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Mieten-Arena bei SRF: Dann wollen alle am Zürichsee wohnen

Jugendmedienwoche Arena
Enea (rechts) fragt SVP-Nationalrätin Fehr Düsel, ob er sich jemals leisten kann, auszuziehen.Bild: screenshot srf
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Hauseigentümerin in der Mieten-«Arena»: «Dann wollen alle am Zürichsee wohnen»

In der «Arena» von SRF stritten sich Hauseigentümerinnen und Mietende über Renditen, Expats, Seesicht – und wer aufs Land ziehen muss.
10.05.2025, 06:5110.05.2025, 13:20
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«Ich habe ein wenig Angst», sagte der 17-jährige Gymnasiast Enea, der sich vor der SVP-Nationalrätin und Beirätin des Hauseigentümerverbands Zürich Nina Fehr Düsel aufgebaut hat.

Nicht etwa vor seinem grossen Fernsehdebüt, nein, Enea möchte irgendwann von Zuhause ausziehen. Aber es gibt ein Problem: «Kann ich in Zürich überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung finden?», fragte der 17-Jährige an Fehr Düsel gewandt. Eine berechtigte Frage angesichts der Zürcher Wohnungsnot.

Schweizweit steigen die Mieten an. Wer ist schuld daran? Und was muss die Politik dagegen unternehmen? Diese Fragen diskutierten vier Nationalrätinnen und Nationalräte am 9. Mai in der «Arena» bei Sandro Brotz:

  • Nina Fehr Düsel, Nationalrätin SVP/ZH, Beirat Hauseigentümerverband Zürich
  • Yvonne Bürgin, Vizepräsidentin Die Mitte, Vorstandsmitglied Hauseigentümerverband Schweiz
  • Sarah Wyss, Nationalrätin SP/BS
  • Michael Töngi, Nationalrat Grüne/LU, Vizepräsident Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz

Brotz erhielt dabei erfrischende Unterstützung von vier Jugendlichen, die im Rahmen der Jugendmedienwoche Fernsehluft schnupperten: Sara, Yael, Lisa und Enea.

Sandro Brotz und Jugendmedienwoche
Die vier Jugendlichen im Alter von 17 bis 19 Jahren haben die ganze Woche auf der Redaktion mitgearbeitet. Bild: screenshot srf

Gute Gesetzgebung – schlechte Umsetzung

In drei Punkten herrschte in der Runde im Studio 8 an diesem Freitagabend Einigkeit: In der Schweiz herrscht Wohnungsknappheit. Es braucht mehr Wohnungen. Und es muss etwas getan werden.

Etwa 60 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung leben zur Miete. Und das wird immer teurer: Der durchschnittliche Mietzins für eine 4-Zimmer-Wohnung ist in den vergangenen 25 Jahren um fast 40 Prozent gestiegen. Die Löhne haben diese Entwicklung nicht mitgemacht.

In der NZZ warnte ein Immobilienökonom kürzlich davor, dass Mieten in zehn Jahren unbezahlbar werden könnten und empfahl, bereits jetzt für die künftige Miete zu sparen. Wie konnte es so weit kommen?

Erklärvideo: Die Schweiz – ein Land der Mieterinnen und Mieter.

Video: srf

Michael Töngi, Nationalrat der Grünen und Vizepräsident des Mieterinnen- und Mieterverbandes Schweiz, sieht das Verschulden bei der nationalen Politik:

«Das Parlament hat versagt.»
Michael Töngi, Grüne

Es sei paradox: Eigentlich müssten die Mieten heute günstiger sein als noch vor ein paar Jahren, da der Referenzzinssatz heute tiefer liege. Aber die Mieterinnen und Mieter spürten davon nichts. Dabei verbiete das Mietrecht übersteigerte Mietpreise.

Sarah Wyss, Basler SP-Nationalrätin und Verwaltungsrätin einer Wohnbaugenossenschaft, war die einzige Mieterin in der Runde. Auch sie meinte:

«Wir haben eigentlich ein gutes Mietrecht. Aber es wird nicht umgesetzt.»
Sarah Wyss, SP

Was fehle, sei eine Kontrolle der Mietzinsen. So würden Mieterinnen und Mieter pro Jahr 10,6 Milliarden Franken zu viel an Miete zahlen. Dieses Geld fliesse in Form von Renditen an die Hauseigentümerinnen und Investoren.

Hier schaltete sich Yvonne Bürgin, Mitte-Vizepräsidentin und Mitglied des Vorstands des Hauseigentümerverbands Schweiz, mit vehementem Widerspruch ein:

«Es wird immer so getan, als wären alle Hauseigentümer böse Abzocker, die wahnsinnig viel Geld verdienen.»
Yvonne Bürgin, Die Mitte

Auch sie ist Hauseigentümerin – sie hat ihr Elternhaus geerbt, umgebaut und vermietet dort eine Wohnung – und erkannte sich in der Beschreibung von Wyss ganz und gar nicht wieder. Als Brotz von ihr wissen wollte, wie viel Rendite sie denn mit der Wohnung erziele, lächelte sie verschmitzt und sagte, dass sie nicht draufzahlen wolle. «Also eigentlich Kostenmiete», fügte sie mit einem Blick in Richtung Links-Grün an.

Kostenmiete heisst: Die Miete ist so hoch wie die Kosten, die sie für die Eigentümerin verursacht. Nach diesem Prinzip funktionieren zum Beispiel städtische Wohnungen oder Genossenschaften. Dem gegenüber steht die Marktmiete, die sich an marktüblichen Preisen und Angebot und Nachfrage orientiert.

Bürgin störte sich ab dem pauschalen Vorwurf an die Hauseigentümer, dass sie sich alle «eine goldene Nase» verdienen würden.

Töngi vom Mieterinnen- und Mieterverband widersprach:

«Das ist keine moralische Frage, sondern eine ökonomische.»
Michael Töngi, Grüne

Es seien «ökonomische Tatsachen», dass Hauseigentümerinnen in den vergangenen Jahren finanziell entlastet und Mieter belastet worden seien.

Die Fronten waren schnell geklärt: Nina Fehr Düsel (SVP) und Yvonne Bürgin (Die Mitte) sprachen für die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer, Sarah Wyss (SP) und Michael Töngi (Grüne) für die Mieterinnen und Mieter.

Die falschen Leute in den günstigen Wohnungen?

Ist Wohnraum knapp, stellt sich nicht nur die Frage, wer sich das noch leisten kann, sondern auch: Wer sollte sich das eigentlich leisten können?

Einen Schlagabtausch brachte die Diskussion um sogenannte «Expats», also gut verdienende Zugewanderte, hervor. SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel stützte sich vor allem auf das Argument, dass die Zuwanderung am knappen Wohnraum schuld sei: 2024 wanderten gut 80'000 Menschen in die Schweiz ein, die Auswanderungen miteingerechnet.

Fehr Düsels Kritik: Expats könnten sich oft Mietzinse leisten, die für Einheimische unbezahlbar blieben und würden damit Preise in die Höhe treiben.

Gegenwind kam überraschenderweise von links. Töngi fand das «nicht gerade nett». Wenn die Schweiz weiterhin ein Wirtschaftswachstum haben wolle, müsste sie auch Expats bezahlbare Wohnungen bieten können.

«Ist es denn richtig, einem Expat übers Ohr zu hauen und einen missbräuchlichen Mietzins zu verlangen, nur weil er es bezahlen kann?»
Michael Töngi, Grüne

Töngi (Grüne): «Auch Expats brauchen bezahlbare Wohnungen.»

Video: srf

Yvonne Bürgin lenkte die Diskussion auf ein anderes Thema: Wenn nämlich die «falschen» Leute in den knapp vorhandenen Wohnungen lebten. So wohnten zum einen viele ältere Menschen in Wohnungen, die eigentlich viel zu gross für sie seien. Mangels guter Alternativen würden sie aber auch nicht ausziehen.

Und weiter: Sie sei zwar eine Befürworterin von Wohnbaugenossenschaften, in der Stadt Zürich beobachte sie aber, dass oftmals «die Falschen» in günstigen Genossenschaftswohnungen lebten, also Menschen, die sich Marktpreise leisten könnten.

«Manchmal sitzen die falschen Leute in den günstigen Wohnungen.»
Yvonne Bürgin, Die Mitte

Bürgin (Die Mitte): «Wer hat Anspruch auf eine Genossenschaftswohnung?»

Video: srf

Sarah Wyss, die Expertin für Wohnbaugenossenschaften in der Runde, fand harte Worte für Bürgins Kritik. Diese habe das Konzept der Wohnbaugenossenschaften wohl «überhaupt nicht verstanden».

«Alle sollen in diesem System der Genossenschaft leben können, nicht nur arme Menschen.»
Sarah Wyss, SP

Wyss (SP): «Genossenschaften sind keine Sozialwohnungen.»

Video: srf

Dann sollen sie doch aufs Land ziehen

Die Beispiele mit den Expats und den Wohnbaugenossenschaften zeigten, wie unterschiedlich die Wohnpolitik der beiden Lager aussieht. Und die Vorstellung davon, was gerechtes Wohnen ist. Wyss und Töngi ging es um den Grundsatz, dass alle Menschen, ob gutverdienend oder nicht, Anspruch auf bezahlbaren Wohnraum haben. Und dass mit Wohnen kein missbräuchlicher Profit erzielt wird.

Für Fehr Düsel und Bürgin lag die Lösung im freien Markt: Würden mehr Wohnungen gebaut, löse sich das Problem der hohen Mieten von selbst. Eingriffe von staatlicher Seite, zum Beispiel, in dem Kostenmieten ins Gesetz geschrieben würden, würden nur Investoren abschrecken. Und noch ein Problem sah Bürgin bei den Kostenmieten:

«Dann würden ja alle am Zürichsee wohnen wollen.»
Yvonne Bürgin, Die Mitte

Wenn man es sich nicht mehr leisten könne, in der Stadt zu wohnen, müsse man halt aufs Land, dort gebe es noch bezahlbaren Wohnraum, so die Voten von Bürgin und Fehr Düsel.

Vereinfacht gesagt: Wer nicht zahlen kann, muss weg. Dass diese Aussagen von einer Hauserbin und einer Hauseigentümerin einer Zürichsee-Gemeinde kamen, hatte letztendlich einen schalen Beigeschmack.

Obwohl die Gäste in der Mieten-«Arena» mit harten Bandagen kämpften und sich die Eigentümerinnen- und die Mieter-Parteien nichts schenkten, blieb die Diskussion an diesem Abend stets fair, sachlich und nah am Thema dran. Zuweilen so sachlich, dass man beinahe vergass, dass hinter den Zahlen zur Wohnungsknappheit Menschen und persönliche Nöte stehen.

Und Enea? Der muss bei seiner Wohnungssuche dereinst wohl auf viel Glück hoffen – oder auf ein Erbe.

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Passiv-aggressive Notizen an nervige Mitbewohner
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Passiv-aggressive Notizen an nervige Mitbewohner
Bild: reddit
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Mietzins: So sparst du Geld
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402 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
10.05.2025 06:03registriert August 2018
Meine kindliche Sichtweise:

Internationalen Firmen werden immer weiter die Steuern gesenkt.

Das zieht neue Firmen in die Schweiz.

Diese Firmen stellen Zehntausende Hochqualifizierte (Expats) ein.

***Die Steuersenkungen können diese Firmen in hohe Löhne investieren, die die Expats wiederum für die hohen Mieten einsetzen. Sprich: WIR finanzieren deren Mietkosten***

Diese Politik führt zur Gentrifizierung. Die Innenstädte werden auf "smarte" Art von nicht produktiven Menschen, "gesäubert".

So einfach ist das.

🇨🇭
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Sonichu
10.05.2025 06:59registriert Dezember 2022
Und nun stimmen wir gerade in Zürich darüber ab, ob Unternehmenssteuern weiter gesenkt werden sollen, damit auch ja die Firmen nicht wegziehen und alle ausser der SP sind dafür? Dieses Model dass jede Firma ihren Sitz in Zürich haben muss, dafür Tausenden Leute importiert werden und im Gegenzug fast keine Steuern bezahlt werden sollen, muss aufhören! Unter anderem darum wird alles zugebaut und niemand findet mehr eine Wohnung!
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naturwald
10.05.2025 05:21registriert Oktober 2023
Und niemand konnte ahnen dass bei stetig unbegrenzter Eimwanderung irgrndwann der Wohnraum knapp werden und deshalb immer teurer werden würde?
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    Nicht auf Eis gelegt
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