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Gleichstellungsgesetz in Basel: Ausgerechnet Feministinnen sind dagegen

Teilnehmende mit Plakaten waehrend einer Medienkonferenz, am Mittwoch, 31. Mai 2023 in Bern. Der Frauenstreik findet am 14. Juni statt. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Frauen rufen zum Frauenstreik am 14. Juni auf.Bild: keystone

Schafft Basel die Frauen ab?

In Basel soll im neuen Gleichstellungsgesetz nicht mehr nur von Männern und Frauen die Rede sein. Einige Feministinnen fühlen sich dadurch vor den Kopf gestossen.
14.06.2023, 16:0215.06.2023, 11:59
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Der diesjährige Frauenstreik soll ein feministischer Streik werden. Alle sollen sich angesprochen fühlen und einbezogen werden.

Dass diese Haltung auch für Kritik innerhalb der feministischen Bewegung sorgen kann, zeigt eine Debatte, die derzeit in Basel-Stadt geführt wird – Knackpunkt hier: die Vorlage zum neuen kantonalen Gleichstellungsgesetz.

In der Version zur Vernehmlassung zum neuen Gleichstellungsgesetz für den Kanton Basel-Stadt kamen die Begriffe «Mann» und «Frau» nicht mehr vor – dafür eine mehrere Punkte umfassende Erklärung zum Begriff «Geschlecht». Auch hier gilt: Alle sollen sich angesprochen fühlen und einbezogen werden – auf Gesetzesebene.

Am Frauenstreiktag demonstrierten zehntausende Frauen auch für gerechtere Löhne. (Archivbild)
Alle sollen sich angesprochen fühlen und einbezogen werden.Bild: KEYSTONE

Doch einige fühlen sich davon erst recht ausgeschlossen und haben darum die Initiative Justizia ruft gegründet.

Viele der Initiantinnen sind Altfeministinnen – Frauen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für Frauen sowie deren Rechte einsetzen. Und sie haben auch nichts gegen die LGBTIQA+-Bewegung. Im Gegenteil. Doch im Gegensatz zu der queeren Bewegung wollen sie die Binarität der Geschlechter nicht «abschaffen», sondern das Machtgefälle in den bestehenden Geschlechterverhältnissen verändern – und ein Grossteil der Bevölkerung fühle sich nun mal einem der binären Geschlechter zugehörig.

Aufgrund der Kritik wurden die Begriffe «Mann» und «Frau» im Entwurf zum Gesetz zwar ergänzt, doch die Angst ist weiterhin da, dass das Amt für Gleichstellung zukünftig mit denselben oder nur wenig mehr Ressourcen merklich mehr Aufgaben zu erfüllen habe. Dadurch würde die Gleichstellung per se geschwächt werden, denn die Gleichstellungsbüros in der Schweiz hätten jetzt schon notorisch zu wenig Ressourcen, wie Feministin Dore Heim gegenüber SRF sagt.

Gegenüber «10vor10» vom Montag sagt SP-Alt-Nationalrätin Margrith von Felten und «Justizia ruft»-Initiantin:

«Wir sind gegen dieses Gesetz, weil es so formuliert ist, dass die Rechte der Frauen beschnitten werden. Es ist ein Frauen-politischer Rückschritt. Denn wir als Frauen, als Kollektiv, müssen sichtbar bleiben, damit wir unsere Gleichstellung überhaupt einklagen und erkämpfen können.»

Und darum wolle man zwei Gesetze: eines für die Gleichstellung von Mann und Frau und ein Antidiskriminierungsgesetz von LGBTIQA+-Personen.

Frauen demonstrieren anlaesslich dem Frauenstreik, am Montag, 14. Juni 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Regenbogenfahne am Frauenstreik.Bild: keystone

Andere linke Politikerinnen in Basel sehen das weniger dramatisch. SP-Grossrätin Melanie Nussbaumer sagt gegenüber «10vor10», dass nicht nur das Gesetz erweitert werden soll, sondern auch die Ressourcen. Frauenanliegen würden darum von der Abteilung Gleichstellung weiterhin gefördert.

Während Genf schon ein solches Gesetz hat, wie es Basel nun einführen will, lehnt der Bundesrat die Schaffung eines dritten Geschlechtes ab – die gesellschaftlichen Voraussetzungen seien noch nicht gegeben für eine solche Innovation. Trans Personen bleibt deshalb die Gleichberechtigung auf dem Papier, wie die Frauen sie schon haben, (noch) verwehrt in der Schweiz.

Am Mittwoch gehen trotzdem alle feministischen Personen zusammen auf die Strasse. Für Gleichstellung in der Gesellschaft. (yam)

Transparenzhinweis
In einer ersten Version dieses Artikels wurde nicht erwähnt, dass die Begriffe «Mann» und «Frau» ergänzt wurden nach der Vernehmlassung.
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76 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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James R
14.06.2023 16:23registriert Februar 2014
Eigentlich ist das der Gipfel der Gleichstellung, wenn man kein Geschlecht mehr erwähnt. Aber Feministinnen kämpfen auch nicht (mehr) für die Gleichstellung, sondern für die Bevorteilung von Frauen.
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Barracuda
14.06.2023 17:17registriert April 2016
Aha, soweit soll die Gleichstellung dann doch nicht gehen, sonst hätten ja dann plötzlich auch noch alle die gleichen Pflichten. 😉 Das Ganze ist sowas von widersprüchlich.
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JabbaThaHutt
14.06.2023 17:26registriert März 2023
Es ist wirklich amüsant zuzuschauen, wie sehr die Leute zwar die totale Gleichstellung wollen aber dann doch nicht so wirklich gleich sein wollen, vor allem wenn es um die Pflichten geht.
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