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Deutsche Commerzbank will in der Schweiz wachsen

Deutsche Banken nach dem CS-Ende: «Wir wollen ein grosses Stück vom Kuchen»

Die Commerzbank will im Schweizer Firmenkundengeschäft aufdrehen und erachtet die anstehende Integration der Credit Suisse als «Riesengelegenheit».
12.03.2024, 13:5512.03.2024, 13:55
Daniel Zulauf / ch media
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Der Commerzbank geht es so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. Das könnte auch für Schweizer KMU eine frohe Kunde sein. Die zweitgrösste Bank Deutschlands will im hiesigen Firmenkundengeschäft kräftig aufdrehen und in die Lücke vorstossen, die sich zwölf Monate nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS allmählich in der Schweizer Kreditlandschaft zu öffnen beginnt.

Stück vom Kuchen piece of cake money Geld
Bild: Shutterstock

Zweistelliges Wachstum

«Wir wollen ein grosses Stück vom Kuchen», sagt Marc Steinkat, Chef von Commerzbank Schweiz. Der 56-Jährige kam vor bald zehn Jahren nach Zürich, um den hiesigen Industrie- und Handelsunternehmen Exportfinanzierungen und andere damit zusammenhängende Finanzdienstleistungen anzubieten. «Wir sind jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich» gewachsen und erwarten eine Beschleunigung, betont der Manager im Gespräch mit CH Media.

Steinkat spricht im Wissen darum, dass Auslandbanken in der Schweiz zunächst kein leichtes Spiel haben: Im Oktober fragte der Industrieverband Swissmem seine Mitgliedsfirmen, ob diese den ausländischen Kreditinstituten zutrauten, erfolgreich in die Bresche der Credit Suisse zu springen. Nur knapp 30 Prozent bejahten.

Negative Erfahrungen aus der Finanzkrise hallen nach

Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor bei der wichtigen Branchenorganisation, weiss warum: «Die Schweizer KMU bringen mit ihrer Skepsis zum Ausdruck, dass sie von ihren Kreditgebern eine langfristige und wetterfeste Partnerschaft erwarten.» Bei manchen Firmen hallten noch immer die negativen Erfahrungen nach, die sie in der Finanzkrise machen mussten, sagt Kohl: «Die ersten, die damals das Land verliessen, waren die Auslandbanken.»

Umso stärker betont Steinkat die Leidensfähigkeit der Commerzbank, die diese in der jüngeren Vergangenheit auch in der Schweiz unter Beweis gestellt habe. Das Negativzinsregime in Europa hatte dem Institut aus Frankfurt heftig zugesetzt und den Konzern 2020 tief in die Verlustzone getrieben. Es folgte ein tiefgreifender Abbau von Stellen und Kosten. Auch in der Schweiz musste das 2014 aufgebaute Netz von sechs Niederlassungen in fast allen Landesteilen auf den Standort Zürich konzentriert werden.

Die Anstrengung scheint sich gelohnt zu haben

«Wir haben viel gelernt, unser Geschäftsmodell geschärft, den Fokus stärker auf die Handelsfinanzierung gelegt und den Mehrwert der Commerzbank so besser von anderen Banken abgegrenzt», resümiert Steinkat seine Lehrjahre in der Schweiz. Die Anstrengung scheint sich gelohnt zu haben. «Unsere Kunden ermutigen uns sehr, auch weiterhin in der Schweiz zu wachsen», sagt der Manager, der 2020 selbst Schweizer wurde.

Die Commerzbank hat nach eigenen Angaben Kreditzusagen gegenüber Schweizer Firmenkunden in Höhe von 11 Milliarden Franken ausstehend. Das ist kein Pappenstiel. Zum Vergleich: Privatwirtschaftliche Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden nehmen in der ganzen Schweiz aktuell nicht hypothekarisch gedeckte Kredite in Höhe von insgesamt rund 60 Milliarden Franken in Anspruch. Die Hälfte dieser Ausleihungen ist nicht besichert.

Die Statistik der Nationalbank zeigt zudem, dass das Volumen an Blankokrediten gegenüber privatwirtschaftlichen Firmen ab 50 Mitarbeitende seit Ende 2020 um fast 7 Milliarden Franken zurückgegangen ist. Der Grund dafür ist nicht eine Verknappung des Angebotes, sondern ein Rückgang der Nachfrage. Vier Jahre nach Ausbruch der Coronapandemie ist eine grosse Mehrheit der Schweizer Unternehmen – einschliesslich KMU – immer noch solide finanziert. «Die Eigenkapitalquoten bewegen sich oft bei mehr als 40 Prozent und die Kreditnachfrage ist entsprechend verhalten», konstatiert man auch bei der Commerzbank.

Kreditnachfrage kann sich schlagartig ändern

Das kann sich allerdings sehr rasch ändern. Umfragen und statistische Beobachtungen im Segment der exportorientierten Schweizer KMU-Landschaft zeigen, dass die Kreditnachfrage der Firmen schlagartig zunimmt, wenn die Firmen markante Veränderungen des Umsatzes nach oben wie nach unten erwarten. Während heftige Wachstumsschübe typischerweise einen höheren Investitionsbedarf erzeugen, können abrupte Umsatzverluste zu einer Liquiditätsverknappung führen.

Mit zwei einheimischen, international tätigen Grossbanken direkt vor der Haustüre genossen die Schweizer Exportfirmen bis vor kurzem eine privilegierte Situation in Sachen Kreditversorgung. Das wird sich ändern, wenn die Credit Suisse bald einmal ganz in der UBS aufgegangen ist. «Wir sind jetzt einer Grossbank de facto stärker ausgeliefert und Abhängigkeiten mögen wir grundsätzlich nicht», sagte Swissmem-Präsident Martin Hirzel im Dezember in einem Streitgespräch mit UBS-Chef Sergio Ermotti in der NZZ.

Swissmem-Vizedirektor Kohl sagt deshalb mit Blick auf die Commerzbank-Offensive: «Es ist nur zu begrüssen, wenn sich ausländische Banken hierzulande in der Finanzierung von Industriefirmen engagieren möchten.» Bedarf gibt es insbesondere im Bereich der KMU: Sie verfügen im Unterschied zu globalen Grossfirmen nicht selbstverständlich über ein Netz zu Banken mit internationaler Erfahrung. Kohl spricht für eine Industrie, die mit ihren über 330'000 Beschäftigten jährlich Exportleistungen im Wert von rund 70 Milliarden Franken erbringt und damit quasi ein Fünftel aller jährlichen Gütereinfuhren der Schweiz finanziert.

Keine Limiten

Marc Steinkat kokettiert: «Könnte man die Commerzbank noch einmal gründen, müsste man dies in der Schweiz tun». Deren «extrem grosse Exportorientierung» ist der Kuchen, von dem sich die deutsche Unternehmerbank in den nächsten Jahren ein grosses Stück abschneiden möchte. «Das Verschwinden der Credit Suisse ist ein Malheur für die Schweiz, die Bank war lange ein Pfeiler der starken Schweizer Wirtschaft. Die veränderte Situation ist nun aber eine Riesengelegenheit für uns», sagt Steinkat, «Wir sind nicht limitiert, was die Aufnahme von Kunden und Mitarbeitenden der Credit Suisse anbelangt, vorausgesetzt sie passen zu unserem exportorientierten Geschäftsmodell.»

Swissmem-Präsident Hirzel sagt zwar, die mittelgrossen und grossen Unternehmen seines Verbandes unterhielten traditionell Beziehungen zu ausländischen Banken. «Aber in einem Abschwung möchten wir von diesen nicht abhängig sein.» In vielen Fällen wird sich eine solche Abhängigkeit aber kaum vermeiden lassen. Das Versprechen der Commerzbank – «wir sind gekommen, um zu bleiben» – erhält vor diesem Hintergrund durchaus seinen Wert, auch wenn es den nächsten Schlechtwettertest noch nicht bestanden hat.

Auch die Deutsche Bank zieht nach

Vor Ort Betreuung für mittelgrosse Firmenkunden
Auch die Deutsche Bank wittert Chancen im Schweizer Firmenkundengeschäft. Das grösste Kreditinstitut im nördlichen Nachbarland will die Betreuung von mittelgrossen Schweizer Firmenkunden ab 500 Millionen Franken Umsatz demnächst von Frankfurt in die Schweiz verlagern. Dazu hat das Institut von der Credit Suisse den Firmenkundenspezialisten Simon Hagmann abgeworben. Bislang betreute die Deutsche Bank nur Schweizer Grossunternehmen vor Ort. (dz)
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