«Ich habe ein wenig Angst», sagte der 17-jährige Gymnasiast Enea, der sich vor der SVP-Nationalrätin und Beirätin des Hauseigentümerverbands Zürich Nina Fehr Düsel aufgebaut hat.
Nicht etwa vor seinem grossen Fernsehdebüt, nein, Enea möchte irgendwann von Zuhause ausziehen. Aber es gibt ein Problem: «Kann ich in Zürich überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung finden?», fragte der 17-Jährige an Fehr Düsel gewandt. Eine berechtigte Frage angesichts der Zürcher Wohnungsnot.
Schweizweit steigen die Mieten an. Wer ist schuld daran? Und was muss die Politik dagegen unternehmen? Diese Fragen diskutierten vier Nationalrätinnen und Nationalräte am 9. Mai in der «Arena» bei Sandro Brotz:
Brotz erhielt dabei erfrischende Unterstützung von vier Jugendlichen, die im Rahmen der Jugendmedienwoche Fernsehluft schnupperten: Sara, Yael, Lisa und Enea.
In drei Punkten herrschte in der Runde im Studio 8 an diesem Freitagabend Einigkeit: In der Schweiz herrscht Wohnungsknappheit. Es braucht mehr Wohnungen. Und es muss etwas getan werden.
Etwa 60 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung leben zur Miete. Und das wird immer teurer: Der durchschnittliche Mietzins für eine 4-Zimmer-Wohnung ist in den vergangenen 25 Jahren um fast 40 Prozent gestiegen. Die Löhne haben diese Entwicklung nicht mitgemacht.
In der NZZ warnte ein Immobilienökonom kürzlich davor, dass Mieten in zehn Jahren unbezahlbar werden könnten und empfahl, bereits jetzt für die künftige Miete zu sparen. Wie konnte es so weit kommen?
Michael Töngi, Nationalrat der Grünen und Vizepräsident des Mieterinnen- und Mieterverbandes Schweiz, sieht das Verschulden bei der nationalen Politik:
Es sei paradox: Eigentlich müssten die Mieten heute günstiger sein als noch vor ein paar Jahren, da der Referenzzinssatz heute tiefer liege. Aber die Mieterinnen und Mieter spürten davon nichts. Dabei verbiete das Mietrecht übersteigerte Mietpreise.
Sarah Wyss, Basler SP-Nationalrätin und Verwaltungsrätin einer Wohnbaugenossenschaft, war die einzige Mieterin in der Runde. Auch sie meinte:
Was fehle, sei eine Kontrolle der Mietzinsen. So würden Mieterinnen und Mieter pro Jahr 10,6 Milliarden Franken zu viel an Miete zahlen. Dieses Geld fliesse in Form von Renditen an die Hauseigentümerinnen und Investoren.
Hier schaltete sich Yvonne Bürgin, Mitte-Vizepräsidentin und Mitglied des Vorstands des Hauseigentümerverbands Schweiz, mit vehementem Widerspruch ein:
Auch sie ist Hauseigentümerin – sie hat ihr Elternhaus geerbt, umgebaut und vermietet dort eine Wohnung – und erkannte sich in der Beschreibung von Wyss ganz und gar nicht wieder. Als Brotz von ihr wissen wollte, wie viel Rendite sie denn mit der Wohnung erziele, lächelte sie verschmitzt und sagte, dass sie nicht draufzahlen wolle. «Also eigentlich Kostenmiete», fügte sie mit einem Blick in Richtung Links-Grün an.
Kostenmiete heisst: Die Miete ist so hoch wie die Kosten, die sie für die Eigentümerin verursacht. Nach diesem Prinzip funktionieren zum Beispiel städtische Wohnungen oder Genossenschaften. Dem gegenüber steht die Marktmiete, die sich an marktüblichen Preisen und Angebot und Nachfrage orientiert.
Bürgin störte sich ab dem pauschalen Vorwurf an die Hauseigentümer, dass sie sich alle «eine goldene Nase» verdienen würden.
Töngi vom Mieterinnen- und Mieterverband widersprach:
Es seien «ökonomische Tatsachen», dass Hauseigentümerinnen in den vergangenen Jahren finanziell entlastet und Mieter belastet worden seien.
Die Fronten waren schnell geklärt: Nina Fehr Düsel (SVP) und Yvonne Bürgin (Die Mitte) sprachen für die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer, Sarah Wyss (SP) und Michael Töngi (Grüne) für die Mieterinnen und Mieter.
Ist Wohnraum knapp, stellt sich nicht nur die Frage, wer sich das noch leisten kann, sondern auch: Wer sollte sich das eigentlich leisten können?
Einen Schlagabtausch brachte die Diskussion um sogenannte «Expats», also gut verdienende Zugewanderte, hervor. SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel stützte sich vor allem auf das Argument, dass die Zuwanderung am knappen Wohnraum schuld sei: 2024 wanderten gut 80'000 Menschen in die Schweiz ein, die Auswanderungen miteingerechnet.
Fehr Düsels Kritik: Expats könnten sich oft Mietzinse leisten, die für Einheimische unbezahlbar blieben und würden damit Preise in die Höhe treiben.
Gegenwind kam überraschenderweise von links. Töngi fand das «nicht gerade nett». Wenn die Schweiz weiterhin ein Wirtschaftswachstum haben wolle, müsste sie auch Expats bezahlbare Wohnungen bieten können.
Yvonne Bürgin lenkte die Diskussion auf ein anderes Thema: Wenn nämlich die «falschen» Leute in den knapp vorhandenen Wohnungen lebten. So wohnten zum einen viele ältere Menschen in Wohnungen, die eigentlich viel zu gross für sie seien. Mangels guter Alternativen würden sie aber auch nicht ausziehen.
Und weiter: Sie sei zwar eine Befürworterin von Wohnbaugenossenschaften, in der Stadt Zürich beobachte sie aber, dass oftmals «die Falschen» in günstigen Genossenschaftswohnungen lebten, also Menschen, die sich Marktpreise leisten könnten.
Sarah Wyss, die Expertin für Wohnbaugenossenschaften in der Runde, fand harte Worte für Bürgins Kritik. Diese habe das Konzept der Wohnbaugenossenschaften wohl «überhaupt nicht verstanden».
Die Beispiele mit den Expats und den Wohnbaugenossenschaften zeigten, wie unterschiedlich die Wohnpolitik der beiden Lager aussieht. Und die Vorstellung davon, was gerechtes Wohnen ist. Wyss und Töngi ging es um den Grundsatz, dass alle Menschen, ob gutverdienend oder nicht, Anspruch auf bezahlbaren Wohnraum haben. Und dass mit Wohnen kein missbräuchlicher Profit erzielt wird.
Für Fehr Düsel und Bürgin lag die Lösung im freien Markt: Würden mehr Wohnungen gebaut, löse sich das Problem der hohen Mieten von selbst. Eingriffe von staatlicher Seite, zum Beispiel, in dem Kostenmieten ins Gesetz geschrieben würden, würden nur Investoren abschrecken. Und noch ein Problem sah Bürgin bei den Kostenmieten:
Wenn man es sich nicht mehr leisten könne, in der Stadt zu wohnen, müsse man halt aufs Land, dort gebe es noch bezahlbaren Wohnraum, so die Voten von Bürgin und Fehr Düsel.
Vereinfacht gesagt: Wer nicht zahlen kann, muss weg. Dass diese Aussagen von einer Hauserbin und einer Hauseigentümerin einer Zürichsee-Gemeinde kamen, hatte letztendlich einen schalen Beigeschmack.
Obwohl die Gäste in der Mieten-«Arena» mit harten Bandagen kämpften und sich die Eigentümerinnen- und die Mieter-Parteien nichts schenkten, blieb die Diskussion an diesem Abend stets fair, sachlich und nah am Thema dran. Zuweilen so sachlich, dass man beinahe vergass, dass hinter den Zahlen zur Wohnungsknappheit Menschen und persönliche Nöte stehen.
Und Enea? Der muss bei seiner Wohnungssuche dereinst wohl auf viel Glück hoffen – oder auf ein Erbe.
Internationalen Firmen werden immer weiter die Steuern gesenkt.
Das zieht neue Firmen in die Schweiz.
Diese Firmen stellen Zehntausende Hochqualifizierte (Expats) ein.
***Die Steuersenkungen können diese Firmen in hohe Löhne investieren, die die Expats wiederum für die hohen Mieten einsetzen. Sprich: WIR finanzieren deren Mietkosten***
Diese Politik führt zur Gentrifizierung. Die Innenstädte werden auf "smarte" Art von nicht produktiven Menschen, "gesäubert".
So einfach ist das.
🇨🇭