Schulterzucken bei den Befürwortern: Wenn Teilzeitarbeitende und Geringverdiener eine bessere Absicherung in der zweiten Säule ablehnen, dann lassen wir es eben sein. In solchen Aussagen schwingt auch der Frust mit. Denn um Lösungen hat das Parlament hart gerungen. Die Anerkennung der Bevölkerung bleibt aus. Schon wieder.
Beim Frauendachverband Alliance f sitzt die Enttäuschung besonders tief. «Die Rentenlücke bleibt bestehen», sagt Co-Präsidentin Maya Graf in ein Mikrofon von SRF. «Frauen erhalten 44 Prozent weniger Rente in der zweiten Säule.» Dieser Missstand ist noch immer nicht korrigiert. Ob der Aufruf fruchtet, dem endlich nachzukommen?
Denn der Kampf darum, der zieht sich ins Unendliche: Seit die damalige CVP-Nationalrätin Margrit Camenzind 1987 verlangte, über eine Anpassung des Koordinationsabzugs die Vorsorge der Frauen zu verbessern, sind 35 Jahre verstrichen. Geändert hat sich für diese: nichts.
Dabei hat das Parlament mehrfach den Willen bekundet, Teilzeitpensen und kleine Einkommen in der beruflichen Vorsorge besser zu versichern. Die einstige SP-Bundesratskandidatin Christiane Brunner wollte 1994 erwirken, dass der Koordinationsabzug bei Teilzeitpensen gesenkt wird, weil die Rente sonst «sehr bescheiden» ausfalle. Der Vorstoss? Abgeschrieben.
CVP-Nationalrätin Rosmarie Zapfl nahm 1997 einen neuen Anlauf, den Koordinationsabzug für Teilzeitpensen zu senken. Illustre Persönlichkeiten wie alt CVP-Bundesrat Joseph Deiss, Alexander Tschäppät (SP/BE), Christiane Langenberger (FDP/VD), Verena Diener (GLP/ZH) oder Christine Goll (SP/ZH) unterstützten das Anliegen in einer breiten Koalition.
Zapfl argumentierte, den Frauen würden Altersgutschriften von rund 450 Millionen Franken vorenthalten. Diese Diskriminierung sei endlich aufzuheben. Der Vorstoss nahm eine erste Hürde, doch das Parlament zögerte. Nach einer Fristverlängerung wurde der Vorstoss abermals abgeschrieben.
Schliesslich versuchten sich auch FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, SP-Nationalrätin Josiane Aubert und GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy mit der Senkung des Koordinationsabzugs – ohne Erfolg. Es folgte die Altersreform 2020, die ebenfalls eine bessere berufliche Vorsorge für die Frauen vorsah, aber an der Urne knapp scheiterte. Und jetzt also der nächste Misserfolg.
Wie kann es sein, dass ein derart breit getragenes und lange gehegtes Anliegen nicht umgesetzt wird?
Die schnelle Antwort: Diese Anpassung ist gerade für Branchen im Tieflohnbereich teuer, weil sie die Angestellten besser versichern müssen – und das kostet. Offenbar gehören die Frauenrenten auch nicht zu den Prioritäten des männlich besetzten Parlaments. Deshalb versuchten die Unterstützerinnen des Vorhabens, in den Räten über Kompromisse ans Ziel zu kommen. Doch die letzte Reform zeigte: Kompromisse werden von (zu) vielen Seiten zerfleischt.
Wie geht es also weiter?
Elisabeth Baume-Schneider sagt, für sie stehe die Senkung des Koordinationsabzugs zur besseren Absicherung der Frauen im Vordergrund einer neuen Reform. Die SP hat über Ständerätin Flavia Wasserfallen und Nationalrätin Samira Marti bereits zwei gleichlautende Anträge eingereicht, um den Koordinationsabzug zu senken.
Ob jemand Hand bietet, nochmals einen Anlauf zu nehmen und einen neuen Kompromiss zu suchen? Eine erste Absage erteilt SVP-Nationalrätin Martina Bircher: «Die SP pickt sich jetzt die Rosinen raus. Doch das führt nicht ins Ziel, für die Arbeitgeber wird das viel zu teuer.» Auch FDP-Nationalrätin Regine Sauter sieht keine Basis für eine gemeinsame Lösung.
Unter den Frauen besteht da jedoch keine Einigkeit. GLP-Nationalrätin Melanie Mettler ist bereit, die Änderungen nochmals anzupacken. «Wir müssen eine Lösung finden.» Dass der Vorschlag ausgerechnet aus den Reihen der SP kommt, ärgert GLP-Kollegin Kathrin Bertschy aber: «Diese Verbesserungen für die Frauen waren in der Reform enthalten, welche die SP ablehnte.» Bertschy sagt, das Vorgehen sei zynisch. «Es ist unmöglich, nochmals eine solch grosszügige Reform durchzubringen.»
Gewerkschaften, Grüne und SP haben noch andere Pläne für die berufliche Vorsorge – etwa die Einführung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, die bessere Absicherung von Care-Arbeit oder ein Ehegattensplitting für die berufliche Vorsorge.
Es wäre dies eine Abkehr vom Prinzip der beruflichen Vorsorge und des Kapitaldeckungsverfahrens: Jede erwerbstätige Person spart für sich. Regine Sauter sieht hinter den Vorstössen eine grössere Agenda. Die berufliche Vorsorge versichere Erwerbstätige. «Wer soll denn die Betreuungsgutschriften zahlen, wenn das Gesetz keine Umverteilung vorsieht?» Genau da wolle die SP ansetzen und die zweite Säule in eine AHV umbauen. Kathrin Bertschy zieht auch die Machbarkeit infrage: «Wenn wir es nicht schaffen, kleine Einkommen zu versichern, wie sollen wir dann Nichteinkommen versichern?» Die Vorschläge werden im bürgerlich dominierten Parlament einen schweren Stand haben.
In der Politik hat das Dossier unterdessen den Stempel «toxisch» erhalten. Reformen in der zweiten Säule gelingen einfach nicht. Auch die als notwendig erachtete Senkung des Mindestumwandlungssatzes, der die Höhe der Rente bestimmt und aufgrund der steigenden Lebenserwartung heute zu hoch angesetzt ist, erlebt sein drittes Scheitern an der Urne.
Die Gewerkschaften sind nicht bereit, dieses Pfand aufzugeben – selbst mit einer Kompensation von 11 Milliarden Franken nicht. Das klare Nein führt nun selbst bei Wirtschaftsverbänden zur Einsicht, das Thema ruhen zu lassen. Nichts tun ist angesichts der klaren Absage der Bevölkerung eine reale Option. (aargauerzeitung.ch)
Dann eine tragbare Lösung für alle bringen, nicht nur für die Finanzindustrie. Und realistisch angepasst an die heutigen Gegebenheiten. Ein Arbeitnehmer hat heutzutage so viele Wechsel der Arbeitgeber, dass es nicht viel Sinn macht die PK an den Arbeitgeber zu binden.
Bis in die 90er blieb man von der Lehre bis zur Pensionierung im selben Unternehmen.
in den Pensions-Kässeli verdient nur einer: der Kassenwart. Das muss aufhören. Danach reden wir über alles andere, aber erst danach!