Die Bilder der Betonblöcke, welche die Behörden vor die «Walliserkanne» in Zermatt stellten, gingen um die Welt. Zuvor hatte die Besitzerfamilie über Monate hinweg die Zertifikatspflicht verweigert. Sie missachtete auch eine Schliessungsanordnung.
Drei Familienmitglieder wurden mehrere Tage in Haft genommen. Der Staatsanwalt forderte einen Monat Untersuchungshaft, doch das Zwangsmassnahmengericht lehnte dies ab.
Es ist ein Fall, der Fragen aufwirft.
Die «Schweiz am Wochenende» hat dazu Daten erhoben in allen Kantonen, bei Polizeien, Gesundheits- und Wirtschaftsdepartementen und beim Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Das Resultat: Die 26 Kantone sprachen vom März 2020 bis Oktober 2021 rund 30'000 Ordnungsbussen aus und rund 13'000 Anzeigen. Zudem ordneten sie bei etwa 150 Betrieben eine vorübergehende Zwangsschliessung an. Mindestens ein Betrieb (in Neuenburg) wurde definitiv geschlossen.
Total führten die Kantone zudem 28'156 Kontrollen durch bei Restaurants, Nachtlokalen, Hotels, Indoor-Freizeitbetrieben und Einkaufsläden. Sie entdeckten dabei 6335 Mängel.
Auf den ersten Blick scheinen sie hoch zu sein. Ein Vergleich relativiert sie allerdings: In eineinhalb Jahren wurden in der ganzen Schweiz 30'000 Ordnungsbussen zu Covid ausgesprochen. Vor Corona ahndete aber 2019 allein die Stadtpolizei Zürich 892'000 Übertretungen mit Bussen. 421'461 davon waren Parkbussen. Das zeigt: In ihrer ganz grossen Mehrheit gingen die Kantone milde vor bei Sündern gegen Covid-Vorgaben.
Das betonen auch viele Kantone. Sie sei mit «Augenmass» vorgegangen, hält die Aargauer Kantonspolizei fest. Die Zuger Polizei und die Kantonspolizei Uri sprechen von «gesundem Menschenverstand».
Es sei nicht das Ziel gewesen, möglichst viele Bussen zu verteilen und Betriebe zu verzeigen, heisst es bei der Zuger Polizei. Man habe mit Kontrollen Ansteckungen verhindern wollen, damit sich die epidemiologische Lage möglichst rasch normalisiere.
Die Bevölkerung erhält aus zwei Kantonen explizit Komplimente. «Wir können den Verantwortlichen von Betrieben und Veranstaltungen ein Lob aussprechen zur Umsetzung der Covid-Massnahmen», sagt etwa Nidwaldens Gesundheitsdirektorin Michèle Blöchliger (SVP). Im Kanton Nidwalden mussten nur wenige Sanktionen ausgesprochen werden.
Auch die Kantonspolizei Aargau betont: «Weitaus die grosse Mehrheit der Bevölkerung hat solidarisch und verantwortungsbewusst mitgeholfen, die Pandemie zu bekämpfen.» Die Polizei im Aargau habe insgesamt «sehr gute Erfahrungen» gemacht.
Wie sieht es aus mit Bussen, Anzeigen, Kontrollen und Schliessungen?
Bussen wurden aus unterschiedlichen Gründen verteilt. Etwa wegen Nichteinhalten des Abstands von zwei Metern. Oder wegen Teilnahme an Menschenversammlungen, welche eine verordnete Höchstzahl überschritten. Und wegen Missachtung der Maskenpflicht.
Am meisten Bussen verteilten die grossen Kantone wie Waadt (4932), Bern (3400), Zürich (3304), Aargau (3200), Genf (2359) und – eher überraschend – das Wallis (2346).
Am wenigsten Bussen sprachen Nidwalden (wenige), Baselland (tief zweistellig) und Uri (46) aus.
Vier Kantone hatten keine Daten – oder wollten keine liefern: Glarus, Obwalden, Tessin und Zug.
Anzeigen gab es wegen Teilnahme an Versammlungen/Demonstrationen, die eine verordnete Höchstzahl überschritten. Aber auch wegen der Verletzung von Maskenpflicht und Zertifikatspflicht und wegen fehlender oder mangelhafter Schutzkonzepte.
Hier fällt ein Kanton auf: Genf. Er sprach als einziger mehr Anzeigen (6063) aus als Ordnungsbussen (2359). Auf Rang zwei folgt Zürich (2385 Anzeigen), auf Rang drei die Waadt (1658).
Allein diese drei Kantone sprachen 10106 der total 13000 Anzeigen aus. Das deutet darauf hin, dass in diesen Kantonen relativ systematisch Anzeigen gemacht wurden.
Sieben Kantone konnten oder wollten keine Angaben zu Anzeigen liefern.
Die 26 Kantone führten 28156 Kontrollen durch bei öffentlich zugänglichen Betrieben wie Restaurants, Hotels, Freizeitbetrieben und Einkaufsläden. Dabei entdeckten sie 6335 Mängel. Diese mussten sie dem Bundesamt für Gesundheit melden.
Kontrollkönig pro 100'000 Einwohner ist der Kanton Graubünden, gefolgt von Schwyz, Jura, Neuenburg, Uri und Appenzell Innerrhoden. Am lockersten kontrollierte der Aargau, gefolgt von Obwalden, St. Gallen, Freiburg, Genf und Nidwalden.
In zwölf Kantonen wurden über 150 Betriebe zumindest vorübergehend geschlossen. Dabei fallen drei Kantone auf: Basel-Stadt, Solothurn und Neuenburg. In Basel-Stadt wurden 34 Betriebe temporär geschlossen: 28 Erotikbetriebe und sechs weitere Betriebe wie Coiffeursalon, Café, Restaurant, Club und Fitnessklub. In diesen Fällen habe das Schutzkonzept komplett gefehlt oder sei ungenügend gewesen, sagt Anne Tschudin, Sprecherin des Gesundheitsdepartements. Wurden die Mängel behoben, wurde auch die Schliessung aufgehoben.
Der Kanton Solothurn schloss 26 Betriebe temporär: aus den Bereichen persönliche Dienstleistungen, Detailhandel, Freizeiteinrichtungen und Gastronomie. Diese Betriebe hätten die geltenden Schutzmassnahmen nicht eingehalten und auch nach einer ersten Verwarnung mit Nachfrist nichts verbessert, sagt Jonas Motschi, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit. Betriebsschliessungen seien aber «nur in Ausnahmefällen notwendig und verhältnismässig» gewesen.
Der Kanton Neuenburg schloss 25 Betriebe – 24 vorübergehend. Betroffen waren 12 Geschäfte und 12 Restaurants und Bars. Ein Restaurantbetrieb wurde definitiv geschlossen. Er hatte aber auch noch gegen andere gesetzliche Bestimmungen verstossen.
Der Kanton Waadt schloss 19 Betriebe vorübergehend, der Kanton Aargau neun. Im Aargau waren zwei Restaurants betroffen, zwei Klub- und Eventbetriebe, zwei Sporteinrichtungen und drei Dienstleistungsbetriebe. Auch der Kanton Schwyz schloss einzelne Betriebe. Betroffen waren Betriebe aus dem Bereich Gastronomie, Freizeit und Testcenter. Sie waren für mehrere Stunden oder Tage geschlossen.
(aargauerzeitung.ch)
Übersetzt: Weil wir kein Interesse hatten, zu kontrollieren, stehen wir gut da.