Der Netzaktivist Hernani Marques verlangte vom Innendepartement unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz Dokumente, wie der Bund im Januar und Februar 2020 die Corona-Lage eingeschätzt hat.
Das war Anfangs Dezember 2020. Nun erhielt er Zugang zu drei Dokumenten, die er am Dienstagabend via Twitter veröffentlichte.
📢 Liebe Medienschaffende & liebe wachsame Bevölkerung
— Hernâni Marques 🦖 @hernani@chaos.social (@vecirex) January 12, 2021
Antwort #BGÖ vom Generalsekretariat EDI (GS-EDI) zu den kommunikativen #SARSCoV2-Anfängen erhalten.
Anhang 1: https://t.co/S5XZ7rIYrO (PDF)
Anhang 2: https://t.co/kpd0wemvN3 (PDF)
Anhang 3: https://t.co/NrgfC8Clyy (PDF) https://t.co/x0huEip1fe pic.twitter.com/fvLDZGtMRC
Wir haben die Dokumente angeschaut und die interessantesten Punkte daraus zusammengefasst. Wer die Originaldokumente anschauen will, klickt entweder auf den Tweet von Marques oder auf die Links unter den Abschnitten hier.
Das erste Dokument stammt aus der Feder von Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung im Bundesamt für Gesundheit (BAG) und richtet sich an Gesundheitsminister Alain Berset.
Darin schildert Mathys zuerst die Lage in China, wo zu diesem Zeitpunkt gemäss der chinesischen Regierung über 400 Personen am Coronavirus erkrankt und 9 Patienten daran verstorben sind. Zum Wissensstand über das Virus heisst es:
Mathys schreibt, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Lage aufmerksam verfolge und es bislang keine Einschränkungen für die Region gebe. Man gehe aber davon aus, dass die WHO eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» ausrufe und zeitlich befristete Massnahmen kommuniziere.
Für das Risiko in der Schweiz heisst es:
Ein «Import» eines Falles in die Schweiz sei aber nicht ausgeschlossen, ebenso eine Übertragung nach Einschleppung innerhalb der Schweiz. Die grösste Gefahr schätze Mathys aber folgendermassen ein:
Das BAG blieb aber nicht untätig, folgende Massnahmen seien umgesetzt (alles Zitate):
Quelle: Das Dokument findest du hier.
Das zweite Dokument stammt aus der Feder von Gesundheitsminister Berset und ist an den Bundesrat gerichtet.
Nach Schilderung des Hintergrunds wird auf die aktuelle Lage eingegangen. Berset weist darauf hin, dass sich die Lage im Stundentakt ändere. Damals waren über 4500 Menschen in China am Virus erkrankt, 106 davon verstarben. Tage zuvor wurden die ersten Fälle in Frankreich bestätigt. Berset weist ausserdem darauf hin, dass China zu drastischen Massnahmen zur Eindämmung gegriffen habe.
Zum Risiko in der Schweiz heisst es in dem Bericht:
Einreisemassnahmen seien für die Schweiz derzeit nicht angezeigt. Dies wird unter anderem damit begründet, dass die WHO keine diesbezügliche Empfehlung ausgesprochen habe, ausserdem müsse eine solche Massnahme zudem mit Europa koordiniert werden, damit sich eine gewisse Wirksamkeit zeige.
Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt erste Verdachtsfälle, die sich aber noch nicht bestätigt hatten. Bezüglich der Anzahl Verdachtsfälle zeigte man sich auf nationaler Ebene bewusst bedeckt.
Berset klärt über die getroffenen Massnahmen auf (alles Zitate):
Quelle: Das Dokument findest du unter diesem Link.
Das dritte veröffentlichte Dokument richtet sich erneut an den Gesamtbundesrat, Verfasser wie beim vorherigen Dokument ist Berset.
Zur aktuellen Lage schildert Berset, dass mittlerweile 40'000 Menschen am Coronavirus erkrankt und 908 Patienten daran verstorben sind. Noch sei unklar, wie sich das Virus von Mensch zu Mensch übertrage – international wird die Lage so beschrieben: «Obwohl es auch ausserhalb von China lokal zu einzelnen Mensch-zu-Mensch Übertragungen gekommen ist, konnten bis anhin keine anhaltenden Infektionsketten und Ausbrüche beobachtet werden.»
Zum Risiko für die Schweiz heisst es:
Die vorher getroffenen Massnahmen wurden noch verstärkt, besonders auch die Information der Bevölkerung soll durch wöchentliche Points-de-presse sichergestellt werden.
Neu dazu gekommen ist auch ein Punkt «Herausforderungen». Hier geht Berset auf Distanz mit der WHO:
Zum Thema wurden auch kommende Grossveranstaltungen mit internationaler Teilnahme wie etwa die Uhren- und Schmuckmesse in Basel. Dazu heisst es: «Entsprechende Empfehlungen und Vorgehensweisen werden zusammen mit den Kantonen erarbeitet.»
Und: Die Problematik mit dem Schutzmasken-Engpass war bereits bekannt:
Quelle: Hier findest du den Link zum Dokument.
Gut zwei Wochen nach diesem Bericht an den Bundesrat, am 25. Februar, war es dann soweit: Der erste Coronafall bestätigte sich auch in der Schweiz. Drei Tage später kam das Eventverbot für Grossveranstaltungen mit über 1000 Personen.
Auch auf die Maskenproblematik wurde früh eingegangen. Ich bin nach dieser Veröffentlichung eher der Meinung dass Bundesrat Berset sehr gute Arbeit abgeliefert hat.
«Die WHO hält mit einem aktuellen Schreiben des Generaldirektors daran fest, dass auf Restriktionen im Reise- und Warenverkehr weiterhin verzichtet werden soll. Dies ist aus Sicht des BAG aufgrund der aktuellen epidemiologischen Situation kaum mehr nachvollziehbar.»
Was über Alles analysiert und optimiert werden muss, ist das Verhalten aller beteiligten Institutionen im Krisenfall. So ein Rumgeeiere wie diesmal bitte nicht noch mal. Vorallem nicht, wenn es wirklich dick kommt. Aber auch Taiwan hat es nicht beim ersten Mal geschafft.
https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Taiwans-Digitalministerin-Sehen-die-Demokratie-selbst-als-eine-Technologie-id58833006.html