Plus 17 Nationalratssitze, ein Zuwachs von 6,1 Prozentpunkten beim Wähleranteil: Die Grüne Partei übertraf am Wahlsonntag die aufgrund von Umfragen und kantonalen Wahlen eh schon hohen Erwartungen bei Weitem. Das Bild der strahlenden Parteipräsidentin Regula Rytz war omnipräsent in den Medien.
Ein anderer Parteichef lächelte etwas weniger strahlend – einerseits stand bei seiner Partei sowohl beim Wähleranteil als auch bei der Sitzzahl im Nationalrat im Minus in der Bilanz. Andererseits widerspricht ein strahlendes Lächeln für die Fotografen seinem Naturell: CVP-Präsident Gerhard Pfister. Dabei hat er durchaus Grund zur Freude.
Die CVP kam am Wahlsonntag nicht nur sehr viel glimpflicher davon, als es die Wahlumfragen und viele arrivierte und noch mehr selbsternannte Politik-Experten in den Medien prognostiziert hatten: Lediglich 0,2 Prozentpunkte Wähleranteil büssten die Christdemokraten ein.
Den Sitzverlusten in Zürich, St.Gallen, Waadt und Wallis stehen je ein Sitzgewinn im Aargau und in Uri gegenüber, womit unter dem Strich ein Minus von zwei Nationalratssitzen bleibt. Im Ständerat hat die CVP im ersten Anlauf bereits acht ihrer 14 Sitze verteidigen können. Wenn bei den zweiten Wahlgängen alles gut läuft, kann sie die Zahl halten und bleibt stärkste Kraft in der kleinen Kammer.
Dort waren die Christdemokraten bereits in der abgelaufenen Legislatur in einer komfortablen Ausgangslage: Gegen den Willen ihrer 14 Vertreter im Ständerat konnten kaum je mehrheitsfähige Lösungen gefunden werden. Sowohl die 13 Vertreter der SP und der Grünen zur Linken als auch die 12 FDP- und 5 SVP-Ständeräte zur Rechten waren auf die Stimmen der CVP angewiesen.
Trotz absehbarer grüner Zugewinne: Die Kräfteverhältnisse zwischen den Lagern dürften im Ständerat im Grossen und Ganzen stabil bleiben – und die CVP die unverzichtbare Mehrheitsmacherin.
Neu trifft diese Konstellation auch im Nationalrat ein. SP, Grüne und die beiden Vertreter der äusseren Linken kommen zusammen auf 71 Sitze. Nimmt man GLP, EVP und BDP dazu, fehlen dem Mitte-links-Lager ohne die CVP mit seinen 93 Sitzen immer noch 8 Sitze für eine Mehrheit.
Der bisher dominierende rechtsbürgerliche Block aus FDP, SVP und den Vertretern der Lega und der EDU ist nach den empfindlichen Verlusten vom Wahlsonntag mit 84 Sitzen noch weiter von einer Mehrheit entfernt.
Einfach ausgedrückt: Mehrheiten in Bundesbern gibt es in der neuen Legislatur nur mit der CVP. Seltene Ausnahmen dürfte die abnehmende Zahl gesellschaftspolitischer Fragen bilden, bei denen sich Rotgrün und die FDP im progressiven und die CVP gemeinsam mit der SVP im konservativen Lager finden. Zu einer ähnlichen Konstellation kommt es immer wieder auch in der Landwirtschaftspolitik.
Doch bei den gewichtigen Dossiers der nächsten Jahre – Umweltpolitik, Altersvorsorge, Beziehungen zur EU, Gesundheitswesen – geht es ohne die CVP nicht.
Diese befindet sich in der komfortablen Lage, sich je nach Thema mal mit der Linken und mal mit dem bürgerlichen Lager zusammentun. Sollten deren Lösungsvorschläge in den Augen der CVP zu weit gehen, wird die CVP auf Mässigung pochen. Und hat mit dem Hinweis, dass ohne ihre Stimmen kaum ein Gesetz die Schlussabstimmung in National- und Ständerat überlebt, ein gewichtiges Argument auf ihrer Seite.
Die Macht der CVP unter der Bundeshauskuppel zeigte sich bereits am Wahlabend um kurz nach 18 Uhr, als die Parteichefs in der Elefantenrunde im SRF zu den Bundesratswahlen befragt wurden.
Grünen-Präsidentin Regula Rytz sagte zwar, dass ihre Partei aufgrund des Wahlergebnisses in die Regierung gehöre – und zwar auf Kosten der FDP. Doch die ultimative Forderung nach einem Einzug in die Regierung bei den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats am 13. Dezember stellte Rytz nicht auf.
Es werde schwierig sein, bestehende Mitglieder abzuwählen, sagte sie der NZZ am Sonntagabend. Einer der Gründe für diese Aussage waren die Signale von CVP-Präsident Gerhard Pfister während der Elefantenrunde. «Man sollte Bundesräte nicht abwählen, das ist eine gute Tradition», sagte der Zuger. Über eine allfällige Anpassung der Zauberformel müsse man in Ruhe diskutieren.
Gerhard Pfister blieb vage. Der Daumen des neuen Königsmachers zeigte auf die Frage nach einem Bundesratssitz für die Grünen weder noch unten noch nach oben. Und die anderen Parteichefs erhielten in der Elefantenrunde einen Vorgeschmack darauf, was die nächsten vier Jahre bringen werden: Nur wenn die CVP ihre Zustimmung erteilt, verändert sich in Bundesbern etwas.