit, um unter anderem einen Youtube-Account aufzuziehen. Sie gibt in diversen Videos Ernährungs- und Make-up-Tipps oder spricht über ihr Erlebnis einer natürlichen Hausgeburt.
Die Kinder betreuen zu lassen, um wieder arbeiten zu können, schliesst Sediles aus. In ihren Augen bietet das Leben als «Stay-at-home-Mum» nur Vorteile, wie sie in einem Twitter-Post klarzumachen versuchte. Der Spagat zwischen Arbeit und Familie sei zu anstrengend, während sie mit ihren Kindern spielen und sie zu guten Christen erziehen könne. Nie fallen für sie am Wochenende noch die Hausarbeiten an, die sie aufgrund einer Arbeitsstelle unter der Woche nicht erledigen konnte – sie hat also Zeit für ihren Mann und die drei Kinder. Fazit: Eine berufstätige Frau könne weder eine gute Ehefrau noch eine gute Mutter sein.
Very good description of the differences between stay at home mothers and outside-the-home working/career mothers.
— Lillian🤰🏻The Postmodern Mom (@postmodern_mum) January 29, 2020
This should make it obvious: children benefit greatly from a stay at home mum.#Tradwife #sahm pic.twitter.com/C3CBVJhGWw
Aus diesem Grund sehen sich die Tradwives als die wahren Feministinnen. Sie seien es, die sich gegen heute vorherrschende Gesellschaftliche Zwänge wehren und sich für mehr Freiheit und die Familie entscheiden. Ähnliche Gedanken teilen sogar bekennende Feministinnen wie die Britin Laurie Penny. Feminismus bedeute nicht, dass Frauen gleich viel arbeiten sollten wie Männer, da dies dazu führe, «dass Frauen genauso kapitalistisch ausgebeutet werden und zusätzlich noch die ganze Fürsorgearbeit erledigen.»
Und was sagt die Wissenschaft? Studien zufolge setzt sich auch bei Paaren, die gleich viel arbeiten, bei der häuslichen Aufgabenverteilung ein traditionelles Verhaltensmuster ein. Nach Geburt des ersten Kindes sieht es demnach oft so aus: Der Mann arbeitet Vollzeit, die Frau Teilzeit und sie übernimmt die Verantwortung über Kind und Haushalt.
Die Soziologin Ute Gerhard findet klare Worte: «Die Rede von der Wahlfreiheit ist ein solcher Betrug an der Gleichberechtigungspolitik, ich kann das nicht mehr hören!» Es darf nicht sein, dass Frauen nur auf Kosten ihrer Lebensbedingungen einer Arbeit nachgehen können. «So gesehen verbessern Tradwives ihre Bedingungen durchaus – für den Moment», meint Gerhard. Doch wie sieht es aus, wenn eine Frau nicht mehr nur Mutter ist? «Was machen wir mit dem Rest unseres Lebens? Man kann nicht ewig Kinder hüten.» Dass das traditionelle Hausfrauenleben schwierig ist, widerspiegelt sich auch in der Scheidungsrate.
Die 81-jährige Soziologin meint, dass eine Lösung möglich ist, aber nur unter einer Bedingung: «Nach wie vor ist die Vereinbarungsfrage weiblich. Diese Herausforderung ist nur zu stemmen, indem man eine gleichberechtigte Teilhabe schafft – für beide Geschlechter.» Und genau das sei die Gefahr bei den Tradwives, sie verehren das Patriarchat. «Alle, die es anders sehen, gelten als männerfeindlich. Das hat fatale Folgen für die Motivation der Männer, etwas zu verändern», so Gerhard.
Und was sagt Pettit zum Vorwurf, sie mache sich zur Sklavin ihres Mannes? «Wenn eine Sklavin Fussmassagen, Umarmungen, schicke Essenseinladungen und zwischendurch einfach so eine Handtasche von Chanel bekommt, dazu den Luxus, zu Hause zu bleiben und sich dem Konkurrenzkampf da draussen zu entziehen, solange sie ein bisschen Hausarbeit macht (was sie ohnehin tun würde), dann könnt ihr mich gerne nennen, wie ihr wollt.»
(mim)
Die Rollenverreilung ist und bleibt immer noch Privatsache. Hört auf mit diesen Artikel. Jeder lebt, wie es ihm passt, und dabei ist es einem doch sch..ssegal, wie der Nachbar lebt oder allgemein "die Gesellschaft". Sollen doch Experten, Journalisten oder Politiker motzen und warnen vonwegen Feminismus/Tradition/Patriarchat/was auch immer, am Schluss geht es niemanden was an, wie ich lebe.