SVP-Präsident Marco Chiesa stand vor rund drei Monaten im Medienzentrum des Bundes an der Türe zum kleinen Sitzungszimmer, als ihn ein Journalist fragte: «Führt die SVP eine Medienkonferenz durch?» Chiesas knappe Antwort: «Guy Parmelin ist zurückgetreten.»
Der Journalist stutzte. Konnte das wirklich sein? Chiesa gab noch einen drauf: «Das haben Sie wohl nicht erwartet!» Um Sekunden später in langes Gelächter auszubrechen. Damit machte er klar: Das war ein Scherz.
Nach Alain Bersets Rücktritt stellt sich nun allerdings ernsthaft die Frage, ob nicht auch SVP-Bundesrat Guy Parmelin noch vor den Nationalratswahlen 2023 seinen Rücktritt verkünden wird. Am 9. November wird er 64 Jahre alt, steht dann also nur noch ein Jahr vor seiner regulären Pensionierung.
Vor allem aber ist Parmelin nach Bersets Rücktritt der amtsälteste Bundesrat. Gewählt worden war er am 9. Dezember 2015 im dritten Wahlgang als Nachfolger von Eveline Widmer-Schlumpf (damals BDP). Ende 2023 ist er damit acht Jahre Bundesrat – zwei volle Legislaturen.
Guy Parmelin selbst reagiert mit viel Humor auf die Frage. Er solle dem Journalisten ausrichten, sein diplomatischer Pass sei noch bis 2029 gültig, habe Parmelin gesagt, hält Urs Wiedmer fest, Kommunikationschef des Wirtschaftsdepartements und enger Begleiter Parmelins. Damit lässt Parmelin alles offen. Theoretisch, so die Botschaft, könnte er noch eineinhalb Legislaturen anhängen, bevor er seinen diplomatischen Pass abgeben oder erneuern müsste. Das schliesst natürlich auch nicht aus, dass er seinen Diplomatenpass Ende Legislatur abgibt.
Unmissverständlich reagiert die SVP-Spitze. «Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Guy Parmelin zurücktreten möchte», sagt Parteipräsident Chiesa. «Im Gegenteil: Er ist sehr motiviert und setzt alles daran, den Schweizer Werkplatz und unsere Exportwirtschaft zu stärken.»
Noch deutlicher wird SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi zur Rücktrittsfrage. «Auf keinen Fall», betont er. «Guy Parmelin wird mit Sicherheit vier weitere Jahre im Bundesrat bleiben. Er macht seine Arbeit sehr gerne. Und auf seinem Tisch liegen wichtige Dossiers.»
Aeschi denkt dabei vor allem an das EU-Dossier und an weitere Freihandelsabkommen. In Sachen EU arbeitet der Wirtschaftsminister gemeinsam mit Helene Budliger Artieda, der Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), an einem innenpolitischen Kompromiss zum Lohnschutz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Bei den Freihandelsabkommen geht es vor allem um Indien und die Mercosur-Staaten. Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sind Vollmitgliedstaaten, Bolivien ist Beitrittskandidat.
«Mit Indien sieht es gut aus, beim Mercosur sind noch einige Fragen offen», sagt Fraktionschef Aeschi. Doch mit Lula da Silva als neuem Präsidenten von Brasilien habe sich die Situation verbessert, «da mit ihm auch eine gemeinsame Umweltagenda zum Schutz des Amazonas erörtert werden könnte».
Parmelin reist im Juli nach Brasilien. Mit dabei ist auch SVP-Präsident Chiesa, wie er bestätigt. Pirmin Bischof (Mitte) als Präsident der aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerats ist verhindert und fragte Chiesa an, den Vizepräsidenten der APK.
An den Scherz, den er vor drei Monaten mit dem angeblichen Parmelin-Rücktritt machte, kann sich Chiesa gut erinnern. Doch aufgepasst, wenn es um ernsthafte Rücktrittsprognosen geht. «Anfang Jahr sagte ich in der ‹Arena› mit allen Parteipräsidenten», betont der SVP-Chef, «dass Alain Berset meiner Meinung nach Ende Jahr zurücktreten wird.»
Damit lag er, wie sich nun zeigt, richtig. (aargauerzeitung.ch)
Das Schweizer System ist zudem nicht mit anderen Ländern vergleichbar. >2 Amtsperioden sind bei uns noch kein Weltuntergang.